Darf ich mein Handy am Arbeitsplatz aufladen?

Nahezu jeder von uns hat stets ein Handy bei sich. So auch bei der Arbeit. Und das Mobil­te­lefon benötigt dann auch irgendwann wieder Strom. Also einfach das Ladekabel am Arbeits­platz in die Steckdose stöpseln und aufladen? Nicht unbedingt eine gute Idee. Dieses Verhal­tenas kann arbeits­recht­liche oder sogar straf­recht­liche Folgen mit sich bringen. Denn der Strom aus der Steckdose am Arbeits­platz ist ein Betriebs­mittel. Wenn dieser ohne Erlaubnis entwendet wird, macht sich der Arbeit­nehmer genau­ge­nommen sogar strafbar. Es kommt auf den Einzelfall und darauf an, was im Arbeits­vertrag vereinbart ist.

 

Strafrechtlich „Stromklau“

Straf­rechtlich gesehen kann das Aufladen des Smart­phones am Arbeits­platz ohne Erlaubnis des Arbeit­gebers eine Straftat in Gestalt von „unbefugtem Entziehen von Energie“ nach § 248c StGB darstellen. Umgangs­sprachlich ausge­drückt: „Stromklau“.

Denn der Strom am Arbeits­platz gehört in der Regel als Arbeits­mittel dem Arbeit­geber. Wenn man also ungefragt sein Privat­handy auflädt, entwendet man eine fremde beweg­liche Sache.

Straf­rechtlich ausge­drückt liegt unbefugtes Entziehen von Energie dann vor, wenn mittels eines Leiters, der zur ordnungs­ge­mäßen Entnahme von Energie aus der Anlage nicht bestimmt ist, Strom entnommen wird, um sich diesen – rechts­widrig – zuzueignen.

Das betrifft übrigens neben dem Handy auch alle anderen privaten Elektro­geräte, die der Arbeit­nehmer bei der Arbeit nutzt. Beispiels­weise also auch Venti­la­toren, Radio, Kaffee­ma­schinen, Wasser­kocher, etc.

Nun dürfte das Aufladen des Handys selten wirklich eine Straf­ver­folgung nach sich ziehen. Denn zum einen handelt es sich um ein Antrags­delikt. Das bedeutet, die Sache wird nicht automa­tisch von Amts wegen straf­rechtlich verfolgt, sondern nur dann, wenn der Geschä­digte – also der Arbeit­geber – einen Antrag auf Straf­ver­folgung stellt. Selbst wenn ein solcher Antrag gestellt würde, dürfte in solchen Fällen das Verfahren meistens wegen Gering­fü­gigkeit einge­stellt werden.

Denn ein einma­liges Aufladen des Handys dürfte nur sehr wenig Strom zu einem Bruchteil eines Centbe­trages brauchen. 

 

Arbeitsrechtlich von Abmahnung bis Kündigung

Aller­dings, auch wenn es als eine Bagatelle erscheint, es geht auch ums Prinzip. Und hier kommt der arbeits­recht­liche Aspekt des „Strom­klaus“ ins Spiel.

Denn wenn ein Arbeit­nehmer das Eigentum oder das Vermögen seines Arbeit­gebers verletzt, kann dies eine Abmahnung auslösen oder gar einen wichtigen Grund für eine ordent­liche Kündigung oder gar fristlose Kündigung darstellen.

 

Ist das Handy auzuladen nur eine bedeutungslose Bagatelle?

Dabei sollte sich der Arbeit­nehmer nicht darauf verlassen, dass der benötigte Strom für das Aufladen einen relativ gering­fü­gigen Umfang haben und damit der wirtschaft­liche Schaden mitunter sehr gering sein dürfte.

Denn auch bei Bagatell­de­likten geht das Bundes­ar­beits­ge­richt grund­sätzlich davon aus, dass selbst der kleinste Diebstahl ein Grund für eine fristlose Kündigung sein kann. [BAG – 2 AZR 36/03 -].

Aufgrund des Arbeits­ver­trages habe der Arbeit­nehmer eine Neben­pflicht zur Loyalität gegenüber dem Arbeit­geber und müsse besonders auf dessen Inter­essen Rücksicht nehmen. Diese Verpflichtung beinhalte zugleich das Verbot, den Arbeit­geber rechts­widrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Der Arbeit­nehmer breche durch die Eigen­tums­ver­letzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheb­licher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers. 

