Trinkgelage nach Weihnachtsfeier führte zu fristloser Kündigung

Trinkgelage nach Weihnachtsfeier führte zu fristloser Kündigung

10. Oktober 2023 Abmahnung Kündigung Nebenpflichten 0

Ein Trink­gelage in der Weinkel­lerei ihrer Arbeit­ge­berin nach einer beendeten Weihnachts­feier hat bei zwei Arbeit­nehmern zur frist­losen Kündigung geführt. Das Landes­ar­beits­ge­richt Düsseldorf hatte sich mit der Frage zu beschäf­tigen, ob dieses Verhalten als wichtiger Kündi­gungs­grund ausreichte oder zuvor eine Abmahnung erfor­derlich gewesen wäre.

(Landes­ar­beits­ge­richt Düsseldorf Urteil vom 12.09.2023 – 3 Sa 284÷23−)
 

Grundsätzliches

 

Nebenpflichten im Arbeitsverhältnis

Die Haupt­pflicht des Arbeit­nehmers besteht natürlich in der Erbringung der Arbeits­leistung, wofür der Arbeit­geber als seine Haupt­pflicht Lohn zahlen muss. Zudem muss der Arbeit­geber auch Arbeit anbieten bzw. die Arbeits­leistung des Arbeit­nehmers annehmen.

Neben diesen Haupt­pflichten bestehen aber für beide Seiten auch noch Nebenpflichten.

Beide Parteien des Arbeits­ver­trages müssen auf die Rechte und Inter­essen des Vertrags­partners Rücksicht nehmen. So muss der Arbeit­nehmer im Rahmen seiner Loyalitäts‐ und Treue­pflicht sich im Betrieb so verhalten, dass der Vertrags­zweck optimal erreicht wird. Dazu gehören beispiels­weise die pünkt­liche und bestmög­liche Arbeits­leistung, recht­zeitige Krank­meldung, Verschwie­genheit – insbe­sondere über Betriebs­ge­heim­nisse -, die Wahrung der im Betrieb geltenden Verhal­tens­regeln und des Betriebs­friedens sowie der pfleg­liche Umgang mit den Arbeits­mitteln. Der Arbeit­nehmer muss, sofern es ihm möglich ist, Schaden vom Betrieb oder dem Arbeit­geber fernhalten.

Demge­genüber ist der Arbeit­geber verpflichtet, im Rahmen seiner Fürsor­ge­pflicht beispiels­weise den Arbeits­platz nach arbeits­ge­sund­heit­lichen Gesichts­punkten zu gestalten, Leben und Gesundheit des Arbeit­nehmers schützen, die Persön­lich­keits­rechte des Arbeit­nehmers zu wahren und zu schützen, Diskri­mi­nie­rungen vom Arbeit­nehmer fernzu­halten oder zu verfolgen, sowie einge­brachte Gegen­stände und Vermögen des Arbeit­nehmers zu schützen. 

 

Voraussetzung der fristlosen Kündigung

Eine fristlose Kündigung ist möglich, wenn es dem Arbeit­geber nicht zumutbar ist, das Arbeits­ver­hältnis unter Einhaltung der Kündi­gungs­frist zu beenden. Dazu muss ein „wichtiger Grund“ vorliegen, der unter Abwägung der Inter­essen beider Vertrags­par­teien und der Umstände des Einzel­falls ein Abwarten der Kündi­gungs­frist unzumutbar werden lässt. Dieser wichtige Grund liegt regel­mäßig in der erheb­lichen Verletzung arbeits­ver­trag­licher Pflichten. Diese können beispiels­weise in Straf­taten zulasten des Arbeit­gebers, unent­schul­digtem Fernbleiben der Arbeit, Belei­digung des Arbeit­gebers oder Kollegen, Alkohol­miss­brauchs oder der Störung des Betriebs­friedens liegen. 

(Weitere Infor­ma­tionen zur frist­losen Kündigung finden Sie hier und was Sie im Falle einer Kündigung zu tun ist können Sie hier lesen.)

 

Entbehrlichkeit der Abmahnung

Die fristlose Kündigung soll stets das letzte Mittel der Wahl (ultima ratio) sein, auf einen Pflich­ten­verstoß zu reagieren. So wird regel­mäßig von Arbeits­ge­richten geprüft, ob der frist­ge­mäßen oder frist­losen Kündigung eine Abmahnung voraus­gehen muss. Eine Abmahnung soll den Arbeit­nehmer warnen, dass sein gezeigtes Verhalten vom Arbeit­geber als Pflicht­verstoß gesehen wird und im Wieder­ho­lungsfall arbeits­recht­liche Konse­quenzen nach sich ziehen wird. Bei besonders schwer­wie­genden Pflich­ten­ver­stößen, bei denen von vorherein jeder davon ausgehen muss, dass der Arbeit­geber diese unter keinen Umständen dulden wird, braucht vor einer frist­losen Kündigung nicht abgemahnt werden.  Beispiele hierfür sind Selbst­be­ur­laubung, Vortäu­schen der Arbeits­un­fä­higkeit, Kapital­de­likte zulasten des Arbeit­gebers. Dennoch ist auch in solchen Fällen stets der konkrete Einzelfall zu betrachten.

