Arbeit auf Abruf - Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit

Arbeit auf Abruf – Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit

17. November 2023 Arbeitszeit 0

Grund­sätzlich gilt bei Arbeit auf Abruf wenn die Dauer der wöchent­lichen Arbeitszeit nicht ausdrücklich festgelegt wurde nach § 12 Abs. 1 Satz 3 des Teilzeit‐ und Befris­tungs­ge­setzes (TzBfG) eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart. Eine Abwei­chung davon kann nur dann durch ergän­zende Vertrags­aus­legung angenommen werden, wenn die gesetz­liche Regelung nicht sachge­recht ist und keine Anhalts­punkte dafür vorliegen, dass die Vertrags­par­teien bei Vertrags­schluss eine andere Dauer der wöchent­lichen Arbeitszeit gewollt haben.

(Bundes­ar­beits­ge­richt, Urteil vom 18. Oktober 2023 – 5 AZR 22/23 –)
 

Zum Sachverhalt:

Die Arbeit­neh­merin ist seit 2009 bei einem Unter­nehmen der Druck­in­dustrie als „Abruf­kraft Helferin Einlage“ beschäftigt. In ihrem Arbeits­vertrag war keine Regelung zur Dauer der wöchent­lichen Arbeitszeit enthalten. Die Arbeit­neh­merin wurde – wie die anderen auf Abruf Beschäf­tigten – nach Bedarf in unter­schied­lichem zeitlichen Umfang einge­setzt. Der Umfang des Abrufs ihrer Arbeits­kraft verrin­gerte sich ab 2020 im Vergleich zu den unmit­tel­baren Vorjahren. Die Arbeit­neh­merin berief sich darauf, dass ihre Arbeits­kraft in den Jahren 2017 bis 2019 in einem Umfang von durch­schnittlich 103,2 Stunden monatlich abgerufen worden sei. Durch ergän­zende Vertrags­aus­legung ergebe sich, dass dies die nun geschuldete und zu vergü­tende Arbeitszeit sei. Die Arbeit­neh­merin verlangte dementspre­chend Vergütung wegen Annah­me­verzugs im Umfang der nicht abgeru­fenen Arbeits­leistung und klagte.

 

Der Verfahrensgang:

Das Arbeits­ge­richt Bielefeld (Urteil vom 18. Januar 2022, 5 Ca 85÷21−) nahm nach § 12 Absatz 1 Satz 3 TzBfG eine Dauer der wöchent­lichen Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche an und gab der Klage nur insoweit statt, als die wöchent­liche Arbeitszeit von 20 Stunden unter­schritten wurde.

Die Arbeit­neh­merin legte dagegen Berufung ein, die aber vom Landge­richt Hamm (Urteil vom 29. November 2022 – 6 Sa 200/22 – ) aber zurück­ge­wiesen wurde.

 

Das Urteil

Das Bundes­ar­beits­ge­richt sah die ebenso und wies auch die  Revision der klagenden Arbeit­neh­merin zurück.

 

Fiktion der wöchentlichen Arbeitszeit, wenn nichts vereinbart wurde

Grund­sätzlich müssten Arbeit­geber und Arbeit­neh­merin bei einer Verein­barung, dass die Arbeits­leistung entspre­chend dem Arbeits­anfall zu erbringen ist (Arbeit auf Abruf), nach § 12 Abs. 1 S. 2 TzBfG im Arbeits­vertrag eine bestimmte wöchent­liche Arbeitszeit festlegen. Würde dies unter­lassen, schließe § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG diese Regelungs­lücke. Kraft Gesetzes sei dann eine Arbeitszeit von 20 Wochen­stunden vereinbart.

 

Abweichende Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nur bei objektiven Anhaltspunkten

Eine davon abwei­chende Dauer der wöchent­lichen Arbeitszeit könne nur durch ergän­zende Vertrags­aus­legung angenommen werden. Dazu dürfte die gesetz­liche Fiktion im § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG, bezogen auf das konkrete Arbeits­ver­hältnis, keine sachge­rechte Regelung darstellen. Zusätzlich müssten objektive Anhalts­punkte dafür vorliegen, dass der Arbeit­geber und die Arbeit­neh­merin beim Vertrags­schluss, wenn sie von der Regelungs­lücke Kenntnis gehabt hätten, eine andere Regelung getroffen und eine höhere oder niedrigere Wochen­ar­beitszeit als 20 Stunden vereinbart hätten. 

Solche Anhalts­punkte seien hier aber nicht vorge­tragen worden.

Das Bundes­ar­beits­ge­richt stellt auch klar, dass es auch noch möglich ist, bei einer anfäng­lichen arbeits­ver­trag­lichen Lücke bezüglich der Arbeitszeit, diese später zu schließen. Eine andere wöchent­liche Arbeitszeit als durch die gesetz­liche Fiktion können ausdrücklich oder durch konklu­dentes Verhalten vereinbart werden. Dafür reiche es aber nicht aus, auf das lange nach Beginn des Arbeits­ver­hält­nisses liegende Abruf verhalten abzustellen. Dem Abruf­ver­halten allein käme ein rechts­ge­schäft­licher Erklä­rungswert, sich an eine abwei­chende wöchent­liche Arbeitszeit binden zu wollen nicht zu. Auch würde die Bereit­schaft der Arbeit­neh­merin, in einem bestimmten Zeitraum mehr als die nach der gesetz­lichen Fiktion geschul­deten 20 Wochen­stunden zu arbeiten, nicht die Annahme recht­fer­tigen, sich dauerhaft an eine Arbeitszeit in höherem Umfang binden zu wollen. 

 

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