Die rechts­widrige und vorsätz­liche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeit­gebers sei stets, auch wenn die Sachen nur geringen Wert besitzen, als wichtiger Grund zur außer­or­dent­lichen Kündigung an sich geeignet.

[BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 36/03]

Der Abmahnungs‐ bzw. Kündi­gungs­grund liegt also darin, dass der Arbeit­nehmer das Vertrauen des Arbeit­gebers, der Arbeit­nehmer werde keine Straf­taten zulasten des Arbeit­gebers begehen, belastet oder gar erschüttert.

 

Abwägung

Entspre­chend sah es auch ein Arbeit­geber in einem Fall, den das Arbeits­ge­richt Oberhausen zu entscheiden hatte. [Arbeits­ge­richt Oberhausen, 4 Ca 1228/09]

Hier hat­te ein Ar­beit­neh­mer, der dem Un­ter­neh­men seit 14 Jah­ren an­gehörte, sein Mo­bil­te­le­fon im Be­trieb des Ar­beit­ge­bers oh­ne des­sen aus­drück­li­che Ge­neh­mi­gung an ei­ner ver­deck­ten Stel­le auf­ge­la­den. Der Wert des Stroms betrug 0,014 Cent.

Der Ar­beit­ge­ber sah im Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers, insbe­sondere in der Heimlichkeit des Aufladens, ein vorsätz­liches Vermögens­de­likt zu sei­nen Las­ten und kündig­te das Ar­beits­verhält­nis fristlos.

Das Verfahren endete aller­dings mit einem Vergleich, so dass das Arbeits­ge­richt hierzu keine Entscheidung zu veröf­fent­lichen hatte. Ob das Arbeits­ge­richt die fristlose Kündigung für recht­mäßig gehalten hätte ist aller­dings fraglich.

Denn wie bei jedem Kündi­gungs­grund müssen im Einzelfall die Inter­essen beider Seiten abgewogen werden, ob eine Weiter­be­schäf­tigung oder zumindest die Einhaltung der Kündi­gungs­frist dem Arbeit­geber zumutbar ist oder ob eine Abmahnung ausreichen würde, das vertrags­widrige Verhalten zu beenden. Hier spielt es dann natürlich auch eine Rolle, wie schwer­wiegend der Vertrau­ens­bruch war. Also, welches Ausmaß der Strom­entzug hatte und ob es bereits weitere Vertrau­ens­brüche im Arbeits­ver­hältnis gab oder ob das Arbeits­ver­hältnis schon lange unbean­standet bestand.

 

Kündigung ist „ultima ratio“, das letzte Mittel

Wenn es wegen des unbefugten Aufladen des Handys vor Gericht gehen sollte, dürften die Arbeits­ge­richte meistens zunächst eine Abmahnung als milderes Mittel vor einer Kündigung sehen. Der Arbeit­geber soll vor einer Kündigung klar stellen, dass er das Verhalten der Arbeit­nehmer als Pflich­ten­verstoß ansieht. Die Kündigung darf immer nur das letzte Mittel sein.

Wurde jedoch wegen des unerlaubten Handy­auf­ladens, eine Abmahnung erteilt und der Arbeit­nehmer lädt sein  Handy trotzdem auf, kann ihm im Wieder­ho­lungsfall deswegen auch eine Kündigung drohen. Zumindest, wenn deutlich wird, dass der Arbeit­nehmer trotz Kenntnis des Pflich­ten­ver­stoßes sein Verhalten fortsetzen wird.

 

Besteht eine Erlaubnis oder Duldung, das Handy aufzuladen?

Bei der Frage, ob die Strom­ent­nahme durch das Aufladen des Handys ein Pflich­ten­verstoß ist, muss natürlich auch berück­sichtigt werden, ob das Aufladen vielleicht sogar vom Chef erlaubt oder geduldet ist.

Denn die Nutzung des privaten Handys während der Arbeitszeit, sowie das Aufladen könnten im Arbeits­vertrag oder in einer Betriebs­ver­ein­barung geregelt sein. In dem Fall läge kein arbeits­ver­trag­licher Pflich­ten­verstoß vor.

