Personalvertretung muss sich nicht auf Webinar vertrösten lassen

Personalvertretung muss sich nicht auf Webinar vertrösten lassen

4. März 2024 Betriebsratskosten 0

Betriebsräte haben nach dem Betriebs­ver­fas­sungs­gesetz (BetrVG) Anspruch auf für die Betriebs­rats­arbeit erfor­der­liche Schulungen. Deren Kosten hat der Arbeit­geber zu tragen. Davon können Übernachtungs‐ und Verpfle­gungs­kosten für ein auswär­tiges Präsenz­se­minar auch dann erfasst sein, wenn derselbe Schulungs­träger ein inhalts­gleiches Webinar anbietet.

So hat das Bundes­ar­beits­ge­richt entschieden und in einer kurzen Presse­mit­teilung veröffentlicht.

Bundes­ar­beits­ge­richt, Beschluss vom 7. Februar 2024 – 7 ABR 8/23 –
 

Grundsätzliches

 

Schulungsmaßnahmen für Betriebsratsmitglieder

Der Arbeit­geber ist nach dem Betriebs­ver­fas­sungs­gesetz dazu verpflichtet, die Betriebs­rats­mit­glieder für ihre Tätigkeit für den Betriebsrat zeitlich freizu­stellen und das Entgelt fortzu­zahlen. Der Arbeit­geber muss auch für die Kosten des Betriebs­rates nach § 40 Abs. 1 BetrVG aufkommen.

§ 40 Abs. 1 BetrVG
(1) Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber.

Dazu gehören auch Schulungskosten.

Der Betriebsrat darf die Schulungs­maß­nahmen primär nach dem Gesichts­punkt aussuchen, dass die Lernin­halte gut passen und möglichst gut vermittelt werden. Er hat diesbe­züglich einen Beurteilungsspielraum.

Der Betriebsrat muss sich nicht zwangs­läufig immer für die kosten­güns­tigste Schulung entscheiden, muss aber bei der Auswahl der Schulungen auch auf betrieb­liche Notwen­dig­keiten Rücksicht nehmen, etwa bei der zeitlichen Lage oder auch den Kosten.

§ 37 Abs. 6 Satz 3 BetrVG
Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen.
 

Zum Fall:

Die Perso­nal­ver­tretung einer Luftver­kehrs­ge­sell­schaft hatte zwei ihrer Mitglieder zu einer mehrtä­gigen betriebs­ver­fas­sungs­recht­lichen Grund­la­gen­schulung Ende August 2021 in Potsdam entsandt. Durch Tarif­vertrag war geregelt, dass für die Perso­nal­ver­tretung das Betriebs­ver­fas­sungs­gesetz (BetrVG) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung gelte.

Ursprünglich hatte die Perso­nal­ver­tretung zur Schulung ihrer beiden Ersatz­mit­glieder ein Seminar in Binz auf Rügen ausge­sucht. Dieses hatte die Arbeit­ge­berin aber aus Kosten­gründen abgelehnt. Daraufhin hatte die Perso­nal­ver­tretung eine Schulung in Potsdam ausge­sucht, die geschätzt 500,- € günstiger war. 

Die Arbeit­ge­berin verlangte nun aber, dass die Mitglieder der Perso­nal­ver­tretung anstatt der Präsens­ver­an­staltung in Potsdam aus Kosten­gründen an einem zeitgleich und inhalts­gleich angeboten mehrtä­gigen Webinar desselben Schulungs­an­bieters teilge­nommen werden solle.

Die Perso­nal­ver­tretung teilte daraufhin mit, sie habe sich für das Seminar in Potsdam entschieden. Auch die Reise­kosten würden entfallen, da die Perso­nal­ver­tre­tungs­mit­glieder auf nicht gebuchten Plätzen von Kunden anreisen könnten. Die ausge­suchten Mitglieder der Perso­nal­ver­tretung nahmen an dem Seminar in Potsdam teil.

Die Arbeit­ge­berin war, nach anfäng­lichem Wider­stand bereit, die Seminar­gebühr zu bezahlen, verwei­gerte aber die Übernahme der Übernachtungs‐ und Verpfle­gungs­kosten dieses Seminars.

Die Perso­nal­ver­tretung machte daher geltend, dass die Arbeit­ge­berin auch die Übernachtungs‐ und Verpfle­gungs­kosten zu tragen habe. Die Perso­nal­ver­tretung war der Ansicht, dass sie sich wegen der gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG notwen­digen Schulungen ihrer Mitglieder nicht auf ein Webinar verweisen lassen müsse sondern das freie Wahlrecht habe. Die Erfah­rungen der Mitglieder der Perso­nal­ver­tretung hätten gezeigt, dass die in den Webinaren vermit­telten Inhalte aufgrund der völlig anderen Schulungs­si­tuation nicht so intensiv behandelt werden könnten und letztlich der Lernerfolg nicht so gut sei, wie in Präsenzveranstaltungen.

Auch ein Austausch zwischen den Teilnehmern und den Referenten sei bei einem Webinar erschwert. Das Webinar sei auch einige Stunden kürzer, so dass keine quali­tative Gleich­wer­tigkeit der Veran­stal­tungen vorliege.

Die Arbeit­ge­berin hielt dem entgegen, die Perso­nal­ver­tre­tungs­mit­glieder hätten aus Kosten­gründen, insbe­sondere aufgrund der coronabe­dingten Krisen­si­tuation, am günsti­geren Webinar teilnehmen müssen. Dieses sei nur wegen der entfal­lenden Kaffee­pausen zeitlich kürzer. Die Schulungs­in­halte seien identisch.

Der Lernerfolg sei bei einem Webinar sogar höher, weil sich die Teilnehmer eher trauten, online Fragen zu stellen. Die besseren Möglich­keiten der Kontakt­pflege dienten nicht dem primären Zweck der Schulung und müssten entspre­chend außer Betracht bleiben.

 

Verfahrensgang

Die Vorin­stanzen verpflich­teten die Arbeit­ge­berin, die Übernachtungs‐ und Verpfle­gungs­kosten zu zahlen.

- ArbG Düsseldorf, Beschluss vom 17. November 2021 – 10 BV 126/21 –,  Landes­ar­beits­ge­richt Düsseldorf, Beschluss vom 24. November 2022 – 8 TaBV 59/21 –

 

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die hiergegen gerichtete Rechts­be­schwerde der Arbeit­ge­berin hatte auch vor dem Siebten Senat des Bundes­ar­beits­ge­richts keinen Erfolg. Ebenso wie ein Betriebsrat habe die Perso­nal­ver­tretung bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsendet, einen gewissen Spielraum. Dieser umfasse grund­sätzlich auch das Schulungs­format. Dem stehe auch nicht von vornherein entgegen, dass bei einem Präsenz­se­minar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung der Schulungs­teil­nehmer regel­mäßig höhere Kosten anfallen als bei einem Webinar.

Bundes­ar­beits­ge­richt, Beschluss vom 7. Februar 2024 – 7 ABR 8/23 –

 

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