Kündigung im Urlaub

Es ist schon ziemlich fies: Man ist im Urlaub und will sich erholen und zu Hause kündigt der Arbeit­geber das Arbeits­ver­hältnis während der Abwesenheit des Arbeit­nehmers. Darf der das? Kurze Antwort: ja. Eine Kündigung ist nicht nur deswegen unwirksam, weil sie dem Arbeit­nehmer zugeht, während er im Urlaub und nicht anwesend ist. Selbst wenn der Arbeit­geber weiß, dass der Arbeit­nehmer urlaubs­be­dingt abwesend ist und die Kündigung exakt so platziert, dass sie während der Abwesenheit zugeht, ist die Kündigung auch im Urlaub grund­sätzlich recht­mäßig zugegangen. Übrigens kann auch ein Arbeit­nehmer seiner­seits aus seinem Urlaub heraus das Arbeits­ver­hältnis kündigen. 

Unabhängig davon, ob eine Kündigung einen zuläs­sigen Kündi­gungs­grund hat und gegebe­nen­falls andere Formalien einge­halten wurden, ist eine Kündigung recht­mäßig, wenn sie ordnungs­gemäß beim Empfänger zugegangen ist und dann innerhalb von 3 Wochen keine Kündi­gungs­schutz­klage einge­reicht wird.

 

Zugang

Eine Kündigung ist eine empfangs­be­dürftige Willens­er­klärung. Das bedeutet, sie wird dann wirksam, wenn sie dem Empfänger, hier dem Arbeit­nehmer, zugeht.

Ob ein Kündi­gungs­schreiben zugegangen ist, hängt davon ab, ob die Willens­er­klärung in verkehrs­üb­licher Weise in die tatsäch­liche Verfü­gungs­gewalt des Empfängers gelangt ist. Der Empfänger der Willens­er­klärung, hier also der Arbeit­nehmer, muss die Möglichkeit haben, unter normalen Umständen von der  Erklärung Kenntnis nehmen zu können. Dann ist es unerheblich, ob die Kündi­gungs­er­klärung tatsächlich zur Kenntnis genommen wird.

Die Arbeits­ge­richte gehen in ständiger Recht­spre­chung davon aus, dass ein Schrift­stück zugegangen ist, wenn es in den Brief­kasten des Empfängers geworfen wird.

(Zur Zustellung durch ein Einwurf­ein­schreiben können Sie hier Näheres lesen.)

Das ist sogar dann der Fall, wenn der Arbeit­geber um die urlaubs­be­dingte Ortsab­we­senheit des Arbeit­nehmers weiß.

(BAG, Urteil vom 22.3.2012, 2 AZR 224/11; BAG, Urteil vom 24.6.2004, 2 AZR 461/03)

Das gleiche gilt übrigens auch dann, wenn der Arbeit­nehmer eine Haftstrafe verbüßt. 

(Landes­ar­beits­ge­richt Schleswig‐Holstein hat am 19.03.2014 – 6 Sa 297/13 -)
 

Frist für die Kündigungsschutzklage

Ist ein Kündi­gungs­schreiben zugegangen, kann der Arbeit­nehmer dagegen Kündi­gungs­schutz­klage einreichen, sofern das Kündi­gungs­schutz­gesetz anwendbar ist. (Näheres zur Anwend­barkeit des Kündi­gungs­schutz­ge­setzes können Sie hier lesen.)

Dafür gibt es aber eine Frist. Nach § 4 KSchG muss eine Kündi­gungs­schutz­klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schrift­lichen Kündigung beim Arbeits­ge­richt einge­gangen sein. Die Klage kann man entweder selbst schreiben – wovon wir nur eindringlich abraten können – oder einen Anwalt beauf­tragen. Eine weitere Option ist es, zur Rechts­an­trags­stelle des Arbeits­ge­richts zu gehen und die Klage dort von den Mitar­beitern zu Protokoll nehmen lassen.