Wenn dagegen Nutzung und Aufladen des Privat­handys ausdrücklich untersagt ist, wiegt das natürlich schwerer, als wenn es keine Regelung gibt und eigentlich keiner im Betrieb so richtig weiß, ob es erlaubt ist.

Zudem ist zu beachten: Wenn der Arbeit­geber mitbe­kommt, dass seine Arbeit­nehmer ständig ihre Privat­handys und andere Geräte an betriebs­ei­genen Steck­dosen aufladen und er nichts dagegen unter­nimmt, duldet er die Strom­ent­nahme mögli­cher­weise konkludent.

Von diesen Grund­sätzen ging auch das Landes­ar­beits­ge­richt Hamm (Westfalen) in seinem Urteil vom 2. September 2010 aus. Der Streit betraf das Aufladen eines Elektro­rollers mit Strom in einem Wert von ca. 1,8 Cent ging.

Auch die Verlet­zungs­handlung von Sachen von geringem Wert sei an sich als Grund für eine außer­or­dent­liche Kündigung geeignet.

Im Rahmen der Inter­es­sen­ab­wägung sei es aber zu berück­sich­tigen, wenn im Betrieb des Arbeit­gebers der private Verbrauch von Strom gängig ist, das heißt zahlreiche privat mitge­führte elektro­nische Gegen­stände betrieben werden, wie Kaffee­ma­schinen, Radios und Mikro­welle und darüber hinaus Handys aufge­laden werden.

Da ein Strom­ver­brauch zu privaten Zwecken im streit­ge­gen­ständ­lichen Betrieb unterhalb einer bestimmten Schwelle toleriert wurde, sah das Landes­ar­beits­ge­richt in diesem Fall eine Abmahnung als ausrei­chend und die ausge­spro­chene fristlose Kündigung als unrecht­mäßig an.

[Landes­ar­beits­ge­richt Hamm (Westfalen), Urteil vom 2. September 2010 – 16 Sa 260/10 –)]

Duldet der Arbeit­geber also das Aufladen des Privat­handys mit betriebs­ei­genem Strom, kann er nicht ohne Vorwarnung die Strom­ent­nahme plötzlich als Pflich­ten­verstoß werten und deswegen eine Kündigung aussprechen.

 

Untersagung das Handy auzuladen für die Zukunft möglich

Der Arbeit­geber kann aber das von ihm bemerkte Aufladen des Handys jederzeit für die Zukunft unter­sagen, ohne dies begründen zu müssen. Aller­dings sollte dies dann natürlich für alle Arbeit­nehmer gleicher­maßen gelten und keines­falls als Maßre­gelung eines einzelnen Arbeit­nehmers einge­setzt werden.

Bei der Unter­sagung muss der Arbeit­geber nicht einmal den Betriebsrat betei­ligen. So hat das Bundes­ar­beits­ge­richt im Falle einer Unter­sagung der Nutzung des Privat­handys während der Arbeitszeit kein Mitbe­stim­mungs­recht des Betriebs­rates gesehen.

[BAG, Beschluss vom 17. Oktober 2023 – 1 ABR 24/22] 

 

Bei mutmaßlicher Duldung, das Handy aufzuladen, kann fristlose Kündigung unbegründet sein

In einem Fall, den das Arbeits­ge­richt Duisburg mit Urteil vom 10. März 2023  [- 5 Ca 138/22 –] entschieden hat, sah das Arbeits­ge­richt die Kündigung entspre­chend als unrecht­mäßig an.

Ein Arbeit­nehmer hatte sein Hybridauto mindestens einmal, vermutlich aber mehrmals, an einer 220 Volt Steckdose in den Räumen der Arbeit­ge­berin aufge­laden. Dies verstieß sogar gegen die Hausordnung der Arbeitgeberin.

Die Arbeit­ge­berin hatte das Aufladen von Privat­handys, Tablets, E‑Rollern, E‑Bikes  und anderen privaten Elektro­ge­räten über längere Zeit geduldet. Auf das Aufladen des Hybrid­autos hatte sie aber mit einer frist­losen Kündigung ohne vorherige Abmahnung reagiert.

