Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes

Das Kündi­gungs­schutz­gesetz soll Arbeit­nehmer vor sozial ungerecht­fer­tigten frist­ge­mäßen Kündi­gungen schützen und den Bestand des Arbeits­ver­hält­nisses gewähr­leisten. Nach einer Wartezeit von 6 Monaten beschränkt es die Freiheit des Arbeit­gebers ein Arbeits­ver­hältnis einseitig zu beenden. So ist in größeren Betrieben ab 11 Arbeit­nehmern ist für die ordent­liche Kündigung das Vorliegen eines gesetz­lichen Kündi­gungs­grunds erforderlich.

Ob das Kündi­gungs­schutz­gesetz anwendbar ist, regeln im Wesent­lichen die §§ 1 und 23 des Kündi­gungs­schutz­ge­setzes. Danach gilt das Kündi­gungs­schutz­gesetz für

  • Arbeit­nehmer,
  • in Betrieben, die keine Klein­be­trieb sind,
  • wenn die Wartezeit von 6 Monaten erfüllt ist und
  • eine ordent­liche Kündigung erteilt wurde.
 

Arbeitnehmer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes

Unter Arbeit­nehmern im Sinne des Kündi­gungs­schutz­ge­setzes werden nach § 611a Absatz 1 BGB Personen verstanden, die aufgrund eines privat­recht­lichen Vertrages für jemand anderen fremd­be­stimmte Arbeit verrichten müssen. Sie müssen persönlich vom Arbeit­geber abhängig und weisungs­ge­bunden sein. Das bedeutet, dass der „Chef“ bestimmen kann, auf welche Art und Weise die Arbeit durch­ge­führt wird. Auch die Arbeitszeit, die Arbeits­dauer und den Arbeitsort kann der Arbeit­geber bestimmten, beispiels­weise durch einen Dienstplan. Der Arbeit­nehmer darf dies nicht unabhängig entscheiden. Der Umfang dieser Weisungs­ge­bun­denheit ist einer der möglichen Anhalts­punkte für eine persön­liche Abhängigkeit.

Arbeit­nehmer ist derjenige Mitar­beiter, der nicht im Wesent­lichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann“ (BAG, Urteil vom 25. September 2013 – 10 AZR 282/12

Zudem kommen die Einglie­derung in die betrieb­liche Organi­sation und das Maß der wirtschaft­lichen Abhän­gigkeit als Indizien für eine persön­lichen Abhän­gigkeit in Frage.

Ob eine persön­liche Abhän­gigkeit besteht, wird daran beurteilt, wie das Arbeits­ver­hältnis tatsächlich ausge­staltet ist und durch­ge­führt wird, nicht anhand der Bezeichnung im Vertrag. Das Gesetz gibt dazu vor, dass für die Feststellung, ob ein Arbeits­vertrag vorliegt, eine „Gesamt­schau aller Umstände“ vorzu­nehmen ist. 

 

„Arbeitnehmerähnliche“ Personen

Das Kündi­gungs­schutz­gesetz ist nicht auf arbeit­neh­mer­ähn­liche Personen anwendbar. Dies sind Personen, die für den Arbeit­geber Arbeit verrichten und wirtschaftlich von diesem abhängig sind. Sie sind aber nicht persönlich vom Arbeit­geber abhängig und dürfen selbst entscheiden, wie, wann und wo sie die Arbeit ausführen. Auf freie Mitar­beiter, die weder wirtschaftlich noch persönlich vom Arbeit­geber bzw. Auftrag­geber abhängig sind, ist das Kündi­gungs­schutz­gesetz ebenfalls nicht anwendbar. Sind sie aller­dings nur dem Namen nach „freie Mitar­beiter“, tatsächlich aber wirtschaftlich vom Auftrag­geber abhängig, wären sie sogenannte „Schein­selb­ständige“. Dann wäre das Kündi­gungs­schutz­gesetz auf sie anwendbar.

 

Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes; kein Kleinbetrieb

Das Kündi­gungs­schutz­gesetz gilt für „Betriebe“. Dieser Begriff ist nicht unbedingt mit dem des Unter­nehmens gleichzusetzen.

