Annahmeverzug des Arbeitgebers

Grund­sätzlich schuldet der Arbeit­geber dem Arbeit­nehmer nur dann Vergütung, wenn der Arbeit­nehmer seine vertraglich geschuldete Arbeits­leistung erbracht hat. Aller­dings muss der Arbeit­geber die angebotene Leistung auch annehmen. Nimmt er die angebo­tenen Dienste des Arbeit­nehmers unberech­tig­ter­weise nicht an, gerät der Arbeit­geber in den sogenannten Annah­me­verzug. Dann kann der Arbeit­nehmer nach § 615 BGB trotz tatsächlich nicht geleis­teter Dienste die verein­barte Vergütung verlangen, ohne zu einer Nachleistung verpflichtet zu sein. 

Die Regeln zum Annah­me­verzug behandeln die Auswir­kungen in der Situation, dass eine für die Erfüllung der Dienst­pflicht notwendige Mitwirkung des Gläubigers, hier des Arbeit­gebers, unter­bleibt. Einfach ausge­drückt: Was passiert, wenn der Arbeit­geber den Arbeit­nehmer nicht arbeiten lässt?

 

Voraussetzungen

Die Voraus­set­zungen für die Geltend­ma­chung eines Annah­me­ver­zuges sind:

  • Ein wirksames Arbeits­ver­hältnis muss bestehen oder fortbestehen,
  • ein Angebot der Arbeits­leistung durch den Dienstverpflichteten,
  • Leistungs­wil­ligkeit und Leistungs­fä­higkeit  des Dienstverpflichteten,
  • unrecht­mäßige Nicht­an­nahme durch den Dienst­be­rech­tigten (insbe­sondere bei unwirk­samer Kündigung).
 

Wirksamer Dienstvertrag bzw. Arbeitsvertrag

Für das Vorliegen eines Annah­me­ver­zuges des Arbeit­gebers muss ein wirksamer Dienst­vertrag bestehen oder fortbe­stehen. Ein solcher besteht in einem Arbeits­ver­hältnis, wenn ein Arbeits­vertrag geschlossen wurde. Es reicht für den Annah­me­verzug jedoch sogar aus, dass ein fehler­hafter Arbeits­vertrag geschlossen wurde und die Arbeits­leistung angeboten wurde. Denn eine Anfechtung eines Arbeits­ver­trages wegen eines Willens­mangels wirkt nur für die Zukunft.

 

Angebot der Leistung durch den Dienstverpflichteten

Nach den allge­meinen zivil­recht­lichen Regelungen muss in einem Dienst­vertrag für das Vorliegen eines Annah­me­ver­zuges die Leistung durch den Schuldner angeboten werden. Im Arbeits­ver­hältnis bedeutet das: Der Arbeit­nehmer muss seine Arbeits­leistung so anbieten, wie sie arbeits­ver­traglich geschuldet ist. Grund­sätzlich muss die Arbeits­leistung tatsächlich angeboten werden. Der Arbeit­nehmer muss also persönlich die vertraglich geschuldete Leistung dem richtigen Arbeit­geber, am verein­barten Arbeitsort, zur verein­barten Arbeitszeit anbieten. Damit ist gemeint, dass sich der Arbeit­nehmer zu Dienst­beginn an seinem Arbeits­platz arbeits­bereit einfindet. Leihar­beit­nehmer müssen ihre Arbeits­kraft dem verlei­henden Unter­nehmen anbieten.

Im Arbeits­ver­hältnis hat der Arbeit­geber die Mitwir­kungs­pflicht, dem Arbeit­nehmer einen funkti­ons­fä­higen Arbeits­platz zur Verfügung zu stellen und Arbeit zuzuweisen. Wurde dem Arbeit­nehmer keine Arbeit oder kein Arbeits­platz zugewiesen, reicht es für ein tatsäch­liches Angebot der Arbeits­leistung aus, dass der Arbeit­nehmer im Betrieb erscheint und sich zur Arbeits­leistung bereit erklärt.

Hat der Arbeit­geber bereits ausdrücklich oder konkludent erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen will,  genügt auch ein wörtliches Angebot, also die telefo­nische oder schrift­liche Erklärung, die Dienst­leistung anzubieten.

