Arbeiten trotz Krankschreibung

Viele Beschäf­tigte gehen trotz Krankheit in den Betrieb oder das Büro, um zu arbeiten, selbst, wenn sie eigentlich krank­ge­schrieben sind. Der Fachaus­druck für Arbeiten trotz Krank­schreibung lautet Präsen­tismus. Dies ist rechtlich grund­sätzlich möglich. Eine Krank­schreibung ist kein Arbeitsverbot.

Ob Arbeiten trotz Krank­schreibung medizi­nisch sinnvoll ist, ist natürlich eine andere Frage. Schließlich könnten sich durch Medika­mente unter­drückte Symptome sich verschlimmern oder Virus­er­kran­kungen könnten Organe angreifen. Und auch rechtlich sind ein paar Punkte zu beachten.

 

Mitteilung an den Arbeitgeber und Nachweispflicht

Ist ein Arbeit­nehmer krank­heits­be­dingt nicht in der Lage, zu arbeiten, muss er dies dem Arbeit­geber unver­züglich mitteilen (§ 5 Entgelt­fort­zah­lungs­gesetz). Häufig wird zur Mittei­lungs­pflicht von krank­heits­be­dingtem Arbeits­ausfall auch noch eine Regelung in den Arbeits­ver­trägen getroffen. Es gelten hier keine Formvor­schriften. Die Krank­meldung kann mündlich, schriftlich, per Mail oder jedes andere Kommu­ni­ka­ti­ons­mittel erstattet werden. Die Arbeits­un­fä­higkeit muss nicht persönlich mitge­teilt werden. Es kann auch eine dritte Person beauf­tragt werden, die Krank­meldung mitzuteilen.

Sollte die Krankheit länger als drei Kalen­dertage andauern, musste bislang dem Arbeit­geber spätesten am Tag danach, also am 4. Krank­heitstag, eine ärztliche Beschei­nigung über die Arbeits­un­fä­higkeit und deren voraus­sicht­liche Dauer, die sogenannte Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung vorgelegt werden. Der Arbeit­nehmer genügte damit seiner Nachweispflicht.

Hier hat sich die Rechtslage teilweise geändert. Ist der Arbeit­nehmer gesetzlich kranken­ver­si­chert, muss er sich nicht mehr selbst um den Nachweis der Arbeits­un­fä­higkeit kümmern. Arbeit­nehmer sind nach wie vor dazu verpflichtet, ihre Arbeits­un­fä­higkeit durch einen Arzt feststellen und sie sich in Papierform aushän­digen zu lassen. Die Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung wird dann aber vom Arzt direkt elektro­nisch an die Kranken­kasse übermittelt. Der Arbeit­geber muss diese Daten dann bei der Kranken­kasse abrufen.

Der Arbeit­geber kann nach wie vor die Feststellung der Arbeits­un­fä­higkeit früher als am 4. Tag verlangen, wenn dies vertraglich vereinbart ist. Bestehende Verträge müssten entspre­chend geändert werden.

An der Mittei­lungs­pflicht des Arbeit­nehmers ändert sich aber nichts.

 

Krankschreibung per Telefon oder Videosprechstunde

Seit Januar 2024 ist auch eine telefo­nische Krank­schreibung möglich. Voraus­set­zungen dafür sind:

  • nur leichte Erkrankung
  • Patient und Hausarzt sind einander bereits bekannt
  • eine Video­sprech­stunde steht nicht zur Verfügung

Dann ist eine Krank­schreibung bis zu fünf Tagen möglich.

Auch eine Krank­schreibung per Video­sprech­stunde ist in einem Umfang von 7 Tagen möglich, bzw. drei Tagen, wenn Patient und Hausarzt nicht bereits persönlich bekannt sind.

 

Was muss ich meinem Arbeitgeber alles mitteilen?