 

Der Fall:

Ein Arbeit­nehmer war bei seit dem 1.6.2021 als Gebiets­ma­nager Mitte (NRW) im Außen­dienst bei einer in Süddeutschland ansäs­sigen Winzer­ge­nos­sen­schaft beschäftigt. Am 12.1.2023 fand dort eine Weihnachts­feier statt. Es gab zunächst eine Begrüßung mit Sekt im Betrieb. Danach fuhren die Beschäf­tigten gemeinsam mit einem Bus in ein externes Restaurant.

Gegen 23:00 Uhr fuhr dieje­nigen Beschäf­tigten, die dies wollten, zurück  zur firmen­ei­genen Kellerei. Der im hiesigen Fall klagende Arbeit­nehmer hatte sich dieser Gruppe angeschlossen. Die Fortsetzung der Weihnachts­feier war nicht vorge­sehen. Der klagende Arbeit­nehmer traf sich zunächst mit zwei weiteren Kollegen in einem ca. 500 m vom Betrieb entfernten Hotel, um dort gemeinsam eine Flasche Wein zu trinken. 

 

Das Trinkgelage

Danach gingen der klagende Arbeit­nehmer und ein weiterer Kollege zurück zum Betrieb ihrer Arbeit­ge­berin. Das Tor zum Betriebs­ge­lände öffneten sie mit der Zugangs­karte des Kollegen. Der klagende Arbeit­nehmer und sein Kollege, tranken im Aufent­haltsraum des Betriebs vier Flaschen Wein aus dem Lager­be­stand der Arbeit­ge­berin. Nach diesem Trink­gelage standen am nächsten Morgen die leeren Flaschen auf dem Tisch. Im Mülleimer befanden sich zahlreiche Zigaret­ten­stummel. Auf dem Fußboden lag eine zerquetschte Mandarine, die zuvor an die Wand geworfen worden war. Einer der beiden Mitar­beiter hatte sich neben der Eingangstür erbrochen. Das Hoftor stand offen. Der Kollege des klagenden Arbeit­nehmers wurde am Abend der Weihnachts­feier auf dem Nachhau­seweg von der Polizei aufge­griffen und wegen seiner starken Alkoho­li­sierung zum Ausschluss einer Eigen­ge­fährdung nach Hause gefahren. Dieser Kollege räumte am 16.01.2023 gegenüber der Arbeit­ge­berin ein, „etwas Scheiße gebaut“ zu haben. Er bezahlte den Wein.

 

Die Reaktion der Arbeitgeberin auf das Trinkgelage

Die Arbeit­ge­berin hörte den Betriebsrat am 19.01.2023 an und kündigte nach dessen Zustimmung vom 23.01.2023 das Arbeits­ver­hältnis beider Arbeit­nehmer fristlos und hilfs­weise frist­ge­recht. Dagegen legte der Außen­dienst­mit­ar­beiter Kündi­gungs­schutz­klage ein.

Das Arbeits­ge­richt Wuppertal (1 Ca 180/23) gab dieser Klage Recht. Es entschied, dass es ausge­reicht hätte, das Verhalten des Arbeit­nehmers abzumahnen. 

 

Die Entscheidung

Das sah das Landes­ar­beits­ge­richt Düsseldorf in der mündlichen Verhandlung anders. Eine Abmahnung sei hier im Hinblick auf die Schwere der Pflicht­ver­letzung nicht ausrei­chend, um dem gezeigten Verhalten des Arbeit­nehmers zu begegnen. Das Landes­ar­beits­ge­richt sah es als offen­sichtlich an, dass man als Mitar­beiter nach beendeter Weihnachts­feier die Räume des Arbeit­gebers gegen Mitter­nacht nicht mittels der Chipkarte eines Kollegen betreten dürfe, um dort unbefugt vier Flaschen Wein zu konsu­mieren. Es seien keine dem Kläger erkenn­baren Anhalts­punkte ersichtlich, dass solch ein Verhalten seitens der Arbeit­ge­berin geduldet würden. Es stelle sich nur die Frage, ob das gezeigte Verhalten bereits eine fristlose Kündigung recht­fertige oder die Inter­es­sen­ab­wägung zu einer ordent­lichen Kündigung führe.

Das Landes­ar­beits­ge­richt Düsseldorf musste diese Frage letzt­endlich nicht entscheiden, da sich die Parteien auf Vorschlag des Gerichts im Rahmen eines Vergleichs auf eine Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses mit sozialer Auslauf­frist bis zum 28.02.2023 einigten.

 

Fazit: Vorsicht bei Tringelagen

Als arbeits­ver­trag­liche Pflich­ten­ver­letzung war hier nicht nur das Trink­gelage in Gestalt des Alkohol­konsums und des Vanda­lismus in den Betriebs­räumen ausschlag­gebend. Es war auch der Hausfrie­dens­bruch durch das unbefugte Betreten des Betriebs gegen Mitter­nacht, sowie der Diebstahl in Form des Konsums des unter­neh­mens­ei­genen Weins zu berück­sich­tigen. Dies alles führte im Zuge der Abwägung des Landes­ar­beits­ge­richtes zur Einstufung als besonders schwerer Verstoß gegen die arbeits­ver­trag­lichen Pflichten. 

 

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