Darf der Arbeitgeber die E-Mails seiner Angestellten mitlesen?

Ob der Arbeit­geber die E‑Mails seiner Angestellten mitlesen darf, ist für beide Seiten des Arbeits­ver­hält­nisses wichtig zu wissen. Für den Arbeit­nehmer geht es um den Schutz seiner Privat­sphäre am Arbeits­platz. Der Arbeit­geber wird hingegen zwar selten ein Interesse am Mitlesen privater E‑Mails seiner Mitar­beiter haben. Begehr­lich­keiten an dem E‑Mail‐Verkehr über die dienst­lichen E‑Mail‐Konten entstehen aber für gewöhnlich zur Sicher­stellung des Unter­neh­mens­be­triebs. Zum einen kann das Mitlesen von E‑Mails der Kontrolle dienen, dass Mitar­beiter ihre Arbeit ordentlich erledigen. Zum anderen dürfte es, wenn ein Arbeit­nehmer erkrankt, sich im Urlaub befindet oder aus anderen Gründen abwesend ist und die E‑Mails auf seinem Geschäfts­konto nicht abrufen kann, zur Aufrecht­erhaltung des Geschäfts­be­triebs erfor­derlich sein, dass der Arbeit­geber bzw. die vertre­tenden Kollegen die E‑Mails lesen und bearbeiten.

 

Geschäftliche E‑Mail‐Konten: Betriebliches Interesse am Mitlesen versus Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer

Es stehen sich das Persön­lich­keits­recht des Arbeit­nehmers, um dessen dienst­liches E‑Mail‐Konto es geht und das betrieb­liche Interesse des Arbeit­gebers an einem ungestörten Geschäfts­be­trieb gegenüber. Ob der Arbeit­geber die E‑Mails der dienst­lichen E‑Mail‐Accounts seiner angestellten Arbeit­nehmer mitlesen darf, kommt auf die Umstände des Arbeits­ver­hält­nisses an. Grund­sätzlich gilt, dass der Arbeit­geber nicht in Privat­an­ge­le­gen­heiten seiner Arbeit­nehmer herum­zu­schnüffeln hat – auch nicht am Arbeits­platz. Insbe­sondere eine perma­nente oder willkür­liche Überwa­chung der E‑Mails durch den Arbeit­geber ist bereits aus daten­schutz­recht­lichen Gründen verboten.

 

Zugriff auf E‑Mails der Mitarbeiter bedarf datenschutzrechtlicher Erlaubnis

Der Zugriff auf das E‑Mail‐Konto eines Mitar­beiters zum Zwecke des (Mit)Lesens der darüber einge­henden und versandten E‑Mails stellt eine Verar­beitung perso­nen­be­zo­gener Daten dar. Dies ist daten­schutz­rechtlich nur bei Vorliegen einer Recht­fer­tigung zulässig. Es muss eine gesetz­liche Erlaub­nisnorm oder eine wirksame Einwil­ligung des betrof­fenen Arbeit­nehmers vorliegen.

Bei Arbeits­ver­hält­nissen ist die einschlägige gesetz­liche Erlaub­nisnorm § 26 BDSG (Bundes­da­ten­schutz­gesetz). Danach dürfen perso­nen­be­zogene Daten von Beschäf­tigten u.a. dann für Zwecke des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses verar­beitet werden, wenn dies für dessen Durch­führung erfor­derlich ist.

Dabei ist immer eine Inter­es­sen­ab­wägung zwischen dem Persön­lich­keits­recht und dem betrieb­lichen Interesse des Arbeit­gebers vorzu­nehmen. Zugleich ist das Prinzip der Daten­mi­ni­mierung gemäß Artikel 5 DSGVO (Daten­schutz­grund­ver­ordnung) zu beachten. Danach müssen die verar­bei­teten perso­nen­be­zo­genen Daten „dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verar­beitung notwendige Maß beschränkt sein“.

 

Nur für dienstliche Zwecke genutzte E‑Mail‐Konten: Betriebliches Interesse überwiegt bei Abwesenheit des Arbeitnehmers

Danach darf der Arbeit­geber bei betrieb­lichem Interesse unter Wahrung des Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­satzes E‑Mails auf dienst­lichen E‑Mail‐Konten der Angestellten mitlesen, wenn die E‑Mail‐Konten vom Arbeit­geber für rein dienst­liche Zwecke zur Verfügung gestellt wurden und private E‑Mails darüber nicht versendet oder empfangen werden dürfen.