Beschäf­tigte dürfen dem Arbeit­geber nicht verschweigen, wenn sie krank sind. Vielmehr müssen sie ihn unver­züglich davon in Kenntnis setzen, dass sie krank­heits­be­dingt arbeits­un­fähig bzw. krank­ge­schrieben sind. Arbeit­nehmer müssen aber nicht über die genaue Art oder den Grund der Krankheit Auskunft geben. Ausnahmen gelten nur dann, wenn es sich um eine sehr anste­ckende Krankheit handelt und der Arbeit­geber deswegen Maßnahmen treffen müsste, um z.B. Mitar­beiter oder Kunden vor Anste­ckung zu schützen. Eine wichtige Mitteilung wäre auch, ob ein Dritter die Arbeits­un­fä­higkeit verur­sacht hat, da daraus mögli­cher­weise Schadens­er­satz­an­sprüche des Arbeit­gebers gegen den Dritten entstanden sind.

Unter­lässt der Arbeit­nehmer pflicht­widrig die Mitteilung über seinen krank­heits­be­dingten Arbeits­ausfall, so drohen ihm zwar keine direkten gesetz­lichen Sanktionen. Es könnten aber Schadens­er­satz­an­sprüche des Arbeit­gebers entstehen. Dies könnte z.B. der Fall sein,  wenn der Arbeit­geber wegen der Unkenntnis über die Arbeits­un­fä­higkeit des Beschäf­tigten nicht schnell genug für Ersatz sorgen kann und darüber einen Auftrag verliert. Im Extremfall könnte die Unter­lassene Krank­meldung sogar zu einer verhal­tens­be­dingten Kündigung führen.

(Mehr zum Beweiswert der Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung können Sie hier finden.)

 

Arbeitsunfähigkeit

Die Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung gibt Auskunft darüber, dass der Arbeit­nehmer objektiv aufgrund einer Krankheit nicht mehr in der Lage ist, die ihm nach dem Arbeits­vertrag oblie­gende Arbeit zu verrichten oder Gefahr läuft, seinen gesund­heit­lichen Zustand durch die Arbeit in abseh­barer Zeit zu verschlimmern.

Sie trifft eine ärztliche Einschätzung des gesund­heit­lichen Zustandes des Beschäf­tigten und stellt Prognose, wie lange der Zustand der Krankheit andauern wird. Die Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung löst kein Arbeits­verbot aus. Es ist erlaubt, trotz Krank­schreibung zu arbeiten.

 

Rückkehr zur Arbeit trotz Krankschreibung

Grund­sätzlich darf sich der Arbeit­nehmer für die gesamte Zeit der Krank­schreibung der Arbeit fernbleiben und sich ausku­rieren. Der Arbeit­geber darf vom krank­ge­schrie­benen Arbeit­nehmer nicht verlangen, dennoch zur Arbeit zu erscheinen. Für die Dauer der beschei­nigten Arbeits­un­fä­higkeit ist der Arbeit­nehmer von seiner vertrag­lichen Arbeits­pflicht befreit und soll sich erholen können. Das gilt auch für den Einsatz im Home‐Office und für die telefo­nische oder elektro­nische Erreich­barkeit. Wenn der Arbeit­geber dennoch verlangt, dass der Arbeit­nehmer am Arbeits­platz erscheint und ihn einsetzt, verstößt er damit gegen seine Fürsor­ge­pflicht und macht sich schadensersatzpflichtig.

Natürlich kann der Krank­heits­verlauf aber auch günstiger sein als erwartet. Dann muss der Arbeit­nehmer nicht abwarten, bis die angegebene Zeit der Krank­schreibung abgelaufen ist. Er darf selbst entscheiden, ob er vorzeitig in der Lage ist wieder zu arbeiten. Eine „Gesund­schreibung“ gibt es nicht. Wenn der Beschäf­tigte sich wieder gesund fühlt, kann er einfach wieder zur Arbeit kommen.

Der Arbeit­nehmer ist aller­dings auch verpflichtet, seine Arbeits­fä­higkeit zu erhalten und im Krank­heits­falle alles Notwendige für seine Gesundung zu tun. Er darf daher durch eine verfrühte Arbeits­auf­nahme seine Genesung nicht gefährden oder gar verschlimmern.

