Widerruf genehmigten Urlaubs
Es ist ein arbeitsrechtliches Dauerthema, dass Rechtsanwälte für Arbeitsrecht und Arbeitsgerichte immer wieder beschäftigt: Ein Arbeitgeber bemerkt, dass er einen personellen Engpass hat und widerruft den bereits genehmigten Urlaub eines Arbeitnehmers oder beordert diesen gar von seiner angetretenen Urlaubsreise zurück. Aber ist so ein Widerruf bereits genehmigten Urlaubs überhaupt rechtlich möglich? Grundsätzlich nicht.
table of contents
- Urlaubsgewährung muss vorbehaltlos sein.
- Grundsätzlich kein gesetzlicher Anspruch auf Abbruch des Urlaubs
- Widerruf genehmigten Urlaubs allenfalls in Notlagen
- Widerruf genehmigten Urlaubs kann nicht vertraglich vereinbart werden
- Auch der Arbeitnehmer kann gewährten Urlaub nicht „widerrufen“
- Entschädigung bei zulässigem Abbruch oder Verschieben des Urlaubs
- Widerruf genehmigten Urlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer die vertraglich festgelegte Anzahl von Urlaubstagen, zumindest aber den gesetzlichen Mindesturlaub. (Mehr zum Mindesturlaub können Sie hier lesen.)
Der Urlaub muss vom Arbeitnehmer beantragt und vom Arbeitgeber gewährt werden. Der Arbeitgeber muss sich dabei aber an die zeitlichen Urlaubswünsche des Arbeitnehmers halten. Nur aus den in § 7 Abs. 1 S.1 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz) genannten Gründen darf der Arbeitgeber eine Urlaubserteilung im beantragten Zeitraum verweigern. Ein Arbeitgeber muss sich vor der Urlaubserteilung entscheiden, ob er dem Arbeitnehmer den beantragten Urlaub gewährt oder den Urlaubswunsch des Arbeitnehmers etwa wegen dringender betrieblicher Belange oder Urlaubswünschen anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten vorrangig sind, ablehnt.
Urlaubsgewährung muss vorbehaltlos sein.
Zur Erfüllung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeit freistellen. Er muss es dem Arbeitnehmer uneingeschränkt ermöglichen, anstelle der geschuldeten Arbeitsleistung die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit selbstbestimmt zu nutzen. Das Wesensmerkmal des Urlaubs ist, dass der Arbeitnehmer nicht damit rechnen braucht, zur Arbeitsleistung herangezogen zu werden und sich geistig und emotional darauf einstellen kann. Dementsprechend muss der Arbeitgeber, um den Urlaubsanspruch zu erfüllen, den Arbeitnehmer auch unwiderruflich von der Arbeit zur Urlaubsgewährung freistellen.
Wenn der Arbeitgeber sich den Widerruf vorbehält, ist die notwendige „Freistellungserklärung“ nicht gegeben und der Anspruch gegen den Arbeitgeber, Urlaub zu gewähren, nicht erfüllt.
Dieser Urlaubsanspruch könnte dann noch geltend gemacht werden.
Grundsätzlich kein gesetzlicher Anspruch auf Abbruch des Urlaubs
Nach dem BUrlG besteht kein Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, den gewährten Urlaub abzubrechen oder zu unterbrechen.
Dies hat das Bundesarbeitsgericht unter anderem in einem viel zitierten Urteil bereits im Jahr 2000 entschieden.
In diesem Urteil hatte ein Softwareprogrammierer sein Arbeitsverhältnis gekündigt, Resturlaub beantragt und genehmigt bekommen. Bevor er den Urlaub antrat, lieferte er noch API‐Dokumentationen im Betrieb ab. Der Arbeitgeber forderte den Arbeitnehmer jedoch auf, zugesagte Arbeiten weiter auszuführen, da er der einzige Mitarbeiter sei, der die erforderliche Fachkenntnis habe und Auftraggeber die Arbeitsergebnisse einforderten. Zu einer Wiederaufnahme der Arbeitsleistung kam es letztendlich nicht. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis und behielt Arbeitsentgelt als Sicherung von Schadensersatzansprüchen gegen den Arbeitnehmer ein. Dagegen klagte der Arbeitnehmer und bekam vor Arbeits‐ Landesarbeitsgericht und Bundesarbeitsgericht Recht.
Einen Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, seinen Urlaub abzubrechen oder zu unterbrechen, gebe es nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht.
Habe der Arbeitgeber die Leistungszeit bestimmt, in der der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers iSv. § 362 Abs. 1 BGB erfüllt werden soll, und sie dem Arbeitnehmer auch mitgeteilt, habe er als Schuldner des Urlaubsanspruchs die für die Erfüllung dieses Anspruchs erforderliche Leistungshandlung iSv. § 7 Abs. 1 BUrlG vorgenommen. An den Inhalt dieser Erklärung sei er gebunden.
