Zu Kündigungen im Rahmen der Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof
Nach dem Insolvenzantrag vom 9. Januar 2024 steht das Insolvenzverfahren von Galeria Karstadt Kaufhof inzwischen nach der Zustimmung der Gläubigerversammlung zu dem Sanierungsplan zwar formell vor dem Abschluss. Dennoch werden auch im Rahmen der Sanierung deutschlandweit – nach derzeitigem Kenntnisstand – wohl nur neun Filialen schließen. Zunächst war von 16 Filialen die Rede. In Berlin sollen die Warenhäuser in der Frankfurter Allee in Lichtenberg und im Tempelhofer Damm in Tempelhof geschlossen werden. Die Gefahr für viele Beschäftigte, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, besteht also weiterhin.
table of contents
- Geplante Galeria Karstadt Kaufhof Schließungen in Berlin
- Interessensausgleich Nachteilsausgleich und Sozialplan
- Insolvenzgeld
- Aufhebungsvertrag
- Insolvenz selbst kein Kündigungsgrund
- Kündigungsfrist drei Monate
- Sonderkündigungsschutz beachten
- Betriebsbedingte Kündigung
- Frist für die Kündigungsschutzklage
Welche Fililalen von Galeria Karstadt Kaufhof sind in Berlin von der Schließung betroffen?
Geplante Galeria Karstadt Kaufhof Schließungen in Berlin
In Berlin sollen zum 31. August 2024 folgende Galeria Karstadt Kaufhof Filialen schließen:
- Galeria Berlin Ringcenter (Frankfurter Allee 115–117) und
- Galeria Berlin Tempelhof (Tempelhofer Damm 191)
Die zunächst auf der Streichliste gestandene Galeria Filiale in Berlin‐Spandau bleibt jetzt doch bestehen. Auch die Galeria in Potsdam konnte kurzfristig noch gerettet werden, wie am 12.06.2024 bekannt wurde. Deutschlandweit sollen jetzt nur noch neun Filialen geschlossen werden.
Grundsätzlich sind im Rahmen einer Insolvenz sind einige Besonderheiten zu beachten.
Interessensausgleich Nachteilsausgleich und Sozialplan
Bevor betriebsbedingte Kündigungen in Betracht kommen, muss der Arbeitgeber bei einer Betriebsänderung mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan und Interessensausgleich verhandeln. Beides wird meistens zugleich verhandelt.
Interessensausgleich
Im Interessensausgleich wird zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat festgelegt, welche Änderungen der Arbeitgeber im Rahmen einer Betriebsänderung anstrebt. Es geht also um einen Plan, was sich durch welche Maßnahmen wann im Betrieb ändern wird. Das kann beispielsweise den Zeitpunkt für Kündigungen betreffen, die grundsätzliche Anzahl der Arbeitnehmer, die entlassen werden sollen oder wirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen.
Wie die Folgen der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer gemildert werden sollen, ist dagegen nicht Bestandteil eines Interessensausgleichs, sondern wird vielmehr im Sozialplan vereinbart.
Nachteilsausgleich
Insofern ergeben sich aus dem Interessensausgleich zunächst keine Ansprüche für die Arbeitnehmer. Weicht der Arbeitgeber jedoch von den Vereinbarungen des Interessensausgleichs ohne zwingenden Grund ab oder versucht der Arbeitgeber nicht einmal mit dem Betriebsrat einen Interessensausgleich zu erzielen, können die betroffenen Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht gemäß § 113 BetrVG einen Nachteilsausgleich in Form einer Abfindung einklagen. Die Höhe dieser Abfindung legt dann das Arbeitsgericht fest und kann bis zu zwölf Monatsverdiensten betragen. Bei Beschäftigten, die mindestens 55 Jahre alt sind und deren Arbeitsverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden hat kann die Abfindung auch bis zu achtzehn Monatsverdienste betragen.
Sozialplan
Im Sozialplan soll berücksichtigt werden, wie die wirtschaftlichen Nachteile der Betriebsschließungen für die Beschäftigten ausgeglichen oder zumindest gemildert werden können. Übliche Mittel sind dabei die Zahlung von Abfindungen, Freistellungsregelungen, finanzielle Zuschüsse oder ein Wechsel von Arbeitnehmern in eine Transfergesellschaft.
Über einen Sozialplan zu verhandeln ist ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Das hat zur Folge, dass der Betriebsrat eine Einigung über einen Sozialplan mit Hilfe der Einigungsstelle sogar erzwingen kann.
