Selbstbeurlaubung Kündigung wegen eigen­mäch­tigen Urlaubsantritts

Jeder freut sich auf den Urlaub. Einfach beim Chef einge­reicht und los geht’s? Ganz so einfach ist es nicht immer. Denn der Arbeit­geber muss den Urlaub erst geneh­migen. Sonst kann ein Fall der Selbst­be­ur­laubung vorliegen, der zu einer Kündigung des Arbeits­ver­trages führen kann. 

 

Genehmigung des Urlaubs durch den Arbeitgeber

Eine Selbst­be­ur­laubung ist nicht recht­mäßig. Urlaub muss vom Arbeit­nehmer beantragt und durch den Arbeit­geber genehmigt werden. Wie der Ablauf der Beantragung des Urlaubes über die Geneh­migung durch den Arbeit­geber bis zum Urlaubs­an­tritt ist, kann jedes Unter­nehmen indivi­duell regeln. Der Arbeit­geber hat die Organi­sa­ti­ons­pflicht, recht­zeitig und in abseh­barer Zeit über einen Urlaubs­antrag zu entscheiden.

Der Arbeit­geber schuldet dem Arbeit­nehmer die vertraglich festge­legte Anzahl von Urlaubs­tagen, zumindest aber den gesetz­lichen Mindest­urlaub. Den Urlaubs­zeit­punkt darf der Arbeit­geber aber nicht etwa im billigem Ermessen bestimmen. Vielmehr muss er die Urlaubs­wünsche des Arbeit­nehmers berück­sich­tigen. Diese darf der Arbeit­geber nach §  7 Abs. 1 BUrlG nur dann zurück­stellen, wenn  dringende betrieb­liche Belange entge­gen­stehen oder eine Abwägung der sozialen Inter­essen die Vorran­gigkeit anderer Beschäf­tigter verlangt. Dabei liegt die Beweislast dafür, dass der Urlaub zu Recht verweigert wurde, jeden­falls im Kündi­gungs­schutz­prozess beim Arbeit­geber (BAG, Urteil vom 31. Januar 1996 – 2 AZR 282/95).

 

Dringende betriebliche Belange

Dies sind nicht einfach nur bloße Störungen des Betriebs­ab­laufes. Denn diese liegen regel­mäßig bei jedem urlaubs­be­dingten Ausfall einer Arbeits­kraft vor. Sie müssen hinge­nommen werden und durch entspre­chenden Einsatz des übrigen Personals kompen­siert werden. Entscheidend ist vielmehr, dass es zu erheb­lichen Beein­träch­ti­gungen des Betriebs­ab­laufs kommt.

Das könnte z.B. der Fall sein bei

  • Unter­be­setzung durch sehr hohen Kranken­standes im Betrieb oder einer Abteilung,
  • Besonders arbeits­in­ten­siver Zeit (Weihnachtszeit, Schlussverkauf),
  • Frist­ge­rechte Erledigung von Aufträgen, die sonst drohen, verloren zu gehen. (Nur, wenn der Arbeit­geber es wirklich nicht anders organi­sieren konnte.)
 

Soziale Interessen

Der Arbeit­geber muss bei der Urlaubs­ge­neh­migung auch soziale Gesichts­punkte berück­sich­tigen und abwägen. Etwa, ob andere Mitar­beiter, die ebenfalls Urlaub beantragt haben und vielleicht an Schul­fe­ri­en­zeiten gebunden sind, ob ein anderer Arbeit­nehmer aufgrund einer Erkrankung in der Vergan­genheit besonders erholungs­be­dürftig ist oder ob ein anderer Arbeit­nehmer, der schon lange keinen Urlaub mehr hatte bzw. schon mehrfach seinen Urlaub verschieben musste. Diese Mitar­beiter könnten dann in diesem Zeitraum Vorrang verdienen.

 

Hat der Arbeitnehmer ein Recht auf Selbstbeurlaubung?