Auf der anderen Seite trifft den Arbeit­geber auch eine Fürsor­ge­pflicht gegenüber dem kranken Arbeit­nehmer und den anderen Beschäf­tigten. So darf bzw. muss er den Arbeit­nehmer aber auch wieder nach Hause schicken, wenn er den Eindruck hat, dieser sei noch nicht arbeits­fähig. Denn setzt ein Arbeit­geber krank­heits­be­dingt arbeits­un­fähige Beschäf­tigte ein, könnte sich deren Gesund­heits­zu­stand verschlechtern oder andere Beschäf­tigte angesteckt werden. Dadurch könnte der Arbeit­geber gegen seine Fürsor­ge­pflicht verstoßen und sich womöglich schadens­er­satz­pflichtig machen. Im Extremfall, wenn besondere Umstände vorliegen, könnte der Arbeit­geber daher sogar den Betriebsarzt einschalten und eine ärztliche Bestä­tigung der Arbeits­fä­higkeit verlangen, wenn Zweifel und Streit über die Gesundung des Arbeit­nehmers bestehen. Im Regelfall genügt dem Arbeit­geber aber seine Einschätzung und die Erklärung des Arbeit­nehmers, dass er wieder arbeits­fähig sei. 

 

Versicherungsschutz

Kommt ein Arbeit­nehmer trotz Krank­schreibung zur Arbeit, ist er dennoch versi­chert. So greift gemäß § 8 Abs. 2 SGB VII die gesetz­liche Unfall­ver­si­cherung bei Unfällen während der Arbeits­tä­tigkeit. Auch die Kranken­ver­si­cherung besteht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V fort. Dies wird durch eine Krank­schreibung nicht beein­trächtigt. Auch Wegeun­fälle bei kurzzei­tiger Arbeits­auf­nahme, wenn der krank­ge­schriebene Beschäf­tigte z.B. nur kurz für ein Meeting in den Betrieb kommt sind versichert.

 

Krankengeld

Nach dem Entgelt­fort­zah­lungs­gesetz erhält der Arbeit­nehmer, wenn er krank­heits­be­dingt nicht arbeiten kann die ersten sechs Wochen weiterhin sein volles Arbeits­entgelt vom Arbeit­geber. Danach übernimmt die Kranken­kasse die Zahlungen. Zu Beginn eines Monats wird dann als Ersatz zum Gehalt das Krankengeld für die Zeit der attes­tierten Arbeits­un­fä­higkeit gezahlt. Das bedeutet aber auch: Wenn der Beschäf­tigte vorzeitig vor Ablauf der Krank­schreibung wieder zur Arbeit kommt und der Arbeit­geber dies der Kranken­kasse meldet, erlischt der Anspruch auf Krankengeld und vorab erhal­tenen Krankengeld muss an die Kranken­kasse zurück­ge­zahlt werden. Wird nur stunden­weise gearbeitet, verringert sich das Krankengeld um den entspre­chenden Anteil.

 

Nebenjob während Krankschreibung

Ob während einer Krank­schreibung gearbeitet werden darf, hängt von der Art der Krankheit und der Art des Nebenjobs ab. Allgemein darf ein krank­ge­schrie­bener Arbeit­nehmer nichts unter­nehmen, was seinen Krank­heits­zu­stand aufrecht­erhält oder verschlechtert. Übt ein Arbeit­nehmer z.B. eine körperlich beanspru­chende Tätigkeit aus und ist dafür krank­ge­schrieben, kann er im Nebenjob womöglich leichte Büroarbeit verrichten, sofern dies seiner Genesung nicht schadet. Dann wäre die Ausübung des Nebenjobs denkbar. Andere körper­liche Arbeiten würden hingegen die Gefahr einer Verschlim­merung des Gesund­heits­zu­standes beinhalten. Solche Nebenjobs sollten dann während einer Krank­schreibung nicht ausge­führt werden, denn dies könnte einen verhal­tens­be­dingten Kündi­gungs­grund rechtfertigen.

Fazit:

Arbeiten trotz Krank­schreibung ist nicht verboten und hat keine direkten recht­lichen Nachteile. Mittei­lungs­pflichten des Arbeit­nehmers und Fürsor­ge­pflichten des Arbeit­gebers sollten aber beachtet werden.

Eine Kündigung muss man nicht kampflos hinnehmen!
Rechts­anwaltJan Böhm

Gegen eine Kündigung kann man sich in vielen Fällen wehren!

Eine entspre­chende Kündi­gungs­schutz­klage muss aber innerhalb von drei Wochen beim Arbeits­ge­richt eingehen. Eine Frist­ver­län­gerung ist nur in ganz seltenen Fällen möglich.

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