 

Muss ich dem Arbeitgeber meine Arbeitsleistung zumindest telefonisch anbieten, wenn er den Arbeitsvertrag gekündigt hat?

Grund­sätzlich nicht. Denn dies wäre ein nach § 296 S 1 BGB entbehr­liches Angebot. Es wird von der Recht­spre­chung nicht verlangt, dass der Arbeit­nehmer nach Ausspruch einer Kündigung oder einer Freistellung ein tatsäch­liches Arbeits­an­gebot oder ein mündliches Arbeits­an­gebot abgibt, wenn dies reiner Forma­lismus wäre. Es würde dann ein überflüs­siges Angebot darstellen. Da der Arbeit­geber mit der Kündigung dem Arbeit­nehmer den entge­gen­ge­setzten Willen zu erkennen gibt, muss der Arbeit­geber ihn wieder zur Arbeit auffordern, wenn er trotz frist­loser Kündigung nicht in Annah­me­verzug geraten will. (BAG, Urteil vom 9. August 1984 – 2 AZR 374/83 -)

Weigert sich der Arbeit­geber seiner Mitwir­kungs­pflicht nachzu­kommen und  dem Arbeit­nehmer zur konkreten Arbeitszeit einen Arbeits­platz zur Verfügung zu stellen sowie Arbeit zuzuweisen, ist ein Angebot der Arbeits­leistung durch den Arbeit­nehmer entbehrlich, wenn für die Mitwir­kungs­pflicht eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Im Ausspruch einer Kündigung wird die konklu­dente Weigerung des Arbeit­gebers gesehen, die Arbeits­leistung anzunehmen.

Der Arbeit­geber gerät also in Annah­me­verzug, wenn er dem Arbeit­nehmer unberech­tig­ter­weise […] kündigt, ohne dass es eines Arbeits­an­gebots des Arbeit­nehmers bedarf.

(BAG, Urteil vom 9. August 1984 – 2 AZR 374/83 –)

Ist ein tatsäch­liches Angebot entbehrlich, reicht eine konklu­dente Willens­er­klärung des Arbeit­nehmers aus, die Arbeits­leistung weiterhin erbringen zu wollen. In der Recht­spre­chung wird die Einrei­chung einer Kündi­gungs­schutz­klage als solches konklu­dentes Angebot angesehen.

Der Arbeit­nehmer muss seine Arbeits­kraft aber bereit­halten, sollte der Arbeit­geber den Arbeits­platz wieder bereitstellen.

Ausnahme: Wenn der Arbeit­nehmer aller­dings krank­heits­be­dingt oder aus anderen Gründen längere Zeit abwesend war, muss er seine Arbeits­leistung tatsächlich anbieten und dem Arbeit­geber zeigen, dass er wieder arbeits­bereit und arbeits­fähig ist.

 

Leistungsfähigkeit und  Leistungsbereitschaft des Dienstverpflichteten

 

Leistungsfähigkeit

Der Arbeit­nehmer muss physisch und rechtlich imstande sein, die Arbeits­leistung zu bewirken. Daher scheidet ein Annah­me­verzug des Arbeit­gebers aus, wenn der Arbeit­nehmer infolge einer Krankheit oder durch Alkoho­li­sierung arbeits­un­fähig ist, selbst wenn er seine Arbeits­leistung anbietet. Es kommt darauf an, ob der Arbeit­nehmer objektiv arbeits­fähig bzw. arbeits­un­fähig ist, nicht darauf, ob sich der Arbeit­nehmer arbeits­fähig fühlt.

Leistungs­fähig ist der Arbeit­nehmer auch dann nicht, wenn er eine Freiheits­strafe verbüßt oder wenn er aus recht­lichen Gründen an der Arbeits­leistung gehindert ist. Recht­liche Hinde­rungs­gründe könnten beispiels­weise eine fehlende Appro­bation bei Ärzten oder eine entzogene Fahrerlaubnis bei Fernfahrern sein.