Nein. Ein Recht des Arbeit­nehmers, sich selbst zu beurlauben, ist angesichts des umfas­senden Systems gericht­lichen Rechts­schutzes grund­sätzlich abzulehnen (BAG, Urteil vom 20. Januar 1994 – 2 AZR 521/93). Tritt der Arbeit­nehmer eigen­mächtig einen vom Arbeit­geber nicht geneh­migten Urlaub an, so verletzt er seine arbeits­ver­trag­lichen Pflichten. Selbst wenn sich so viel Urlaubs­an­spruch angesammelt hat, dass er nur noch im beantragten Zeitraum genommen werden kann und sogar die Gefahr besteht, dass der Urlaub verfällt, darf der Urlaub nicht ohne Geneh­migung durch den Arbeit­geber angetreten werden. Schlimms­ten­falls muss der Urlaub in Geld abgegolten werden. Bevor der Urlaub verfällt oder gar verjährt, muss der Arbeit­geber aller­dings darauf hinweisen. Möglich ist aber auch eine gericht­liche Geltend­ma­chung des Urlaubs­an­spruches im Eilverfahren.

 

Kündigungsgrund Selbstbeurlaubung

Selbst wenn der Arbeit­geber dem Urlaubs­wunsch des Beschäf­tigten unberech­tigter Weise  nicht nachkommt, hat der Arbeit­nehmer kein Recht zur Selbst­be­ur­laubung. Wenn der Urlaub nicht vom Arbeit­geber genehmigt wird und der Arbeit­nehmer daraufhin nicht zur Arbeit erscheint, kann dies eine Kündigung oder gar eine fristlose Kündigung aus verhal­tens­be­dingtem Grund recht­fer­tigen. Denn arbeits­rechtlich gesehen, entfernt sich der Arbeit­nehmer damit unerlaubt von seinem Arbeits­platz. Dies kann eine schwere Pflicht­ver­letzung des Arbeit­nehmers darstellen. Das hängt von Gewicht und Auswirkung des eigen­mäch­tigen Fernbleibens, sowie Grad des Verschuldens des Arbeit­nehmers ab. Dann muss abgewogen werden, ob eine fristlose Kündigung verhält­nis­mäßig ist. In diesem Rahmen der Inter­es­sen­ab­wägung ist mitein­zu­be­ziehen, ob die Selbst­be­ur­laubung auf eine unberech­tigte Urlaubs­ver­wei­gerung erfolgte (Landes­ar­beits­ge­richt Köln, Urteil vom 28. Juni 2013 – 4 Sa 8/13). Ebenso ist zu berück­sich­tigen, ob die Prozesse und Systeme zur Urlaubs­be­an­tragung und ‑geneh­migung zu undurch­sichtig oder fehlerhaft bzw. keine Regelungen vorhanden sind. Auch dann könnte eine fristlose Kündigung unver­hält­nis­mäßig sein.

 

Muss der Arbeitgeber bei einer Selbstbeurlaubung erst abmahnen oder darf er sofort kündigen?

Grund­sätzlich hat eine Abmahnung des Sinn und Zweck, den Arbeit­nehmer auf sein Fehlver­halten aufmerksam zu machen, so dass dieser sein Verhalten für die Zukunft ändern kann. Kam es beim eigen­mäch­tigen Urlaubs­an­tritt schlicht zu einem Missver­ständnis, liegt mitunter nur ein leichter Pflich­ten­verstoß des Arbeit­nehmers vor und es wäre verhält­nis­mäßig, zunächst einmal abzumahnen, bevor gleich das schärfste Schwert der frist­losen Kündigung bemüht wird. Eine fristlose Kündigung soll stets nur das letzte Mittel sein, wenn alle anderen möglichen und angemes­senen milderen Mittel erschöpft sind und das in der bishe­rigen Form belastete Arbeits­ver­hältnis aufgrund der einge­tre­tenen Vertrags­störung in der Zukunft nicht mehr fortge­setzt werden kann.