Was im Sozialplan geregelt wird, ist verbindlich und gibt den Arbeitnehmern einklagbare Ansprüche. Der Sozialplan und die im ihm erzielten Einigungen müssen schriftlich festgehalten werden. Die Verbindlichkeiten aus einem solchen Sozialplan sind Masseverbindlichkeiten. Sozialplanforderungen können aber leider gemäß § 123 Abs. 2 InsO (Insolvenzordnung) anteilig gekürzt werden, wenn kein Insolvenzplan zustande kommt, die Geldmittel nicht zur Befriedigung aller Forderungen ausreichen und der Gesamtbetrag aller Sozialplanforderungen eine bestimmte Grenze übersteigt. Wenn die Insolvenzmasse nicht ausreicht wird eine sogenannte Insolvenzquote gebildet. Dann bekommt jeder Gläubiger nur einen Prozentsatz seiner Forderung im Verhältnis seiner Forderungen zur verbliebenen Insolvenzmasse.
In die Insolvenzmasse kann übrigens nicht zwangsvollstreckt werden ( §123 Abs. 3 S. 2 InsO).
Insolvenzgeld
Insolvenzgeld ist eine Ersatzleistung in Höhe des Nettoarbeitsentgeltes durch die Agentur für Arbeit für Beschäftigte und auch Praktikanten, Studierende oder sogar sogenannte Dritte, die wegen einer Insolvenz ihres Arbeitgebers ihr Entgelt, bzw. ein Teil des Entgeltes nicht bekommen haben. Dritte können beispielsweise Unterhaltsberechtigte sein.
Gemäß § 165 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Ein solches Insolvenzereignis ist beispielsweise die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers. Insolvenzgeld wird rückwirkend gezahlt.
Damit wird die Gefahr von Lohnausfällen zumindest etwas gemindert. Offene Entgeltforderungen, die über den Zeitraum des Insolvenzgeldes hinausgehen, müssen aber als Masseforderungen beim Insolvenzverwalter angemeldet werden. Nicht ausgezahlte Abfindungen aus einem Aufhebungsvertrag werden übrigens nicht über Insolvenzgeld ausgeglichen.
Aufhebungsvertrag
Möglicherweise bietet der Arbeitgeber oder Insolvenzverwalter auch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages an. Durch einen Aufhebungsvertrag einigen sich die Arbeitsvertragsparteien einvernehmlich, dass der Arbeitnehmer freiwillig auf den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses verzichtet. Der Aufhebungsvertrag unterliegt nicht den schützenden Regelungen des Kündigungsschutzrecht. Ist er einmal abgeschlossen, kann er nur in wenigen Ausnahmefällen rückgängig gemacht werden. (Mehr dazu können Sie hier lesen). Oft bekommen Arbeitnehmer dafür zum Ausgleich eine Abfindung. Ob diese gezahlt wird und wie hoch diese ist, hängt von der Verhandlung mit dem Arbeitgeber. (Mehr grundsätzliche Informationen zum Aufhebungsvertrag können Sie hier lesen.)
Bei einem Insolvenzereignis muss man zusätzlich bedenken, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob der Aufhebungsvertrag vor oder nach der Insolvenzeröffnung geschlossen wurde.
Wurde der Aufhebungsvertrag vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen, gehört eine etwaige noch nicht ausgezahlte Abfindung zu den Insolvenzverbindlichkeiten des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer müsste dann gemäß § 108 InsO seinen Abfindungsanspruch als Insolvenzgläubiger geltend machen und steht dann in der Rangfolge der Verteilung der Insolvenzmasse recht weit hinten. Möglicherweise wird die Abfindung auch überhaupt nicht ausgezahlt, wenn die Geldmittel der Arbeitgeberin nicht ausreichen, alle Verbindlichkeiten zu befriedigen. Im schlimmsten Fall könnte der Insolvenzverwalter im Rahmen einer Insolvenzanfechtung unter Umständen sogar bereits ausgezahlte Abfindungen zurückverlangen, wenn bei Abschluss des Aufhebungsvertrages die bevorstehende Insolvenz bereits bekannt war.
Anders ist es, wenn der Aufhebungsvertrag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen wird. Die Forderung aus dem Abfindungsanspruch wird dann nicht in die Insolvenztabelle aufgenommen und muss vorab, vor den Insolvenzgläubigern, aus der Insolvenzmasse befriedigt werden.
Insolvenz selbst kein Kündigungsgrund
Sind im Rahmen der Insolvenz des Arbeitgebers Kündigungen nicht zu vermeiden, gelten dennoch weiterhin die allgemeinen Regelungen zum Kündigungsschutz. Grundsätzlich besteht das Arbeitsverhältnis in der Insolvenz des Arbeitgebers gemäß § 108 Insolvenzordnung (InsO) weiter fort. Soll das Arbeitsverhältnis beendet werden, muss es gekündigt werden.
Sofern das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist – mehr als 20 Beschäftigte (dies dürfte bei Galeria Karstadt Kaufhof der Fall sein) und länger als 6 Monate beschäftigt – muss demnach eine Kündigung durch einen Kündigungsgrund sozial gerechtfertigt sein. Die Insolvenz selbst ist kein rechtfertigender Kündigungsgrund.
Der Kündigungsgrund muss im Verhalten oder der Person des Arbeitnehmers liegen oder es müssen dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen (betriebsbedingte Kündigung). Dazu später mehr.