Wenn ein Arbeit­nehmer während seiner urlaubs­be­dingten Abwesenheit die Kündigung zugestellt bekommt, kann es also passieren, dass die dreiwö­chige Kündi­gungs­frist bei seiner Rückkehr bereits abgelaufen ist.

 

Nachträgliche Zulassung

Wenn die Klage­frist abgelaufen ist, wird grund­sätzlich davon ausge­gangen, dass die Kündigung recht­mäßig ist, egal wie viele Fehler gemacht wurden. Aber es gibt mögli­cher­weise noch eine Handlungs­mög­lichkeit. In Ausnah­me­fällen lässt ein Gericht eine verspätete Kündi­gungs­schutz­klage zu.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist eine Kündi­gungs­schutz­klage nur dann nachträglich zuzulassen, wenn dem Arbeit­nehmer nach Lage der Umstände, trotz aller zumut­baren Sorgfalt verhindert war, die Klage recht­zeitig beim Arbeits­ge­richt einzu­legen. Der Arbeit­nehmer muss glaubhaft darlegen und belegen können, warum er unver­schuldet daran gehindert war, die Kündi­gungs­schutz­klage recht­zeitig einzu­legen. Gleich­zeitig muss auch die Kündi­gungs­schutz­klage einge­reicht werden.

Wenn der Arbeit­nehmer nichts­ahnend in den Urlaub gefahren ist und bei seiner Rückkehr erst von der Kündigung tatsächlich Kenntnis erlangt, nehmen Arbeits­ge­richten oft an, dass die Frist­ver­säumnis unver­schuldet ist. 

(So beispiels­weise Sächsi­sches Landes­ar­beits­ge­richt, Beschluss vom 11. Mai 2015 – 4 Ta 19/15 (6); LAG Berlin, Beschluss vom 23. 8. 2001 – 7 Ta 1587/01)

Den Arbeit­nehmer trifft bei normaler Urlaubs­ab­we­senheit keine Verpflichtung, für die Nachsendung von in der Urlaubszeit einge­wor­fenen Schreiben zu sorgen.

Wer eine ständige Wohnung hat und diese nur vorüber­gehend – z.B. wie hier während einer Urlaubs­reise – nicht benutzt, braucht für die Zeit seiner Abwesenheit keine beson­deren Vorkeh­rungen hinsichtlich möglicher Zustel­lungen zu treffen.

„Landes­ar­beits­ge­richt Nürnberg, Beschluss vom 23. August 2005 – 6 Ta 136/05 –

Jeden­falls dann, wenn die Abwesenheit nicht länger als 6 Wochen ist.

Teilweise wird sogar vertreten, dass ein Versäumen der Frist unver­schuldet sein kann, wenn der Arbeit­geber die Kündigung bereits in Aussicht gestellt hat und dies vor dem Arbeits­ge­richt nachweisen kann. Dies dürfte aber stark vom Einzelfall abhängen. 

Das Frist­ver­säumnis kann aber verschuldet sein, wenn der Arbeit­nehmer sich sehr lange – länger als 6 Wochen – nicht an seiner Wohnan­schrift, beispiels­weise im Ausland aufhält. Dann muss der Arbeit­nehmer durch geeignete Maßnahmen sicher­stellen, dass er zeitnah von einem Kündi­gungs­schreiben Kenntnis erlangen kann. Trägt er dafür nicht Sorge, würde eine nachträg­liche Zulassung der Kündi­gungs­schutz­klage nach Recht­spre­chung des Bundes­ge­richts­hofes abgelehnt werden.

(BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 2 AZR 493/17)

Zur Frage des Verschuldens ist auch darauf abzustellen, ob die Drei‐Wochen‐Frist bereits abgelaufen ist, wenn der Arbeit­nehmer aus seinem Urlaub zurück­kommt oder ob er noch einige Tage Zeit hat, die Klage einzureichen.