 

Leistungsbereitschaft

Ein Annah­me­verzug des Arbeit­gebers kommt auch dann nicht in Betracht, wenn der Arbeit­nehmer leistungs­un­willig ist. Beispiels­weise wenn er die Arbeits­leistung aus Gewis­sens­gründen verweigert (§ 275 Abs. 3 BGB). Die Leistungs­be­reit­schaft des Arbeit­nehmers muss bedin­gungslos sein. Macht der Arbeit­nehmer seine Arbeits­leistung von einer Bedingung abhängig, etwa, dass der Arbeit­geber auf die Kündigung verzichten würde, liegt keine Leistungs­be­reit­schaft vor. Auch wenn der Arbeit­nehmer davon ausgeht, die Kündigung sei wirksam und deswegen nicht zur Arbeit kommt, fehlt es an der Leistungsbereitschaft.

 

Leistungsunfähigkeit bei Zwischentätigkeit

Kann der Arbeit­nehmer die Arbeits­leistung nur deswegen nicht erbringen, weil er während des Kündi­gungs­schutz­pro­zesses eine andere Stelle angetreten hat, tritt trotz der tatsäch­lichen Leistungs­un­fä­higkeit des Dienst­ver­pflich­teten Annah­me­verzug des Arbeit­gebers ein. Der Arbeit­nehmer ist in diesem Fall nicht leistungs­un­willig. Der aus der anderen Tätigkeit erzielte Verdienst wird aber nach § 615 BGB auf die Annah­me­ver­zugs­ver­gütung angerechnet.

Der ursprüng­liche Arbeit­geber muss zur Beendigung des Annah­me­verzugs den Arbeit­nehmer auffordern, wieder zur Arbeit zu erscheinen. Kommt der Arbeit­nehmer aber der Arbeits­auf­for­derung ohne jegliche Erklärung nicht nach, indiziert dies seine fehlende Leistungs­be­reit­schaft. (BAG, Urteil vom 16. Mai 2012 – 5 AZR 251/11 –)

 

Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

Der Arbeit­geber nimmt die Arbeits­leistung nicht an, wenn er seine Mitwir­kungs­pflicht unter­lässt, dem Arbeit­nehmer einen Arbeits­platz bereit­zu­stellen und vertraglich verein­barte Arbeit zuzuweisen. Es ist kein ausdrück­licher Akt der Ablehnung notwendig. Ob der Arbeit­geber die Leistung nicht annehmen will oder nicht annehmen kann, ist unerheblich. Er kommt nur dann nicht in Annah­me­verzug, wenn er ausnahms­weise berechtigt oder gar verpflichtet ist, die Arbeits­leistung abzulehnen, beispiels­weise aufgrund eines Beschäf­ti­gungs­ver­botes nach § 3 MuSchG.

Wurde für den Arbeit­nehmer ein Weiter­be­schäf­ti­gungs­an­spruch verfügt, kommt der Arbeit­geber selbst dann in Annah­me­verzug, wenn er den Arbeit­nehmer nicht verfü­gungs­gemäß beschäftigt, aber letzt­endlich den Kündi­gungs­schutz­prozess gewinnt.

 

Rechtsfolge bei Annahmeverzug

Der Annah­me­verzug des Arbeit­gebers bewirkt, dass der Arbeit­nehmer die vertraglich verein­barte Vergütung verlangen kann, auch wenn er keine Arbeits­leistung erbracht hat. Er muss seine Arbeits­leistung auch nicht nachholen, da er nicht zur Nachleistung verpflichtet ist. Der Annah­me­ver­zugslohn stellt die Erfüllung der arbeits­ver­trag­lichen Pflicht des Arbeit­gebers dar und ist kein Schadensersatz.

 

Umfang der Vergütung aus Annahmeverzug

Der Arbeit­nehmer kann die gesamte verein­barte Vergütung sowie verein­barte Zulagen, Zuschläge und Grati­fi­ka­tionen verlangen, die im Zeitraum des Annah­me­verzugs für ihn angefallen wären. Es gilt das Lohnaus­fall­prinzip. Auslagen, wie Fahrt­kos­ten­pau­schalen oder Verpfle­gungs­pau­schalen sind nicht vom Annah­me­ver­zugslohn erfasst.

 

Muss sich der Arbeitnehmer bei Annahmeverzug des Arbeitgebers anderweitigen Verdienst anrechnen lassen?