Tatsachen für unvorhersehbare und zwingende Notwendigkeiten, die etwas anderes zulassen würden, seien vom Arbeitgeber nicht vorgetragen worden.
Widerruf genehmigten Urlaubs allenfalls in Notlagen
Der Arbeitgeber kann den einmal bewilligten Urlaub allenfalls in Notfällen widerrufen bzw., den Arbeitnehmer aus dem angetretenen Urlaub zurückrufen.
Das setzt allerdings eine Fallgestaltung voraus, bei der die Arbeitskraft eines bestimmten Arbeitnehmers für einen bestimmten Zeitraum, beispielsweise zur Verhinderung des Zusammenbruchs eines Unternehmens, benötigt wird und es für den Arbeitgeber schlechthin unzumutbar wäre, an der Urlaubsgewährung festzuhalten. An solch eine Notlage werden sehr hohe Anforderungen gestellt. (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 3. Februar 2022 – 6 Sa 465/21 – mit weiteren Nachweisen).
Ein personeller Engpass reicht hierfür nicht aus.
So hat es das Landesarbeitsgericht Köln auch in einem anderen Fall entschieden.
Einer Verkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft wurde fristlos der Arbeitsvertrag gekündigt, nachdem sie ihren genehmigten und angetretenen Urlaub nicht unterbrochen hatte. Ihr Arbeitgeber hatte anlässlich eines verkaufsoffenen Wochenendes und Personalengpasses ihren Urlaub widerrufen.
Der Arbeitgeber sah in der Weigerung der Arbeitnehmerin, ihren Urlaub zu unterbrechen, eine Arbeitsverweigerung, da die Urlaubsgewährung aus dringenden betrieblichen Gründen erfolgt sei.
Dies sah das Landesarbeitsgericht Köln anders. Der Arbeitgeber könne bereits genehmigten Urlaub allenfalls wegen einer Notlage widerrufen. Dabei müsse es sich um zwingende Notwendigkeiten handeln, die einen anderen Ausweg nicht zulassen würden. Solche lägen hier nicht vor. Ein personeller Engpass sei für sich noch keine Notlage. Das Ladengeschäft habe trotz des Fehlens der Arbeitnehmerin öffnen können. Ihre Weigerung, ihren Urlaub zu unterbrechen sei nicht mit der Situation einer Selbstbeurlaubung zu vergleichen. Es liege keine Pflichtverletzung seitens der Arbeitnehmerin vor. Die Arbeitnehmerin sei daher der Arbeit berechtigt ferngeblieben. Die fristlose Kündigung sei unwirksam.
Widerruf genehmigten Urlaubs kann nicht vertraglich vereinbart werden
Ein Arbeitnehmer kann sich auch nicht durch eine Vereinbarung verpflichten, den Urlaub auf Verlangen des Arbeitgebers abzubrechen. Eine solche Vereinbarung würde gegen § 13 Abs. 1 BUrlG verstoßen und somit rechtsunwirksam sein.
Auch der Arbeitnehmer kann gewährten Urlaub nicht „widerrufen“
So wie der Arbeitgeber sein Genehmigung des Urlaubs grundsätzlich nicht widerrufen kann, gibt es umgekehrt aber auch keinen Anspruch des Arbeitnehmers, seinen bereits genehmigten und angetretenen Urlaub abzubrechen, etwa, weil es ihm am Urlaubsort nicht gefällt und er früher zurückreist. Wenn der Arbeitgeber den Urlaub bereits genehmigt hat, sind beide Seiten an diese Zustimmung gebunden. Es gibt keinen Anspruch auf Rücknahme der Urlaubsgewährung.
Denkbar ist allerdings, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Einzelfall einvernehmlich verständigen, dass der bereits genehmigte Urlaub abgebrochen oder verschoben wird.
Entschädigung bei zulässigem Abbruch oder Verschieben des Urlaubs
Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausnahmsweise doch aus dem Urlaub zurückholen, muss er sämtliche Kosten, die dadurch beim Arbeitnehmer verursacht werden, tragen. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Entschädigungszahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer steuerpflichtiger Arbeitslohn ist. Also muss der Arbeitgeber die Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abführen, so dass der Betrag, den der Arbeitnehmer erhält netto niedriger ist. Allerdings kann der Arbeitnehmer seinerseits die entstandenen Kosten als Werbungskosten geltend bei der Einkommenssteuererklärung geltend machen.
Sollte ein Arbeitnehmer durch Veranlassung des Arbeitgebers freiwillig seinen Urlaub abbrechen, so hat der Arbeitgeber allerdings die daraus entstehenden Kosten, beispielsweise Stornierungskosten nach § 670 BGB als Ersatz von Aufwendungen zu ersetzen.
