Trinkgelage nach Weihnachtsfeier führte zu fristloser Kündigung
Ein Trinkgelage in der Weinkellerei ihrer Arbeitgeberin nach einer beendeten Weihnachtsfeier hat bei zwei Arbeitnehmern zur fristlosen Kündigung geführt. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob dieses Verhalten als wichtiger Kündigungsgrund ausreichte oder zuvor eine Abmahnung erforderlich gewesen wäre.
Grundsätzliches
Nebenpflichten im Arbeitsverhältnis
Die Hauptpflicht des Arbeitnehmers besteht natürlich in der Erbringung der Arbeitsleistung, wofür der Arbeitgeber als seine Hauptpflicht Lohn zahlen muss. Zudem muss der Arbeitgeber auch Arbeit anbieten bzw. die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers annehmen.
Neben diesen Hauptpflichten bestehen aber für beide Seiten auch noch Nebenpflichten.
Beide Parteien des Arbeitsvertrages müssen auf die Rechte und Interessen des Vertragspartners Rücksicht nehmen. So muss der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Loyalitäts‐ und Treuepflicht sich im Betrieb so verhalten, dass der Vertragszweck optimal erreicht wird. Dazu gehören beispielsweise die pünktliche und bestmögliche Arbeitsleistung, rechtzeitige Krankmeldung, Verschwiegenheit – insbesondere über Betriebsgeheimnisse -, die Wahrung der im Betrieb geltenden Verhaltensregeln und des Betriebsfriedens sowie der pflegliche Umgang mit den Arbeitsmitteln. Der Arbeitnehmer muss, sofern es ihm möglich ist, Schaden vom Betrieb oder dem Arbeitgeber fernhalten.
Demgegenüber ist der Arbeitgeber verpflichtet, im Rahmen seiner Fürsorgepflicht beispielsweise den Arbeitsplatz nach arbeitsgesundheitlichen Gesichtspunkten zu gestalten, Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers schützen, die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers zu wahren und zu schützen, Diskriminierungen vom Arbeitnehmer fernzuhalten oder zu verfolgen, sowie eingebrachte Gegenstände und Vermögen des Arbeitnehmers zu schützen.
Voraussetzung der fristlosen Kündigung
Eine fristlose Kündigung ist möglich, wenn es dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist zu beenden. Dazu muss ein „wichtiger Grund“ vorliegen, der unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien und der Umstände des Einzelfalls ein Abwarten der Kündigungsfrist unzumutbar werden lässt. Dieser wichtige Grund liegt regelmäßig in der erheblichen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. Diese können beispielsweise in Straftaten zulasten des Arbeitgebers, unentschuldigtem Fernbleiben der Arbeit, Beleidigung des Arbeitgebers oder Kollegen, Alkoholmissbrauchs oder der Störung des Betriebsfriedens liegen.
(Weitere Informationen zur fristlosen Kündigung finden Sie hier und was Sie im Falle einer Kündigung zu tun ist können Sie hier lesen.)
Entbehrlichkeit der Abmahnung
Die fristlose Kündigung soll stets das letzte Mittel der Wahl (ultima ratio) sein, auf einen Pflichtenverstoß zu reagieren. So wird regelmäßig von Arbeitsgerichten geprüft, ob der fristgemäßen oder fristlosen Kündigung eine Abmahnung vorausgehen muss. Eine Abmahnung soll den Arbeitnehmer warnen, dass sein gezeigtes Verhalten vom Arbeitgeber als Pflichtverstoß gesehen wird und im Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen wird. Bei besonders schwerwiegenden Pflichtenverstößen, bei denen von vorherein jeder davon ausgehen muss, dass der Arbeitgeber diese unter keinen Umständen dulden wird, braucht vor einer fristlosen Kündigung nicht abgemahnt werden. Beispiele hierfür sind Selbstbeurlaubung, Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit, Kapitaldelikte zulasten des Arbeitgebers. Dennoch ist auch in solchen Fällen stets der konkrete Einzelfall zu betrachten.
Der Fall:
Ein Arbeitnehmer war bei seit dem 1.6.2021 als Gebietsmanager Mitte (NRW) im Außendienst bei einer in Süddeutschland ansässigen Winzergenossenschaft beschäftigt. Am 12.1.2023 fand dort eine Weihnachtsfeier statt. Es gab zunächst eine Begrüßung mit Sekt im Betrieb. Danach fuhren die Beschäftigten gemeinsam mit einem Bus in ein externes Restaurant.