Kündigungsfrist drei Monate
Eine weitere Besonderheit im Insolvenzverfahren ist, dass die maximale Kündigungsfrist für eine ordentliche Kündigung während der Insolvenz gemäß § 113 InsO auf drei Monate beschränkt auch wenn gemäß Arbeitsvertrag, Tarifverträgen oder nach allgemeinen Regelungen des BGB eigentlich eine längere Kündigungsfrist einzuhalten wäre. Eine regulär kürzere Kündigungsfrist hat aber weiterhin Bestand. Die Kündigung darf dann aber frühestens zum Zeitpunkt der Schließung des Betriebs, bzw. Betriebsteils erfolgen.
Auch die fristlose Kündigung ist weiterhin möglich. Allerdings nur bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen.
Sonderkündigungsschutz beachten
Auch besondere Regelungen zum Sonderkündigungsschutz beispielsweise für Schwangere, Arbeitnehmer in Elternzeit oder Schwerbehinderte müssen weiterhin beachtet werden. So muss vor Ausspruch einer Kündigung gegebenenfalls die Zustimmung der zuständigen Landesbehörde eingeholt werden. (Mehr dazu können Sie hier lesen.) Und natürlich sind besondere Lebensumstände auch im Rahmen des Sozialplans zu berücksichtigen.
Aber auch wenn das Unternehmen nach dem Abschluss des Insolvenzverfahren noch weiterhin besteht, kann es im Zuge der Sanierungsmaßnahmen dennoch zu Schließungen und Verkleinerungen der Belegschaft und damit zu betriebsbedingten Kündigungen kommen.
Übrigens: Wird ein Betrieb oder ein Betriebsteil veräußert, sind Kündigungen des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber oder den Erwerber allein wegen des Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Der neue Inhaber kann sich nicht unliebsamer Arbeitsverträge entledigen und sie durch neue – für ihn günstigere – ersetzen. Die Altarbeitsverträge werden mit übernommen und laufen weiter fort. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen ist aber möglich.
Betriebsbedingte Kündigung
Auch wenn verhaltensbedingte und personenbedingte Kündigungen während der Insolvenz möglich sind, wird die betriebsbedingte Kündigung wegen der Schließung oder Zusammenlegung von Standorten der häufigste Kündigungsgrund sein.
Wegfall des Arbeitsplatzes
Diese darf erst dann ausgesprochen werden, wenn dafür ein dringendes betriebliches Erfordernis dergestalt besteht, dass die endgültige Stilllegung des Betriebes oder Betriebsteils gewiss ist und das Datum der Stilllegung mit dem Ablauf der Kündigungsfrist übereinstimmt.
Mit anderen Worten: der Arbeitsplatz muss wegfallen und der Arbeitgeber muss einen dauerhaft verringerten Arbeitskräftebedarf haben. Wenn sich der Betrieb zwischenzeitlich wirtschaftlich erholt, ist eine betriebsbedingte Kündigung nicht mehr sozial gerechtfertigt.
Der Arbeitsplatz / die Stelle muss auch tatsächlich wegfallen. Es reicht nicht aus, dass die Arbeit auf andere, vollzeitbeschäftigte, Arbeitnehmer umverteilt wird.
Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
Die betriebsbedingte Kündigung ist dann dringlich, wenn es betriebsintern keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht.
Sozialauswahl
So nicht alle Mitarbeiter entlassen werden, muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl treffen.
Das bedeutet, er muss prüfen, welchen Arbeitnehmern unter sozialen Gesichtspunkten die betriebsbedingte Kündigung am ehesten zumutbar ist, die also – so grausam das klingt – am wenigsten schutzbedürftig sind. Kriterien der Schutzbedürftigkeit können unter anderem Unterhaltspflichten, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung oder das Lebensalter sein.
Die richtige Sozialauswahl bietet oft Streit‐ und Ansatzpunkte für Kündigungsschutzklagen.
Beteiligung des Betriebsrates
Ist in dem Unternehmen ein Betriebsrat gebildet, so muss der Arbeitgeber diesen vor der Kündigung des Arbeitnehmers anhören. Ansonsten ist die betriebsbedingte Kündigung gemäß § 102 Absatz 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) unwirksam.
Die nicht ausreichende Beteiligung des Betriebsrates ist ein häufiger Ansatzpunkt bei Kündigungsschutzklagen.
(Weitere Informationen zur betriebsbedingten Kündigung können Sie hier lesen.)
Frist für die Kündigungsschutzklage
Gegen eine Kündigung können sich Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage wehren. Dafür gibt es aber eine Ausschlussfrist von 3 Wochen ab Zugang der schriftlichen Kündigung. Wird diese Frist verpasst, wird die Kündigung, mag sie auch noch so fehlerhaft sein, als rechtmäßig anzusehen sein. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur in sehr seltenen Fällen möglich.
Dieser Text wurde am 13. Juni 2024 aktualisiert. Ursprünglich erschien dieser Text am 31.05.2024.
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