 

Betrieb

Als Betrieb wird eine organi­sa­to­rische Einheit verstanden, in welcher der Arbeit­geber selbst oder mit seinen Angestellten unter Zuhil­fe­nahme techni­scher und immate­ri­eller Mittel bestimmte  arbeits­tech­nische Zwecke verfolgt, die sich nicht in der Befrie­digung von Eigen­bedarf erschöpfen. (BAG, Beschluss vom 17. Februar 1981 – 1 ABR 101/78 –). In perso­nellen und sozialen Angele­gen­heiten muss die Arbeit­ge­ber­funktion von der selben Leitung ausgeübt werden.

 

Unternehmen

Als Unter­nehmen versteht man die organi­sa­to­rische Einheit in der ein Unter­nehmer ein hinter dem arbeits­tech­ni­schen Zweck des Betriebes stehenden – meist wirtschaft­lichen – Zweck verfolgt.

Unter­nehmen kann aus mehreren Betrieben oder Betriebs­teilen bestehen. Mehrere Unter­nehmen können auch gemeinsam einen Betrieb führen. Dann spricht man von einem Gemeinschaftsbetrieb.

 

Betriebsgröße und Kleinbetriebe

Nach § 23 KSchG gilt das Kündi­gungs­schutz­gesetz für Betriebe, in denen in der Regel mehr als 10 Arbeit­nehmer beschäftigt sind. Betriebe, die nur 9 Arbeit­nehmer beschäf­tigen werden als „Klein­be­triebe“ bezeichnet. Auf sie wird das Kündi­gungs­schutz­gesetz nicht angewendet. Denn der Gesetz­geber wollte kleineren Unter­nehmen bzw. Betrieben die Angst vor unkünd­baren Mitar­beitern nehmen. Daher sind sie von den strikten Kündi­gungs­schutz­regeln des Kündi­gungs­schutz­ge­setzes auszunehmen.

Wurde das Arbeits­ver­hältnis vor dem 1. Januar 2004 geschlossen, gilt noch eine Grenze von 5 Beschäf­tigten, um ein Klein­be­trieb zu sein.

Bei der Feststellung der Anzahl der beschäf­tigten Arbeit­nehmer werden die zu ihrer Berufs­bildung Beschäf­tigten (Auszu­bil­dende und Prakti­kanten) nicht mitge­zählt. Teilzeit­be­schäf­tigte mit einer wöchent­lichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden zählen mit 50 %. Teilzeit­be­schäf­tigte mit einer Arbeitszeit von nicht mehr als 30 Stunden pro Woche zählen zu 75%. 

 

In Kleinbetrieben kein besonderer Kündigungsgrund

In Klein­be­trieben ist eine Kündigung ohne Vorliegen eines beson­deren Kündi­gungs­grundes ordentlich, also innerhalb der gesetz­lichen bzw. arbeits­ver­trag­lichen Frist, möglich. Es gibt dann nur einen ganz grund­sätz­lichen Kündi­gungs­schutz unter dem Gesichts­punkt sozialer Rücksicht­nahme. Zumindest soll eine Kündigung nicht willkürlich, aus sachfremden Gründen erfolgen.

Auch wenn nicht die strengen Kriterien des Kündi­gungs­schutz­ge­setzes heran­ge­zogen werden, muss es für die Kündigung wenigstens einen „irgendwie einleuch­tenden Grund“ geben.  Sonst könnte die Kündigung gegen Treu und Glauben verstoßen.

Der Vorwurf willkür­licher, sachfremder oder diskri­mi­nie­render Ausübung des Kündi­gungs­rechts scheidet dagegen aus, wenn ein irgendwie einleuch­tender Grund für die Rechts­aus­übung vorliegt.

(BAG 25. April 2001 – 5 AZR 360/99 -)

Man würde daher der Frage nachgehen, ob und wie weit ein Arbeit­nehmer darauf vertrauen durfte, dass sein Arbeits­ver­hältnis fortbe­stehen würde. So soll beispiels­weise ein langjäh­riger Mitar­beiter wegen einma­liger, margi­naler Fehler nicht gleich einer Kündigung des Arbeits­vertrag und damit einer existen­ziell schwie­rigen Lage ausge­setzt sehen. In solch einem Fall könnte eine Kündigung gegen Treu und Glauben verstoßen. Der in § 242 BGB nieder­ge­legte Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechts­lagen und Rechts­normen immanente Inhalts­be­grenzung. Eine gegen diesen Grundsatz versto­ßende Rechts­aus­übung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist wegen der darin liegenden Rechts­über­schreitung unzulässig. (BAG, Urteil vom 28. August 2003 – 2 AZR 333/02 –)

Der Arbeit­nehmer muss beweisen, dass die Kündigung treuwidrig war.

