Personalvertretung muss sich nicht auf Webinar vertrösten lassen
Betriebsräte haben nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Anspruch auf für die Betriebsratsarbeit erforderliche Schulungen. Deren Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen. Davon können Übernachtungs‐ und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar auch dann erfasst sein, wenn derselbe Schulungsträger ein inhaltsgleiches Webinar anbietet.
So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden und in einer kurzen Pressemitteilung veröffentlicht.
Grundsätzliches
Schulungsmaßnahmen für Betriebsratsmitglieder
Der Arbeitgeber ist nach dem Betriebsverfassungsgesetz dazu verpflichtet, die Betriebsratsmitglieder für ihre Tätigkeit für den Betriebsrat zeitlich freizustellen und das Entgelt fortzuzahlen. Der Arbeitgeber muss auch für die Kosten des Betriebsrates nach § 40 Abs. 1 BetrVG aufkommen.
§ 40 Abs. 1 BetrVG (1) Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber.
Dazu gehören auch Schulungskosten.
Der Betriebsrat darf die Schulungsmaßnahmen primär nach dem Gesichtspunkt aussuchen, dass die Lerninhalte gut passen und möglichst gut vermittelt werden. Er hat diesbezüglich einen Beurteilungsspielraum.
Der Betriebsrat muss sich nicht zwangsläufig immer für die kostengünstigste Schulung entscheiden, muss aber bei der Auswahl der Schulungen auch auf betriebliche Notwendigkeiten Rücksicht nehmen, etwa bei der zeitlichen Lage oder auch den Kosten.
§ 37 Abs. 6 Satz 3 BetrVG Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen.
Zum Fall:
Die Personalvertretung einer Luftverkehrsgesellschaft hatte zwei ihrer Mitglieder zu einer mehrtägigen betriebsverfassungsrechtlichen Grundlagenschulung Ende August 2021 in Potsdam entsandt. Durch Tarifvertrag war geregelt, dass für die Personalvertretung das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung gelte.
Ursprünglich hatte die Personalvertretung zur Schulung ihrer beiden Ersatzmitglieder ein Seminar in Binz auf Rügen ausgesucht. Dieses hatte die Arbeitgeberin aber aus Kostengründen abgelehnt. Daraufhin hatte die Personalvertretung eine Schulung in Potsdam ausgesucht, die geschätzt 500,- € günstiger war.
Die Arbeitgeberin verlangte nun aber, dass die Mitglieder der Personalvertretung anstatt der Präsensveranstaltung in Potsdam aus Kostengründen an einem zeitgleich und inhaltsgleich angeboten mehrtägigen Webinar desselben Schulungsanbieters teilgenommen werden solle.
Die Personalvertretung teilte daraufhin mit, sie habe sich für das Seminar in Potsdam entschieden. Auch die Reisekosten würden entfallen, da die Personalvertretungsmitglieder auf nicht gebuchten Plätzen von Kunden anreisen könnten. Die ausgesuchten Mitglieder der Personalvertretung nahmen an dem Seminar in Potsdam teil.
Die Arbeitgeberin war, nach anfänglichem Widerstand bereit, die Seminargebühr zu bezahlen, verweigerte aber die Übernahme der Übernachtungs‐ und Verpflegungskosten dieses Seminars.
Die Personalvertretung machte daher geltend, dass die Arbeitgeberin auch die Übernachtungs‐ und Verpflegungskosten zu tragen habe. Die Personalvertretung war der Ansicht, dass sie sich wegen der gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG notwendigen Schulungen ihrer Mitglieder nicht auf ein Webinar verweisen lassen müsse sondern das freie Wahlrecht habe. Die Erfahrungen der Mitglieder der Personalvertretung hätten gezeigt, dass die in den Webinaren vermittelten Inhalte aufgrund der völlig anderen Schulungssituation nicht so intensiv behandelt werden könnten und letztlich der Lernerfolg nicht so gut sei, wie in Präsenzveranstaltungen.
Auch ein Austausch zwischen den Teilnehmern und den Referenten sei bei einem Webinar erschwert. Das Webinar sei auch einige Stunden kürzer, so dass keine qualitative Gleichwertigkeit der Veranstaltungen vorliege.
Die Arbeitgeberin hielt dem entgegen, die Personalvertretungsmitglieder hätten aus Kostengründen, insbesondere aufgrund der coronabedingten Krisensituation, am günstigeren Webinar teilnehmen müssen. Dieses sei nur wegen der entfallenden Kaffeepausen zeitlich kürzer. Die Schulungsinhalte seien identisch.
Der Lernerfolg sei bei einem Webinar sogar höher, weil sich die Teilnehmer eher trauten, online Fragen zu stellen. Die besseren Möglichkeiten der Kontaktpflege dienten nicht dem primären Zweck der Schulung und müssten entsprechend außer Betracht bleiben.
Verfahrensgang
Die Vorinstanzen verpflichteten die Arbeitgeberin, die Übernachtungs‐ und Verpflegungskosten zu zahlen.
- ArbG Düsseldorf, Beschluss vom 17. November 2021 – 10 BV 126/21 –, Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 24. November 2022 – 8 TaBV 59/21 –
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte auch vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Ebenso wie ein Betriebsrat habe die Personalvertretung bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsendet, einen gewissen Spielraum. Dieser umfasse grundsätzlich auch das Schulungsformat. Dem stehe auch nicht von vornherein entgegen, dass bei einem Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung der Schulungsteilnehmer regelmäßig höhere Kosten anfallen als bei einem Webinar.