Meistens geht dem Urlaubs­an­tritt jedoch eine Kommu­ni­kation zwischen Arbeit­nehmer und Arbeit­geber voraus. Wenn der Arbeit­geber darin zum Ausdruck bringt, dass der Urlaub nicht genehmigt ist bzw. der Arbeit­nehmer das Handeln oder Nicht­handeln des Arbeit­gebers so verstehen muss und dennoch seinen Urlaub antritt, so handelt der Arbeit­nehmer direkt gegen eine Anweisung des Arbeit­gebers. Das wird dann schon als beharr­liche Arbeits­ver­wei­gerung angesehen. Es liegt dann eine schwere Pflich­ten­ver­letzung des Arbeit­nehmers vor und es bedarf keiner vorhe­rigen Abmahnung durch den Arbeit­geber, um fristlos kündigen zu können.

Insofern kommt es immer auf den Einzelfall an, ob nach Selbst­be­ur­laubung eine Abmahnung nötig bzw. möglich ist.

Neben der Verhält­nis­mä­ßigkeit muss eine fristlose Kündigung natürlich auch schriftlich, innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Verstoßes erfolgen und gegebe­nen­falls der Betriebsrat beteiligt werden.

 

Vorsicht bei „passgenauer“ Krankmeldung

Es kommt vor, dass nach einem abgelehnten Urlaubs­antrag von Seiten des Arbeit­nehmers eine Krank­meldung und Krank­schreibung erfolgt, die – mögli­cher­weise zufällig – genau den Zeitraum des ursprünglich gewünschten Urlaubs­zeit­raumes umfasst. Das ruft bei Arbeit­gebern und Arbeits­ge­richten Zweifel an der tatsäch­lichen Arbeits­un­fä­higkeit hervor. Kann der Arbeit­geber dann den Beweis führen, dass keine Arbeits­un­fä­higkeit bestand, liegt eine Selbst­be­ur­laubung vor. Aller­dings muss der Arbeit­geber den Beweis auch erbringen, etwa durch Benennung und Befragung des behan­delnden Arztes als Zeugen. Sonst fehlt es an einem wichtigen Grund zur Kündigung. (So auch hier ArbG Gera, Urteil vom 5. April 2023 – 1 Ca 1333/22 –)

 

Darf ein Arbeitnehmer seinen Urlaub selbst verlängern?

Nein! Aus arbeits­recht­licher Sicht ist die eigen­mächtige Urlaubs­über­schreitung wie ein eigen­mäch­tiger Urlaubs­an­tritt zu beurteilen.

 
Im Urlaub krank geworden?

Wer im Urlaub krank wird, sollte dies sofort dem Arbeit­geber mitteilen und sich von einem Arzt eine Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung holen. Die Tage der krank­heits­be­dingten Arbeits­un­fä­higkeit werden nicht als Urlaubstage angerechnet. Aller­dings darf der Arbeit­nehmer nicht einfach die krank­heits­be­dingt ausge­fal­lenen Urlaubstage im Anschluss an den geneh­migten Urlaub anhängen. Vielmehr muss der Arbeit­nehmer auch diese Urlaubstage beim Arbeit­geber beantragen. Sonst liegt auch hier eine pflicht­widrige Selbst­be­ur­laubung vor.

Fazit

Ein Recht zur Selbst­be­ur­laubung, hat der Arbeit­nehmer grund­sätzlich nicht. Hat der Arbeit­geber dem Arbeit­nehmer keinen Urlaub erteilt, so verletzt dieser seine Arbeits­pflicht, wenn er eigen­mächtig den Urlaub antritt (Landes­ar­beits­ge­richt Köln, Urteil vom 28. Juni 2013 – 4 Sa 8/13). Insofern ist es besser, im Zweifel lieber beim Chef nachzu­fragen, ob der Urlaub genehmigt ist.

Eine Kündigung muss man nicht kampflos hinnehmen!
Rechts­anwaltJan Böhm

Gegen eine Kündigung kann man sich in vielen Fällen wehren!

Eine entspre­chende Kündi­gungs­schutz­klage muss aber innerhalb von drei Wochen beim Arbeits­ge­richt eingehen. Eine Frist­ver­län­gerung ist nur in ganz seltenen Fällen möglich.

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