Denn E‑Mail‐Accounts sind – genauso wie Computer, Smart­phone oder andere Sachmittel, die der Arbeit­geber für die Arbeit zur Verfügung stellt – Betriebs­mittel. Sie gehören dem Arbeit­geber und werden den Arbeit­nehmern für bestimmte dienst­liche Zwecke zur Verfügung gestellt. Der Arbeit­geber entscheidet, zu welchen Zwecken und in welcher Weise die von ihm bereit­ge­stellten Betriebs­mittel einge­setzt werden. Ohne anders­lau­tende Weisung des Arbeit­gebers, Betriebs­ver­ein­barung oder indivi­duelle Verein­barung darf der Arbeit­nehmer Betriebs­mittel ausschließlich zu dienst­lichen Zwecken verwenden.

Gibt es keine abwei­chende Regelung, darf der Arbeit­nehmer vom Arbeit­geber zur Verfügung gestellte Geschäfts‐E‐Mail‐Konten deshalb nur zu dienst­lichen Zwecken und nicht privat nutzen. Wenn der Chef die E‑Mails mitliest, ist das Persön­lich­keits­recht deshalb von vornherein weniger intensiv berührt, als es der Fall wäre, wenn sich auch private E‑Mails auf dem Konto befinden würden.

 

Lesen der E‑Mails muss verhältnismäßig sein

Bei Abwesenheit eines Arbeit­nehmers darf der Arbeit­geber deshalb gemäß § 26 BDSG „zur Durch­führung des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses“ die E‑Mails von dessen dienst­lichem E‑Mail‐Konto abrufen und lesen. Die Inter­es­sen­ab­wägung wird in einem solchen Fall zumeist zugunsten der betrieb­lichen Inter­essen ausschlagen. So wird das betrieb­liche Interesse überwiegen, wenn die E‑Mails des abwesenden Mitar­beiters abgerufen werden, um diese beispiels­weise auf einge­hende Aufträge hin zu überprüfen oder um die Korre­spondenz mit den Kunden des Unter­nehmens, die von dem abwesenden Mitar­beiter betreut werden, vertre­tungs­weise weiterzuführen.

 

Höhere Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen bei Mitlesen der E‑Mails zu Kontrollzwecken

Dies gilt aber nur, soweit dies der „Durch­führung des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses“ gemäß § 26 BDSG dient – etwa bei der Bearbeitung einge­hender Geschäfts­kor­re­spondenz. Anders sieht die Sache aus, wenn der Arbeit­geber die E‑Mails des Mitar­beiters lesen will, um ihn zu kontrollieren.

Gemäß § 26 Absatz 1 Satz 2 BDSG dürfen E‑Mails „zur Aufde­ckung von Straf­taten“ nur dann verar­beitet werden, „wenn zu dokumen­tie­rende tatsäch­liche Anhalts­punkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis eine Straftat begangen hat, die Verar­beitung zur Aufde­ckung erfor­derlich ist und das schutz­würdige Interesse der oder des Beschäf­tigten an dem Ausschluss der Verar­beitung nicht überwiegt, insbe­sondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unver­hält­nis­mäßig sind“. Soll der Arbeit­nehmer hinsichtlich einer möglichen Straftat kontrol­liert werden, stellt das Gesetz also recht hohe Anfor­de­rungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung.

 

Möglichkeit der E‑Mail‐Überwachung zu Kontrollzwecken ist vorab anzukündigen

Die allge­meine Überwa­chung der Kommu­ni­kation des Arbeit­nehmers ist demnach nicht erlaubt – auch nicht bei rein dienstlich genutzten Accounts. Das Arbeits­ver­hältnis betref­fende und den Arbeit­nehmer belas­tende Zufalls­funde, die der Arbeit­geber bei unerlaubten Überwa­chungs­maß­nahmen macht, sind gerichtlich nicht verwertbar.

Die allge­meine heimliche Überwa­chung der Inter­net­kom­mu­ni­kation durch den Arbeit­geber ist unzulässig. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte in einem Urteil vom 05.09.2017 (Az. 61496/08) klarge­stellt. Danach muss ein Arbeit­nehmer, bevor seine Inter­net­kom­mu­ni­kation aufgrund einer allge­meinen Überwa­chungs­maß­nahme vom Arbeit­geber kontrol­liert wird, zuvor über die Möglichkeit, sowie über Art und Ausmaß der Überwa­chungs­maß­nahme infor­miert werden. Geschieht dies nicht, so stellt die einschrän­kungslose Kontrolle des E‑Mail‐Verkehrs eine Verletzung des Rechts des Arbeit­nehmers auf Achtung des Privat­lebens und der Korre­spondenz gemäß Art. 8 EMRK (Europäische Menschen­rechts­kon­vention) dar.