Gegen 23:00 Uhr fuhr diejenigen Beschäftigten, die dies wollten, zurück zur firmeneigenen Kellerei. Der im hiesigen Fall klagende Arbeitnehmer hatte sich dieser Gruppe angeschlossen. Die Fortsetzung der Weihnachtsfeier war nicht vorgesehen. Der klagende Arbeitnehmer traf sich zunächst mit zwei weiteren Kollegen in einem ca. 500 m vom Betrieb entfernten Hotel, um dort gemeinsam eine Flasche Wein zu trinken.
Das Trinkgelage
Danach gingen der klagende Arbeitnehmer und ein weiterer Kollege zurück zum Betrieb ihrer Arbeitgeberin. Das Tor zum Betriebsgelände öffneten sie mit der Zugangskarte des Kollegen. Der klagende Arbeitnehmer und sein Kollege, tranken im Aufenthaltsraum des Betriebs vier Flaschen Wein aus dem Lagerbestand der Arbeitgeberin. Nach diesem Trinkgelage standen am nächsten Morgen die leeren Flaschen auf dem Tisch. Im Mülleimer befanden sich zahlreiche Zigarettenstummel. Auf dem Fußboden lag eine zerquetschte Mandarine, die zuvor an die Wand geworfen worden war. Einer der beiden Mitarbeiter hatte sich neben der Eingangstür erbrochen. Das Hoftor stand offen. Der Kollege des klagenden Arbeitnehmers wurde am Abend der Weihnachtsfeier auf dem Nachhauseweg von der Polizei aufgegriffen und wegen seiner starken Alkoholisierung zum Ausschluss einer Eigengefährdung nach Hause gefahren. Dieser Kollege räumte am 16.01.2023 gegenüber der Arbeitgeberin ein, „etwas Scheiße gebaut“ zu haben. Er bezahlte den Wein.
Die Reaktion der Arbeitgeberin auf das Trinkgelage
Die Arbeitgeberin hörte den Betriebsrat am 19.01.2023 an und kündigte nach dessen Zustimmung vom 23.01.2023 das Arbeitsverhältnis beider Arbeitnehmer fristlos und hilfsweise fristgerecht. Dagegen legte der Außendienstmitarbeiter Kündigungsschutzklage ein.
Das Arbeitsgericht Wuppertal (1 Ca 180/23) gab dieser Klage Recht. Es entschied, dass es ausgereicht hätte, das Verhalten des Arbeitnehmers abzumahnen.
Die Entscheidung
Das sah das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in der mündlichen Verhandlung anders. Eine Abmahnung sei hier im Hinblick auf die Schwere der Pflichtverletzung nicht ausreichend, um dem gezeigten Verhalten des Arbeitnehmers zu begegnen. Das Landesarbeitsgericht sah es als offensichtlich an, dass man als Mitarbeiter nach beendeter Weihnachtsfeier die Räume des Arbeitgebers gegen Mitternacht nicht mittels der Chipkarte eines Kollegen betreten dürfe, um dort unbefugt vier Flaschen Wein zu konsumieren. Es seien keine dem Kläger erkennbaren Anhaltspunkte ersichtlich, dass solch ein Verhalten seitens der Arbeitgeberin geduldet würden. Es stelle sich nur die Frage, ob das gezeigte Verhalten bereits eine fristlose Kündigung rechtfertige oder die Interessenabwägung zu einer ordentlichen Kündigung führe.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf musste diese Frage letztendlich nicht entscheiden, da sich die Parteien auf Vorschlag des Gerichts im Rahmen eines Vergleichs auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sozialer Auslauffrist bis zum 28.02.2023 einigten.
Fazit: Vorsicht bei Tringelagen
Als arbeitsvertragliche Pflichtenverletzung war hier nicht nur das Trinkgelage in Gestalt des Alkoholkonsums und des Vandalismus in den Betriebsräumen ausschlaggebend. Es war auch der Hausfriedensbruch durch das unbefugte Betreten des Betriebs gegen Mitternacht, sowie der Diebstahl in Form des Konsums des unternehmenseigenen Weins zu berücksichtigen. Dies alles führte im Zuge der Abwägung des Landesarbeitsgerichtes zur Einstufung als besonders schwerer Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten.