Wenn mal wieder viel zu viel zu tun ist, kann es aus Sicht des Arbeitgebers ein probates Mittel sein, Überstunden anzuordnen, um die angefallenen dringenden Arbeiten erledigt zu bekommen. Aber darf der Arbeitgeber einfach so Überstunden anordnen? Und muss der Arbeitnehmer die dann leisten? Stellt es eine Arbeitsverweigerung dar, auf die eine Kündigung folgen kann, wenn die Mehrarbeit nicht geleistet wird?
Unter Überstunden versteht man die Arbeitsstunden, die über die im Rahmen des Arbeitsvertrages vereinbartenregelmäßigen Arbeitsstunden hinausgehen. Die Bezeichnung Mehrarbeit wird oft synonym zu Überstunden verwendet, bezeichnet aber eigentlich die Arbeitszeit, die über die gesetzlich zulässige Höchstarbeit hinausgeht.
Vertrag oder Notfallsituation
Eine gesetzliche Verpflichtung zu Mehrarbeit bzw. Überstunden gibt es grundsätzlich nicht. Im Allgemeinen schuldet ein Arbeitnehmer nur die Arbeitsleistung während der Regelarbeitszeit. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können aber im Arbeitsvertrag Regelungen getroffen haben, ob und wenn ja, wie viele Überstunden zu leisten sind. Ebenso können Überstundenregelungen durch Tarifvertrag bestimmt sein.
Wenn es keine arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Regelung gibt, muss der Arbeitnehmer grundsätzlich auch keine Überstunden leisten, es sei denn, der Arbeitgeber bzw. der Betrieb befindet sich in einer Notlage, der nicht anders, als durch Mehrarbeit, begegnet werden kann.
Dann kann der Arbeitgeber im Wege seines Direktionsrechtes Überstunden anordnen, um die drohende Gefahr eines Schadenseintrittes für den Betrieb abzuwenden, das heißt eine akut bevorstehende oder bereits andauernde Gefährdungssituation zu verhindern. Es muss sich um eine betriebliche Situation aufgrund unvorhersehbarer äußerer Ereignisse handeln, z.B. Unfälle, Naturkatastrophen oder Produktionsausfall. Dann hat der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben eine Pflicht zur Mehrarbeitsleistung, um Schaden vom Betrieb abzuhalten.
Voraussetzungen für Mehrarbeit
Aber auch wenn Überstunden aufgrund ausdrücklicher Regelung oder aus einer Notlage heraus angeordnet werden dürften, muss dies im Rahmen der arbeitsschutzrechtlichen Gesetze erfolgen.
1) Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes
So müssen nach § 4 ArbZG die Pausenzeiten von 30 Minuten bei mehr als sechs Stunden Arbeit und 45 Minuten bei mehr als neun Stunden Arbeit eingehalten werden. Zwischen den einzelnen Arbeitstagen muss nach § 5 ArbZG eine Ruhezeit von elf Stunden möglich sein (Ausnahmen sind für einzelne Gewerbe und Arbeitsbereiche möglich). Wird die gesetzliche Höchstarbeitszeit durch die Überstunden überschritten, besteht ein Beschäftigungsverbot. Ausnahmen durch Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge sind möglich.
2) Bestimmte Personengruppen können von Überstunden ausgenommen sein
- werdende oder stillende Mütter dürfen nicht zu Überstunden herangezogen werden (§ 8 MuSchG)
- Schwerbehinderte Mitarbeiter können sich von Mehrarbeit befreien lassen
- Jugendliche unter 18 Jahren während der Ausbildung (Ausnahme § 21 JarbSchG)
3) Betriebsrat
Gegebenenfalls ist die Zustimmung vom Betriebsrat einholen (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Zumindest dann, wenn die Anordnung von Mehrarbeit oder die Mehrarbeitsregelung sogenannten kollektiven Bezug hat, also mehrere Arbeitnehmer betrifft. Kommt zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat keine Einigung zustande, ist die Anordnung von Überstunden unwirksam. Der Arbeitnehmer kann dann die Leistung von Überstunden verweigern.
4) Abwägung berechtigten Interesses
Der Arbeitgeber muss ein berechtigtes Interesse daran haben, dass die Überstunden geleistet werden. Dies ist regelmäßig dann gegeben, wenn die Erledigung der Aufgaben dringend geboten ist, um Schäden vom Betrieb abzuwenden.
Der Arbeitgeber muss aber auch die Belange seiner Arbeitnehmer berücksichtigen. Auch ein Arbeitnehmer hat grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an bestimmten Arbeitszeiten und planbarer, störungsfreier Freizeit.
So muss abgewogen werden, ob die Interessen des Arbeitgebers an Überstunden dem privaten Interesse des Arbeitnehmers an Freizeit überwiegen.
Kann der Arbeitsvertrag gekündigt werden, wenn Mehrarbeit / Überstunden verweigert werden?
Verweigert der Arbeitnehmer die Überstunden, obwohl dies arbeitsvertraglich oder durch Tarifvertrag vereinbart ist, eine anerkannte Notfallsituation vorliegt und auch kein sonstiger Verweigerungsgrund besteht, liegt eine Arbeitsverweigerung vor. Diese kann zu einer Abmahnung führen und im Wiederholungsfall auch eine ordentliche Kündigung rechtfertigen.