 

Private E‑Mails dürfen nie mitgelesen werden

Auch bei E‑Mail‐Konten, bei denen nur die Nutzung zu dienst­lichen Zwecken erlaubt ist, darf der Arbeit­geber aller­dings keine trotz des Verbots auf dem Konto befind­lichen privaten E‑Mails lesen. Ergibt sich bereits aus der Betreff­zeile oder aus anderen Umständen, dass es sich um eine private E‑Mail handelt, so darf der Arbeit­geber diese nicht abrufen.

Keines­falls vom Arbeit­geber oder Kollegen (heimlich) mitge­lesen werden dürfen E‑Mails vom oder an den Betriebsrat, den Betriebsarzt oder an andere vertrau­liche, alleine die Sphäre des Arbeit­nehmers, dem das E‑Mail‐Konto „gehört“, betref­fende E‑Mails (z.B. E‑Mails an die betrieb­liche Beschwerdestelle).

 

Privat genutzte dienstliche E‑Mail‐Konten

Bei privat genutzten dienst­lichen E‑Mail‐Konten ist es für den Arbeit­geber sehr viel schwie­riger, eine Recht­fer­tigung für das Lesen der E‑Mails zu finden. Zunächst einmal ist an den Fall zu denken, bei dem der Arbeit­geber die private Nutzung des dienst­lichen E‑Mail‐Accounts ausdrücklich erlaubt. Etwa durch eine Klausel im Arbeits­vertrag, eine ausdrück­liche Weisung oder eine Betriebsvereinbarung.

Dann ist der Arbeit­geber nach einem Teil der Recht­spre­chung „Diens­te­an­bieter“ im Sinne des § 3 Nr. 6 TKG a.F. (Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­setzes alte Fassung)

Geset­zes­än­derung

Das TKG ist mit dem Teleme­di­en­gesetz im neuen Telekomminikation‐Telemedien‐Datenschutz‐Gesetz (TTDSG) zusam­men­gelegt worden. Das Fernmel­de­ge­heimnis ist dort im § 3 TTDSG geregelt. 

Ist der Arbeit­geber ein solcher „Dienst­leister“, so unter­liegt er nicht nur den Regeln des Daten­schutzes, sondern auch dem Fernmel­de­ge­heimnis. Genauso wenig wie E‑Mail‐Provider, wie z.B. GMX oder Gmail (Google Mail), die E‑Mails ihrer Kunden ohne deren ausdrück­liche Erlaubnis lesen dürfen, darf dies bei privat genutzten E‑Mail‐Konten der Arbeit­geber. Ein Verstoß stellt eine Straftat gemäß § 206 StGB (Verletzung des Post‐ und Fernmel­de­ge­heim­nisses) dar. Nutzt ein Arbeit­nehmer den dienst­lichen E‑Mail‐Account mit Zustimmung des Arbeit­gebers auch zu privaten Zwecken, so darf der Arbeit­nehmer als Postfach­in­haber darauf vertrauen, dass der Arbeit­geber „seine“ E‑Mails nicht mitliest. Ein Abrufen der E‑Mails auch im Krank­heitsfall wird dann für den Arbeit­geber ein handfestes recht­liches Problem. In einem solchen Fall sollte der Arbeit­nehmer die ausdrück­liche (schrift­liche) Einwil­ligung des Arbeit­nehmers zum Abrufen der E‑Mails einholen.

Manche Arbeits­ge­richte vertreten hinsichtlich der Frage, ob der Arbeit­geber Diens­te­an­bieter privat genutzter E‑Mail‐Accounts der Angestellten ist, eine andere Auffassung und sind der Ansicht, dass es sich bei dem Arbeit­geber nicht um einen Diens­te­an­bieter im Sinne des TKG (TTDSG) handelt. Aller­dings ist der zugrunde liegende Ausle­gungs­streit im Ergebnis oftmals nicht ausschlag­gebend. Denn bereits die stets vorzu­neh­mende Verhält­nis­mä­ßig­keits­prüfung stellt hohe Anfor­de­rungen an das vom Arbeit­geber darzu­le­gende Interesse am Abrufen und Lesen der E‑Mails der Mitarbeiter.