Das Arbeits­ge­richt sah im Aufladen zwar durchaus grund­sätzlich einen wichtigen Kündi­gungs­grund. Im Rahmen der Inter­es­sen­ab­wägung wertete das Gericht jedoch die Duldung des Aufladens kleinerer Elektro­geräte zumindest als große Unsicherheit darüber, ob auch ein Aufladen eines Hybrid­autos erlaubt oder verboten sei. Auch wenn es sich bei einem Hybridauto um ein größeres elektro­ni­sches „Gerät“ als bei einem Handy handelte, habe es dem Arbeit­nehmer nicht ohne Weiteres klar sein müssen, dass der Arbeit­geber dieses Verhalten nicht dulden und den Arbeits­vertrag kündigen würde. So hätte es vor einer Kündigung einer Abmahnung bedurft, um klarzu­stellen, dass bei diesem konkreten Verhalten von einem Pflich­ten­verstoß ausge­gangen werde.

Der Streit ging zwar noch eine Instanz weiter. Jedoch verglichen sich die Parteien im Rahmen der Berufung vor dem Landes­ar­beits­ge­richt Düsseldorf [- 8 Sa 244/23‐] wie kürzlich in einer Presse­mit­teilung veröf­fent­licht wurde.

 

Diensthandy und dienstlich genutztes Handy; Erlaubnis

Anders zu beurteilen ist es natürlich, wenn der Arbeit­nehmer ein Dienst­handy benutzt.  Dann dürfte die betrieb­liche Strom­nutzung wohl impli­ziert sein. Denn der Arbeit­geber muss üblicher­weise auch für die Betriebs­be­reit­schaft des Handys als Arbeits­mittel Sorge tragen und ein Aufladen ermög­lichen, es sei denn dies ist ausdrücklich im Arbeits­vertrag ausge­schlossen. Dann könnte aller­dings auch eine finan­zielle Kompen­sation vereinbart sein, um den Arbeit­nehmer nicht unange­messen zu benachteiligen.

Etwas schwie­riger könnte es sein, wenn der Arbeit­nehmer sein Privat­handy, geduldet, mögli­cher­weise gar auf Anordnung des Chefs, auch dienstlich nutzt. Dann könnte man ohne ein ausdrück­liches Verbot des Arbeit­gebers von einem still­schwei­gendem Einver­ständnis des Arbeit­gebers, das Handy mit betriebs­ei­genem Strom aufzu­laden, ausgehen. Wünscht der Arbeit­geber nicht, dass der Arbeit­nehmer zu Dienst­zwecken sein Privat­handy mit Betriebs­strom lädt, muss er dies klarstellen.

Es würde aller­dings unbillig erscheinen, wenn der Arbeit­geber einer­seits von der Nutzung des Privat­handys des Arbeit­nehmers im Rahmen dessen Tätigkeit profi­tiert und anderer­seits nicht einver­standen wäre, wenn das Handy mit Betriebs­strom geladen würde. Es kommt halt darauf an, ob der Arbeit­geber weiß, dass das Privat­handy zur arbeits­ver­trag­lichen Tätigkeit genutzt wird und dies duldet.

Am Eindeu­tigsten ist es natürlich, wenn man den Chef vor dem ersten Aufladen des Privat­handys fragt, ob er dies auch erlaubt. Denn ein Verhalten, das erlaubt ist, stellt keinen Pflich­ten­verstoß dar. Solche Erlaub­nisse können auch im Arbeits­vertrag oder in Betriebs­ver­ein­ba­rungen festgelegt sein.

 

Fazit:

Ist das Aufladen von privaten Handys im Arbeits­vertrag oder in einer Betriebs­ver­ein­barung oder ander­weitig ausdrücklich erlaubt, kann man dies tun.

Ungefragtes, gar heimliches Aufladen des Privat­handys kann dagegen einen arbeits­recht­lichen Pflich­ten­verstoß darstellen und eine Abmahnung oder Kündigung nach sich ziehen.

Wurde eine Kündigung ausge­sprochen, kommt es immer auf die Inter­es­sen­ab­wägung im Einzelfall an.

Wenn das Aufladen des Privat­handys nicht ausdrücklich erlaubt ist, empfiehlt es sich, den Chef zu fragen, ob es in Ordnung ist, das Handy am Arbeits­platz aufzu­laden. Keines­falls sollte man das Aufladen heimlich vornehmen. Wenn es ausdrücklich untersagt ist, ist es sicherer, sich eine Powerbank von zu Hause mitzu­nehmen und das Privat­handy darüber aufzuladen.

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