 

Welche Mitarbeiter werden für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes gezählt?

Wie erwähnt, werden Auszu­bil­dende und Prakti­kanten bei der Frage nach der Betriebs­größe nicht mitge­zählt. Darüber hinaus werden auch Mitar­beiter in Elternzeit, solange ein Vertreter für sie einge­setzt ist, nicht mitge­zählt, außer, dieser ist selbst nicht mitzuzählen. 

(Mehr zur Mitar­beitern in Elternzeit können Sie hier lesen. )

Ferner sind Fremd­ge­schäfts­führer nicht mitzuzählen.

Werden viele Aushilfs­kräfte mit befris­teten Arbeits­ver­trägen beschäftigt, zählt die durch­schnitt­liche Anzahl der an einem Arbeitstag beschäf­tigten Aushilfskräfte.

 

Geltungsbereich ist auf deutsche Betriebe beschränkt

Das Kündi­gungs­schutz­gesetz ist nach dem Terri­to­ri­al­prinzip nur für Betriebe, die in Deutschland liegen, anzuwenden. (BAG, Urteil vom 24. Mai 2018 – 2 AZR 54/18 –)

 

Wartezeit

Der Kündi­gungs­schutz des Kündi­gungs­schutz­ge­setzes greift erst nach 6 Monaten der ununter­bro­chenen Zugehö­rigkeit zum Betrieb. Maßgeblich ist die Zeit, in der das Arbeits­ver­hältnis mit demselben Arbeit­geber recht­lichen Bestand hatte. Die Frist beginnt ab dem ersten Tag des verein­barten Arbeits­be­ginns unabhängig davon, ob die Arbeit an diesem Termin wirklich angetreten wird. Die Wartezeit verlängert sich nicht, wenn das Ende der Frist auf einen Sonntag oder Feiertag fällt. Zur Wartezeit wird auch das Berufs­aus­bil­dungs­ver­hältnis angerechnet, aber keine Praktikumszeiten.

Eine Unter­bre­chung der Betriebs­zu­ge­hö­rigkeit liegt ausnahms­weise nicht vor, wenn ein Arbeits­ver­hältnis rechtlich beendet und kurz danach ein neues Arbeits­ver­hältnis mit denselben Vertrags­par­teien begründet wird und ein enger sachlicher Zusam­menhang besteht. Denn so könnte der Kündi­gungs­schutz geset­zes­widrig umgangen werden.

Im Arbeits­vertrag kann vereinbart werden, dass die Wartezeit kürzer als die gesetzlich vorge­schriebene sein soll.

 

Ordentliche Kündigung

Das Kündi­gungs­schutz­gesetz ist grund­sätzlich nur auf ordent­liche – das bedeutet frist­gemäße – Kündi­gungen anwendbar. Die fristlose Kündigung wird gemäß § 13 Abs. 1 KschG größten­teils nicht durch das Kündi­gungs­schutz­gesetz berührt. In einem wesent­lichen Punkt ist das Kündi­gungs­schutz­gesetz aber auch auf außer­or­dent­liche – fristlose – Kündi­gungen anzuwenden.

Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist auch Kündi­gungs­schutz­klage gegen eine fristlose Kündigung die Frist nach § 4 KSchG von drei Wochen nach Zustellung der Kündigung unbedingt einzuhalten.

Wird die Klage nicht drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeits­ge­richt einge­reicht, ist gegen die Kündigung nahezu nichts mehr zu unternehmen. 

Fazit:

Will man gegen eine Kündigung klagen, muss man immer die Drei‐Wochen‐Frist einhalten. Der besondere Kündi­gungs­schutz des Kündi­gungs­schutz­ge­setzes bei einer frist­ge­mäßen Kündigung gilt aber nur für Arbeit­nehmer eines deutschen Betriebes, der kein Klein­be­trieb ist, die ihre Wartezeit von 6 Monaten ununter­bro­chener Zugehö­rigkeit erfüllt haben.

Eine Kündigung muss man nicht kampflos hinnehmen!
Rechts­anwaltJan Böhm

Gegen eine Kündigung kann man sich in vielen Fällen wehren!

Eine entspre­chende Kündi­gungs­schutz­klage muss aber innerhalb von drei Wochen beim Arbeits­ge­richt eingehen. Eine Frist­ver­län­gerung ist nur in ganz seltenen Fällen möglich.

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