 

Drei‐Wochen‐Frist abgelaufen

Ist die Drei‐Wochen‐Frist bereits abgelaufen, muss der Arbeit­nehmer umgehend, so schnell wie möglich, aller­spä­testens innerhalb von zwei Wochen, einen Antrag auf nachträg­liche Zulassung und die Kündi­gungs­schutz­klage einreichen. Dazu muss dann dargelegt werden, warum die Kündi­gungs­schutz­klage nicht recht­zeitig eingelegt werden konnte und warum das unver­schuldet war. Der Arbeit­nehmer muss dazu vortragen, in welchem Zeitraum er sich im Urlaub befand, wann er zurück­kehrte und wann er das Kündi­gungs­schreiben vorge­funden hat.

Die Zweiwo­chen­frist beginnt zu laufen, wenn das Hindernis, welches die Einrei­chung der Klage bewirkt, behoben ist. Das Hindernis ist dann behoben, wenn der Antrag­steller weiß oder jeden­falls wissen muss, dass die Klage nicht recht­zeitig erhoben worden ist, also die Klage­frist verpasst wurde. Also dann, wenn der Arbeit­nehmer aus dem Urlaub zurück­kehrt und seinen Brief­kasten leert.

 

Drei‐Wochen‐Frist läuft noch

Ist die Drei‐Wochen‐Frist noch nicht abgelaufen, sollte man schnell handeln. Es muss so schnell wie möglich die Kündi­gungs­schutzlage einge­reicht werden. Aller­dings räumen viele Arbeits­ge­richte dem Arbeit­nehmer einige Tage Bedenkzeit ein, ob er Kündi­gungs­schutz­klage erheben möchte. Wenn er dadurch die Drei‐Wochen‐Frist verpassen sollte, lassen viele Gerichte in dieser Fallkon­stel­lation die Kündi­gungs­schutz­klage noch nachträglich zu.

Wie viel Bedenkzeit sie dabei einräumen ist sehr unter­schiedlich. So hat das Landes­ar­beits­ge­richt München beispiels­weise 3 Tage Bedenkzeit zugestanden. 

(LAG München, Beschluss vom 23.01.1992, Az. – 4 Ta 16/92)

Das Sächsische Landes­ar­beits­ge­richt hat jeden­falls eine Überle­gungs­frist von einem Tag als zu kurz eingestuft. 

(Sächsi­sches Landes­ar­beits­ge­richt, Beschluss vom 11. Mai 2015 – 4 Ta 19/15 (6))

Absolut darauf verlassen, dass ein Gericht diese Bedenkzeit einräumt, sollte man sich aber nicht, sondern lieber alles versuchen, die Drei‐Wochen‐Frist einzuhalten.

 

Praxistipp

Die Drei‐Wochen‐Frist zum Einlegen der Kündi­gungs­schutz­klage sollte man immer im Hinterkopf behalten. Insofern ist es ratsam, sofern man längere Zeit in den Urlaub fährt und mögli­cher­weise mit einer Kündigung rechnet, eine Vertrau­ens­person zu beauf­tragen, jede Woche regel­mäßig den Brief­kasten zu leeren, gegebe­nen­falls Post vom Arbeit­geber zu öffnen und sich dann umgehend benach­rich­tigen zu lassen. Insbe­sondere dann, wenn man argwöhnt, dass der Chef einem vielleicht kündigen will. Erlangt man tatsächlich Kenntnis davon, dass einem eine Kündigung zugestellt wurde, ist es ratsam, sich nicht darauf verlassen, dass ein Versäumen der Drei‐Wochen‐Frist von den Arbeits­ge­richten als unver­schuldet angesehen wird. Vielmehr wäre es sinnvoll, fernmündlich oder per E‑Mail einen Rechts­anwalt mit der Einlegung einer Kündi­gungs­schutz­klage zu beauf­tragen, sofern dies im Rahmen der techni­schen Möglich­keiten liegt. Andern­falls sollte man sicher­heits­halber nachweisen können, warum es nicht möglich war, jemanden mit dem Einlegen einer Kündi­gungs­schutz­klage zu beauftragen.

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