Widerruf genehmigten Urlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Eine Ausnahme von der Unwiderruflichkeit der Urlaubsgenehmigung kann aber in dem Fall bestehen, dass ein Arbeitsverhältnis in der ersten Jahreshälfte beendet wird und bereits mehr Urlaub gewährt wurde, als Urlaubsanspruch zusteht.
Nach erfüllter Wartezeit gemäß § 4 BUrlG hat der Arbeitnehmer grundsätzlich mit Beginn des Kalenderjahres den vollen Urlaubsanspruch auf alle vertraglich oder mindestens gesetzlich garantierten Urlaubstage. Dieser kann aber dann gesetzlich gekürzt werden, wenn das Arbeitsverhältnis in der ersten Jahreshälfte, also vor dem 1. Julei beendet wird. Nach § 5 Abs. 1 c) BUrlG steht dem Arbeitnehmer in so einer Fallkonstellation nur ein Zwölftel des Jahresurlaubes für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses im Kalenderjahr zu.
Scheidet ein Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Jahreshälfte aus dem Arbeitsverhältnis aus, so erfolgt die gesetzlich normierte anteilige Kürzung des Urlaubsanspruches dann zu dem Zeitpunkt, in dem feststeht, dass der Arbeitnehmer in der ersten Jahreshälfte aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Hat der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt bereits mehr Urlaub genehmigt, als dem Arbeitnehmer wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in der ersten Jahreshälfte zusteht, kann der Arbeitgeber den nicht mehr durch den Urlaubsanspruch gedeckten, aber bereits gewährten Urlaub widerrufen.
3 Responses
Guten Tag,
Wie lange ist mein Anspruch auf Bezahlung für Urlaub, den ich nicht nehmen konnte und Überstunden, die nicht abgegolten wurden, gültig?
Sehr geehrte Caro,
gerne möchte ich auf Ihre Frage antworten. Selbstverständlich kann ich nur allgemeine Aussagen treffen, da mir der konkrete Sachverhalt nicht bekannt ist.
Urlaubsanspruch entsteht für ein Kalenderjahr und muss grundsätzlich auch in diesem Kalenderjahr genommen werden. Ausnahmsweise darf ein Resturlaub, der im laufenden Kalenderjahr aus betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht genommen werden konnte, ins nächste Jahr übertragen werden. Dann muss er bis zum 31. März genommen werden. Ansonsten verfällt der Anspruch. Allerdings muss der Arbeitgeber Sie darauf hingewiesen haben, dass die Gefahr des Verfalls des Urlaubs besteht und Ihnen ermöglicht haben, den Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Sonst verfällt der Urlaub nicht, sondern verjährt nach drei Jahren. Aber auch auf diese Verjährung muss der Arbeitgeber hinweisen. Sonst bleibt der Urlaubsanspruch bestehen.
Grundsätzlich muss der Urlaub in Form von freien Tagen genommen werden und wird nicht ausbezahlt. Wenn es allerdings bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich war, den Resturlaub zu nehmen, kann der Urlaubsanspruch ausnahmsweise auch in Geld ausgezahlt werden. Das nennt man dann Urlaubsabgeltungsanspruch. Auch dieser verjährt nach drei Jahren. Allerdings muss der Arbeitgeber hierbei nicht auf die Verjährung hinweisen.
Inwieweit Überstunden ausbezahlt werden, mit dem Gehalt abgegolten sind oder wann sie verfallen, beispielsweise durch Ausschlussklauseln, kann in Tarifverträgen oder im Arbeitsvertrag geregelt sein. Das ist oft der Fall. Dann ist diese Regelung, falls sie rechtmäßig ist, anzuwenden. Ist nichts geregelt, kommt es darauf an, ob Überstunden üblicherweise in dem Betrieb ausgezahlt werden. Ist dies der Fall, so verfällt der Anspruch auf Auszahlung der Überstunden nach drei Jahren.
Bei der Geltendmachung der Auszahlung der geleisteten Überstunden ist es wichtig, nachweisen zu können, dass die Überstunden auch tatsächlich geleistet wurden.
Wenn im Rahmen eines Aufhebungsvertrages oder einer Ausgleichsquittung unterschrieben wurde, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten sind, können Ansprüche auf Abgeltung von Überstunden nicht mehr durchgesetzt werden.
Ich hoffe, die Antworten helfen Ihnen weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Böhm
Rechtsanwalt
Hallo,
ich habe gekündigt und in meiner Kündigungsfrist bereits genehmigten 2 wöchigen Urlaub (vor der Kündigung).
Als Resturlaub stehen mir jedoch nur noch 5 Tage zur Verfügung.
Kann mein Arbeitgeber mir den Urlaub bzw. verkürzten Urlaub auf die 5 Tage verweigern, sodass der Urlaub ausgezahlt wird. bspw. durch Einarbeitung neuer Kollegen.