 

Private Nutzung aufgrund stillschweigender Duldung des Arbeitgebers?

In vielen Fällen ist es so, dass keine explizite Regelung dazu getroffen wurde, ob das dienst­liche E‑Mail‐Konto auch zu privaten Zwecken genutzt werden darf, der Arbeit­geber dies aber still­schweigend duldet. Wenn die private Nutzung in dem Unter­nehmen beispiels­weise seit Jahren üblich ist und der Arbeit­geber dies, obwohl er Kenntnis davon hat, still­schweigend duldet, so kann dies zu einer betrieb­lichen Übung führen, aufgrund derer die private Nutzung erlaubt ist. Dann darf der Arbeit­geber nur noch unter den oben geschil­derten strengen Voraus­set­zungen für privat genutzte E‑Mail‐Konten die darüber verar­bei­teten E‑Mails mitlesen. Der Arbeit­geber ist in diesem Fall nach der überwie­genden Recht­spre­chung Diens­te­an­bieter und an das Fernmel­de­ge­heimnis gebunden. Eine betrieb­liche Übung kann aller­dings unter Umständen durch konkrete Weisung des Arbeit­gebers wieder einge­schränkt werden. Ob eine solche betrieb­liche Übung vorliegt, muss in Streit­fällen der Arbeit­nehmer beweisen.

 

Abrufen der Geschäfts‐E‐Mails aufgrund Einwilligung

Ist die Rechtslage im Unter­nehmen nicht klar, so kann der Arbeit­geber von den Arbeit­nehmern eine Einwil­ligung zur Verar­beitung dienst­licher E‑Mails einholen. Beispiels­weise für eng umrissene Situa­tionen, wie den krank­heits­be­dingten Ausfall eines Mitar­beiters. Dabei ist zu beachten, dass eine solche Einwil­ligung den Beschrän­kungen des § 26 Absatz 2 BDSG unter­liegt. Danach „sind für die Beurteilung der Freiwil­ligkeit der Einwil­ligung insbe­sondere die im Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis bestehende Abhän­gigkeit der beschäf­tigten Person, sowie die Umstände, unter denen die Einwil­ligung erteilt worden ist, zu berück­sich­tigen“. Die Einwil­ligung muss schriftlich oder elektro­nisch erfolgen.

 

Fazit

Arbeit­geber und Arbeit­nehmer sollten das Problem der Nutzung der dienst­lichen E‑Mail‐Konten von vornherein durch entspre­chende Verein­ba­rungen regeln und für eine klare Rechtslage sorgen. Dies liegt im Interesse beider Parteien. Der Arbeit­geber hat in gewissem Umfang sicherlich ein legitimes Interesse daran, die Geschäfts­ab­läufe in dem Unter­nehmen sicher­zu­stellen und zu kontrol­lieren. Dazu gehört insbe­sondere, dass für den Fall, dass ein Mitar­beiter ausfällt, den über dessen Konto laufenden dienst­lichen E‑Mail‐Verkehr durch den Arbeit­geber bzw. Mitar­beiter weiter­zu­führen. Anderer­seits haben Arbeit­nehmer ein rechtlich geschütztes Recht auf den Schutz ihrer Persön­lichkeit. Dieses umfasst den Schutz vor willkür­lichen und ausufernden Überwa­chungs­maß­nahmen des Arbeit­gebers, sowie den unein­ge­schränkten Schutz privater E‑Mails vor Einsicht­nahme durch den Arbeitgeber.

Aus Arbeit­ge­ber­sicht verbietet sich wegen der damit verbun­denen recht­lichen Erschwer­nisse die Erlaubnis zur privaten Nutzung der geschäft­lichen E‑Mail‐Konten. Zumindest sollte aber für eng begrenzte, aber wichtige Ausnah­me­si­tua­tionen, wie die krank­heits­be­dingte Abwesenheit eines Mitar­beiters, dessen schrift­liche Einwil­ligung in das Abrufen der E‑Mails von dessen geschäft­licher E‑Mail‐Adresse eingeholt werden.

(Mehr zur Proble­matik der Privat­nutzung des dienst­lichen Inter­net­an­schlusses können Sie hier lesen.)

SI Rechtsanwaltsgesellschaft mbH