Die Anordnung von Mehrarbeit stellt eine Sonderverpflichtung dar, die über den arbeitsvertraglich vorgesehenen Regelumfang der Arbeitsverpflichtung hinausgeht. Dies muss im Rahmen einer Interessenabwägung berücksichtigt werden. So wiegt eine Arbeitsvertragsverletzung in Form der unberechtigten Nichtableistung von Mehrarbeit weniger schwer, wenn ein Arbeitnehmer in der Vergangenheit bereits häufig Mehrarbeit geleistet hat und sich das erste Mal weigert. Lehnt der Arbeitnehmer häufig oder generell rechtmäßig angeordnete Überstunden ab, wiegt die Arbeitsvertragsverletzung schwerer.
Weigert sich der Arbeitnehmer beharrlich, Überstunden zu leisten, kann im Extremfall sogar eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. Beharrlichkeit bedeutet, dass der Arbeitnehmer wiederholt, bewusst und nachhaltig seine Arbeitspflicht verletzt. Es muss dadurch Anlass zur Annahme bestehen, dass er auch in Zukunft seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen wird.
Hinzuweisen ist darauf, dass die Vereinbarung von Teilzeit Mehrarbeit ausschließt, auch wenn die Teilzeitvereinbarung keine ausdrückliche Regelung enthält. Ständige tatsächliche Mehrarbeit kann aber eine konkludente Vertragsänderung bewirken.
Wird Mehrarbeit vergütet?
Ob die Überstunden bezahlt werden, hängt zunächst einmal davon ab, ob die Mehrarbeit vom Arbeitgeber angeordnet wurde. Ein Arbeitnehmer hat also keinen Anspruch auf zusätzliche Entlohnung, wenn er freiwillig Überstunden macht. Allerdings können Überstunden auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten des Arbeitgebers angeordnet werden. Beispielsweise dann, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zu weist, die unter Berücksichtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nur durch die Leistung von Überstunden bewältigt werden kann.
Sind die Überstunden angeordnet, so müssen sie auch bezahlt werden. Unbezahlte Überstunden sind nicht zulässig. Üblicherweise richtet sich die Vergütung von Mehrarbeit oder ein entsprechender Freizeitausgleich nach dem jeweils geltenden Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Individualarbeitsvertrag.
Ohne vertragliche Regelung
Gibt es keine vertragliche Regelung, so gilt eine Vergütung für die Überstunden gemäß § 612 Abs. 1 BGB in der Regel als stillschweigend vereinbart, wenn diese den Umständen nach, also entsprechend der Verkehrssitte, Art, Umfang und Dauer der Dienstleistungen objektiv zu erwarten ist. Das heißt: Wird in den Überstunden die gleiche Tätigkeit ausgeübt, wie sie auch während der vertraglichen Arbeitszeiten verrichtet wird, so ist auch die dafür übliche Vergütung pro geleisteter Arbeitsstunde zu zahlen.
Mit vertraglicher Regelung
In vielen Arbeitsverträgen werden Regelungen zu Überstunden getroffen. Der Arbeitgeber hat natürlich grundsätzlich ein Interesse daran, dass Überstunden pauschal mit dem vereinbarten Gehalt abgegolten sind. Diese Abgeltung ist aber nicht grenzenlos möglich.
Regelungen zu Überstunden sollten „transparent“, also vor allem klar und verständlich sein. Dazu muss sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergeben, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (BAG, Urteil vom 1. September 2010 – 5 AZR 517/09 –). Klauseln, die dies nicht leisten, sind unwirksam und fallen ersatzlos weg.
Zudem sollte eine hinreichend bestimmte, angemessene Höchstgrenze von Überstunden festgelegt sein, die abgegolten werden sollen. Überstunden, die über die Höchstgrenze hinausgehen, werden nach § 612 BGB ausgeglichen, wenn für die Tätigkeit üblicherweise eine Vergütung zu zahlen ist. Aus Gründen der Transparenz ist die Höchstzahl der erfassten Überstunden innerhalb eines festgelegten Zeitraums ausdrücklich zu regeln. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Abgeltungsklauseln jedenfalls nicht die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes überschreiten dürfen. Unzulässige Mehrarbeit, die über das Maß des § 3 ArbZG hinausgeht, ist gemäß § 612 Abs. 1 BGB jedenfalls zu vergüten.
Eine feste absolute Höchstgrenze für Pauschalabgeltungen ist vom Bundesarbeitsgericht noch nicht abschließend bestimmt worden. Diskutiert werden aber Höchstgrenzen für Pauschalabgeltungen, die für Überstunden, die zwischen 10% und 25 % der pro Monat vereinbarten Normalarbeitszeit liegen.
Formulierungen, welche die Bezahlung der Überstunden als grundsätzlich mit Gehalt abgegolten vereinbaren – „Mit dem Gehalt sind alle Überstunden abgegolten“ – sind intransparent und daher nicht zulässig.
Zulässig ist aber „Mit dem Gehalt sind bis zu (Anzahl) Überstunden pro Woche im Jahresdurchschnitt abgegolten. Darüberhinausgehende Überstunden werden in Form von Zeitausgleich oder jeweils anteilige Vergütung abgegolten“.
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