Arbeit auf Abruf – Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit
Grundsätzlich gilt bei Arbeit auf Abruf wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht ausdrücklich festgelegt wurde nach § 12 Abs. 1 Satz 3 des Teilzeit‐ und Befristungsgesetzes (TzBfG) eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart. Eine Abweichung davon kann nur dann durch ergänzende Vertragsauslegung angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Vertragsparteien bei Vertragsschluss eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit gewollt haben.
Zum Sachverhalt:
Die Arbeitnehmerin ist seit 2009 bei einem Unternehmen der Druckindustrie als „Abrufkraft Helferin Einlage“ beschäftigt. In ihrem Arbeitsvertrag war keine Regelung zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit enthalten. Die Arbeitnehmerin wurde – wie die anderen auf Abruf Beschäftigten – nach Bedarf in unterschiedlichem zeitlichen Umfang eingesetzt. Der Umfang des Abrufs ihrer Arbeitskraft verringerte sich ab 2020 im Vergleich zu den unmittelbaren Vorjahren. Die Arbeitnehmerin berief sich darauf, dass ihre Arbeitskraft in den Jahren 2017 bis 2019 in einem Umfang von durchschnittlich 103,2 Stunden monatlich abgerufen worden sei. Durch ergänzende Vertragsauslegung ergebe sich, dass dies die nun geschuldete und zu vergütende Arbeitszeit sei. Die Arbeitnehmerin verlangte dementsprechend Vergütung wegen Annahmeverzugs im Umfang der nicht abgerufenen Arbeitsleistung und klagte.
Der Verfahrensgang:
Das Arbeitsgericht Bielefeld (Urteil vom 18. Januar 2022, 5 Ca 85÷21−) nahm nach § 12 Absatz 1 Satz 3 TzBfG eine Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche an und gab der Klage nur insoweit statt, als die wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden unterschritten wurde.
Die Arbeitnehmerin legte dagegen Berufung ein, die aber vom Landgericht Hamm (Urteil vom 29. November 2022 – 6 Sa 200/22 – ) aber zurückgewiesen wurde.
Das Urteil
Das Bundesarbeitsgericht sah die ebenso und wies auch die Revision der klagenden Arbeitnehmerin zurück.
Fiktion der wöchentlichen Arbeitszeit, wenn nichts vereinbart wurde
Grundsätzlich müssten Arbeitgeber und Arbeitnehmerin bei einer Vereinbarung, dass die Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen ist (Arbeit auf Abruf), nach § 12 Abs. 1 S. 2 TzBfG im Arbeitsvertrag eine bestimmte wöchentliche Arbeitszeit festlegen. Würde dies unterlassen, schließe § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG diese Regelungslücke. Kraft Gesetzes sei dann eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden vereinbart.
Abweichende Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nur bei objektiven Anhaltspunkten
Eine davon abweichende Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit könne nur durch ergänzende Vertragsauslegung angenommen werden. Dazu dürfte die gesetzliche Fiktion im § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG, bezogen auf das konkrete Arbeitsverhältnis, keine sachgerechte Regelung darstellen. Zusätzlich müssten objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arbeitgeber und die Arbeitnehmerin beim Vertragsschluss, wenn sie von der Regelungslücke Kenntnis gehabt hätten, eine andere Regelung getroffen und eine höhere oder niedrigere Wochenarbeitszeit als 20 Stunden vereinbart hätten.
Solche Anhaltspunkte seien hier aber nicht vorgetragen worden.
Das Bundesarbeitsgericht stellt auch klar, dass es auch noch möglich ist, bei einer anfänglichen arbeitsvertraglichen Lücke bezüglich der Arbeitszeit, diese später zu schließen. Eine andere wöchentliche Arbeitszeit als durch die gesetzliche Fiktion können ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten vereinbart werden. Dafür reiche es aber nicht aus, auf das lange nach Beginn des Arbeitsverhältnisses liegende Abruf verhalten abzustellen. Dem Abrufverhalten allein käme ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert, sich an eine abweichende wöchentliche Arbeitszeit binden zu wollen nicht zu. Auch würde die Bereitschaft der Arbeitnehmerin, in einem bestimmten Zeitraum mehr als die nach der gesetzlichen Fiktion geschuldeten 20 Wochenstunden zu arbeiten, nicht die Annahme rechtfertigen, sich dauerhaft an eine Arbeitszeit in höherem Umfang binden zu wollen.