Der Arbeit­nehmer ist gemäß § 615 Satz 2 BGB nach Ausspruch einer Kündigung gehalten, seine Arbeits­kraft ander­weitig zu verwerten bzw. anzubieten. Schon unter wirtschaft­lichen und sozial­ver­si­che­rungs­rechten Gesichts­punkten ist es für den Arbeit­nehmer ratsam, sich unver­züglich, spätestens nach Ende der Kündi­gungs­frist bei der Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden und einen Antrag auf Arbeits­lo­sengeld zu stellen. Die Agentur für Arbeit wird dann geeignete Stellen­an­gebote zusenden und zur Bewerbung auffordern. Daneben ist der Arbeit­nehmer auch gefordert, sich selbständig um einen Zwischen­ver­dienst zu bemühen.

 

Anderweitiger Verdienst

Wenn der Arbeit­nehmer während des Kündi­gungs­schutz­pro­zesses eine andere Tätigkeit findet und antritt, so muss er sich nach § 11 Nr. 1 KSchG das daraus erzielte Einkommen, den Zwischen­ver­dienst, auf den Annah­me­ver­zugslohn anrechnen lassen.

Der ander­weitige Verdienst, den der Kläger während des Anrech­nungs­zeit­raums erzielt hat, ist auf die Gesamt­ver­gütung für die Dauer des (beendeten) Annah­me­verzugs anzurechnen. Zum Zwecke der dafür erfor­der­lichen Vergleichs­be­rechnung (Gesamt­be­rechnung) ist zunächst die Vergütung für die infolge des Verzugs nicht geleis­teten Dienste zu ermitteln. Dieser Gesamt­ver­gütung ist das gegen­über­zu­stellen, was der Arbeit­nehmer in der betref­fenden Zeit ander­weitig verdient hat.

(BAG, Urteil vom 16. Mai 2012 – 5 AZR 251/11 –)
 

Böswillige Nichtannahme zumutbaren Zwischenverdienstes

Zudem wird nach § 11 Nr. 2 KSchG der Verdienst angerechnet, der fiktiv hätte erreicht werden können, wenn der Arbeit­nehmer es nicht böswillig unter­lassen hätte, eine zumutbare andere Arbeits­mög­lichkeit anzunehmen.

Ein Arbeit­nehmer unter­lässt böswillig im Sinne des § 11 Nr. 2 KSchG ander­wei­tigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annah­me­verzugs trotz Kenntnis aller objek­tiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Beachtung des Grund­rechts auf freie Arbeits­platzwahl nach Art. 12 GG zumutbare ander­weitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert.

(BAG, Urteil vom 19. Januar 2022 – 5 AZR 346/21 –)

Der Umfang der Anrechnung bemisst sich danach, was der Arbeit­nehmer in der zumut­baren ander­wei­tigen Arbeit, die er böswillig unter­lassen hat, als Vergütung hätte bekommen können. Die vom Arbeit­geber aus Annah­me­verzug geschuldete Vergütung  wird um diesen böswillig unter­las­senen Verdienst gekürzt.

 

Im Betrieb

Ander­weitige Arbeits­mög­lich­keiten können sich im Betrieb des bishe­rigen Arbeit­gebers ergeben, beispiels­weise durch eine zeitlich befristete Prozess­be­schäf­tigung. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass der Arbeit­geber eine Änderungs­kün­digung ausge­sprochen hat, die der Arbeit­nehmer unter Vorbehalt annehmen könnte.

Zu beachten ist dabei auch, dass nicht­ver­trags­gemäße Arbeit im Sinne des § 11 KSchG nicht ohne weiteres mit unzumut­barer Arbeit gleich­zu­setzen ist. Der Arbeit­geber kann eine Tätigkeit anbieten, die nicht im Arbeits­vertrag vereinbart wurde, also mit anderen Arbeits­be­din­gungen bezüglich des Arbeits­in­halts, anderer – meist gerin­gerer – Bezahlung und, in gewissem Rahmen, anderen Arbeits­ortes. Denn würde der Arbeit­geber vertrags­gemäße Arbeit anbieten, käme er logischer­weise nicht in den Annah­me­verzug. (BAG, Urteil vom 19. Januar 2022 – 5 AZR 346/21 –)

 

Stellenangebote „Dritter“

Aber auch wenn der bisherige Arbeit­geber keine Beschäf­ti­gungs­mög­lichkeit während des Kündi­gungs­schutz­pro­zesses anbietet, darf der Arbeit­nehmer nicht untätig bleiben, wenn sich ihm eine realis­tische Arbeits­mög­lichkeit bietet. Er muss sich auf zumutbare Stellen­an­gebote der Agentur für Arbeit bewerben und sich zudem selbständig durch Abgabe von eigenen Angeboten um eine neue Tätigkeit kümmern. (LArbG Berlin‐Brandenburg, Urteil vom 30. September 2022 – 6 Sa 280/22 –)

Es genügt das vorsätz­liche außer Acht lassen einer dem Arbeit­nehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbs­arbeit. Die vorsätz­liche Untätigkeit muss dem Arbeit­nehmer auch vorwerfbar sein. Das ist nicht der Fall, wenn eine angebotene oder sonst mögliche Arbeit nach den konkreten Umständen für den Arbeit­nehmer unzumutbar ist.

 

Zumutbarkeit / Unzumutbarkeit

Zumut­barkeit bzw. Unzumut­barkeit sind unbestimmte Rechts­be­griffe, die nach den Grund­sätzen von Treu und Glauben durch eine Inter­es­sen­ab­wägung der Einzel­fall­um­stände ermittelt werden. Abgewogen wird das Interesse des Arbeit­nehmer an seiner Berufs­freiheit und der freien Wahl des Arbeits­platzes gegen das wirtschaft­liche Interesse des Arbeit­gebers, den finan­zi­ellen Schaden aus dem Annah­me­verzug möglichst gering zu halten. Allge­meine Kriterien für die Zumut­barkeit sind Ort, Zeit und Inhalt (Gefähr­lichkeit) der anderen möglichen Tätigkeit, Vergü­tungsform, Art und Umfang von Sozialleistungen.

Der Arbeit­nehmer darf grund­sätzlich selbst wählen, wo, für wen und was er arbeiten möchte. Er braucht, wenn der Arbeit­geber in Annah­me­verzug ist, grund­sätzlich keine völlig anders geartete, insbe­sondere gering­wer­tigere Tätigkeit aufzu­nehmen, wenn er berech­tigte Aussichten hat, in abseh­barer Zeit eine für ihn günstigere Arbeit zu finden. Die Arbeits­platzwahl muss nur vernünf­tigen Überle­gungen gerecht werden. Das ist beispiels­weise der Fall, wenn der Arbeit­nehmer eine Arbeit aufnimmt, die seiner beruf­lichen und allge­meinen Weiter­ent­wicklung förderlich ist, auch wenn er dort bei tarif­ge­rechter Entlohnung und voller Beschäf­tigung weniger verdient als in einer anderen Stelle.

Zugunsten des Arbeit­gebers ist aber zu berück­sich­tigen, dass den Arbeit­nehmer eine  Rücksicht­nah­me­pflicht  gegenüber dem Arbeit­geber trifft. Er soll den finan­zi­ellen Schaden des Arbeit­gebers möglichst gering halten. Der Arbeit­nehmer soll aus dem Annah­me­verzug des Arbeit­gebers keinen Gewinn erzielen.

So werden die Kriterien, wann eine Zwischen­tä­tigkeit zumutbar ist, bei längerer Arbeits­lo­sigkeit eher zugunsten des Arbeit­gebers ausfallen, als kurz nach dem Ende der Kündigungsfrist.

 

Darlegungslast und Beweislast

Der Arbeit­geber muss darlegen und beweisen, ob die Stellen­an­gebote Dritter, die dem Arbeit­nehmer bekannt waren, „zumutbare” Arbeit zum Gegen­stand hatten und in dem Verhalten des Arbeit­nehmers ein „böswil­liges” Unter­lassen gesehen werden kann. (LArbG Berlin‐Brandenburg, Urteil vom 30. September 2022 – 6 Sa 280/22 –)

Der Arbeit­geber selbst hat, wegen des geschützten Sozial­ge­heimnis aus § 35 SGB 1, keinen Anspruch gegen die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter auf Auskunft darüber, welche Vorschläge für neue Tätig­keiten dem Arbeit­nehmer unter­breitet wurden. Daher hat er gegen den Arbeit­nehmer, der Vergütung wegen Annah­me­verzugs fordert, einen Auskunfts­an­spruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unter­brei­teten Vermitt­lungs­vor­schläge. Grundlage des Auskunfts­be­gehrens ist eine Neben­pflicht aus dem Arbeits­ver­hältnis nach § 242 BGB. 

Den Arbeit­nehmer trifft eine sekundäre Darle­gungslast. Der Arbeit­geber kann daher vom Arbeit­nehmer schrift­liche Auskunft über die unter­brei­teten Vermitt­lungs­vor­schläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung verlangen. (BAG, Urteil vom 27. Mai 2020 – 5 AZR 387/19 –)

Nur wenn der Arbeit­geber von diesen Arbeits­be­din­gungen der Vermitt­lungs­vor­schläge Kenntnis hat, ist er in der Lage, Indizien für die Zumut­barkeit der Arbeit und eine mögliche Böswil­ligkeit des Unter­lassens ander­wei­tigen Erwerbs vorzu­tragen. Sodann springt die Beweislast auf den Arbeit­nehmer über. Er muss den vom Arbeit­geber vorge­tra­genen Indizien entge­gen­treten und beweisen, warum die vorge­schla­genen Stellen unzumutbar waren oder warum es nicht zu einem Vertrags­schluss kam. (LArbG Berlin‐Brandenburg, Urteil vom 30. September 2022 – 6 Sa 280/22 –)

 

Wie geht es weiter, wenn die Rechtswidrigkeit der Kündigung festgestellt wird?

Hat der Arbeit­nehmer den Kündi­gungs­schutz­prozess gewon­nenen und ist er vorüber­gehend ein neues Arbeits­ver­hältnis einge­gangen, hat er nach § 12 KSchG die Wahl, ob er bei seiner neuen Arbeits­stelle bleibt oder auf den alten Arbeits­platz zurück­kehrt. Für die Entscheidung hat er nach Rechts­kraft des Urteils eine Woche Zeit. Wenn der Arbeit­nehmer die Fortsetzung des (früheren) Arbeits­ver­hält­nisses verweigern will, muss er dies innerhalb der Frist schriftlich erklären. Mit der Erklärung endet das (frühere) Arbeits­ver­hältnis. Der Arbeit­nehmer hat dann nach den Regeln des Annah­me­ver­zuges nur Anspruch auf entgan­genen Verdienst für die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tag des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis.

Lässt der Arbeit­nehmer, die Wochen­frist aber verstreichen, besteht das frühere Arbeits­ver­hältnis mit allen Rechten und Pflichten fort. Der Arbeit­nehmer kann und muss deshalb jederzeit damit rechnen, dass der Arbeit­geber ihn zur Wieder­auf­nahme der Arbeit auffordert. Kommt der Arbeit­nehmer der Arbeits­auf­for­derung aber ohne jegliche Erklärung nicht nach, indiziert dies seine fehlende Leistungs­be­reit­schaft. Dann endet zum Zeitpunkt des Zugangs der Arbeits­auf­for­derung der Annah­me­verzug des Arbeit­gebers. (BAG, Urteil vom 16. Mai 2012 – 5 AZR 251/11 –)

 

Ende des Annahmeverzuges

Der Annah­me­verzug endet üblicher­weise dann, wenn der Arbeit­geber sich bereit erklärt, die Arbeits­leistung des Arbeit­nehmers wieder anzunehmen oder wenn das Arbeits­ver­hältnis endet. Ein rückwir­kendes Ende des Annah­me­ver­zuges ist nicht  möglich.

 

Klagefrist bei Annahmeverzug des Arbeitgebers

Grund­sätzlich gibt es für den Anspruch auf Annah­me­verzug keine Klage­frist, insbe­sondere nicht nach § 4 KSchG. Aller­dings kann im Arbeits­vertrag geregelt werden, dass bestehende Ansprüche aus dem Arbeits­ver­hältnis innerhalb einer bestimmten Ausschluss­frist geltend gemacht werden müssen.

 

Verjährung bei Annahmeverzug

Für die Verjährung gilt nach § 195 BGB die dreijährige Regel­ver­jäh­rungs­frist. Sie beginnt nach § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch auf Annah­me­ver­zugslohn entstanden ist und der Arbeit­nehmer davon Kenntnis erlangt hat. 

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