Kündigung wegen privater Internetnutzung am Arbeitsplatz

Auch im Rahmen der zuneh­menden Digita­li­sierung ist bei immer mehr Arbeits­plätzen ein Zugang zum Internet vorhanden und oft sogar unerlässlich, um die Arbeits­leistung zu erbringen. Da ist es nur menschlich, wenn mal eben der Dienst­com­puter benutzt wird, um die privaten E‑Mails zu checken oder schnell die ein oder andere Website zu privaten Zwecken benutzt wird. Dies kann aber unter Umständen zu arbeits­recht­lichen Konse­quenzen führen. Wer bei der privaten Nutzung des Dienst­com­puters jegliches Maß verliert, kann sich leicht einer Abmahnung oder sogar einer Kündigung wegen privater Inter­net­nutzung am Arbeits­platz ausge­setzt sehen. Entschei­dende Aspekte sind, ob der Arbeit­geber die Privat­nutzung erlaubt hat und in welchem Ausmaß das Internet für private Zwecke genutzt wird. 

 

Abgrenzung dienstliche Nutzung und privater Internetnutzung

Dienst­liche Nutzung liegt dann vor, wenn ein spezi­fi­scher Bezug zu den arbeits­ver­traglich geschul­deten Aufgaben des Arbeit­nehmers oder dienst­lichen Anwei­sungen des Arbeit­gebers besteht. Die Nutzung muss objektiv geeignet sein, die dienst­lichen Aufgaben zu fördern. Dabei kann die Nutzung sowohl gleich­zeitig dienstlich wie auch privat sein, etwa, bei privaten E‑Mails aus dienst­lichem Anlass. Eine private Nutzung des Internets, die mit der Arbeit zusam­men­hängt kann beispiels­weise bei der Absage von privaten Terminen, um Überstunden leisten zu können, vorliegen. Wenn kein dienst­licher Bezug vorliegt, geht man dagegen von privater Inter­net­nutzung aus.

 

Verstoß gegen ein ausdrückliches Verbot

Hat der Arbeit­geber absolut jegliche private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit grund­sätzlich verboten, stellt jede Privat­nutzung eine Pflicht­ver­letzung des Arbeit­nehmers dar. Ob dies arbeits­recht­liche Konse­quenzen, wie eine Abmahnung oder Kündigung recht­fertigt, hängt von der Inten­sität des Pflicht­ver­stoßes ab. Möchte der Arbeit­geber ganz allgemein jegliche private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit verbieten, unter­liegt dies nicht dem Mitbe­stim­mungs­recht des Betriebsrates. 

 

Ausdrückliche Erlaubnis oder Duldung

Wenn der Arbeit­geber die private Inter­net­nutzung durch schrift­lichen Arbeits­ver­trags­zusatz, Betriebs­ver­ein­barung oder Ausübung des Direk­ti­ons­rechtes erlaubt, kann er Nutzungs­regeln aufstellen. Werden zur privaten Nutzung des Internets konkrete Regeln aufge­stellt, dürfte gegebe­nen­falls der Betriebsrat mitbe­stimmen. Wenn die Nutzungs­regeln nicht einge­halten werden, liegt ein Pflicht­verstoß vor.

Weiß der Arbeit­geber von privater Inter­net­nutzung des Arbeit­nehmers während der Arbeitszeit, schreitet aber nicht ein, kann dies eine, meist still­schwei­gende, Duldung darstellen. Dies kommt einer generellen Erlaubnis gleich. Zumindest solange der Arbeit­geber die Privat­nutzung nicht ausdrücklich verbietet. Wird die private Inter­net­nutzung über längere Zeit nicht beanstandet (es werden Zeiten zwischen einem halben Jahr und 12 Monaten gefordert), wird teilweise auch eine betrieb­liche Übung angenommen. Der Arbeit­nehmer darf dann sogar darauf vertrauen, dass er das Internet im bishe­rigen Umfang auch weiterhin benutzen kann. (Die Erlaubnis durch betrieb­liche Übung wird aber durch einige Gerichte kritisch gesehen und abgelehnt.)

Stellt der Arbeit­geber keine Nutzungs­regeln auf, sondern erlaubt die private Inter­net­nutzung ausdrücklich oder durch Duldung, so muss im Einzelfall durch Auslegung ermittelt werden, ob die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit in ihrer Art und ihrem Ausmaß noch von der Erlaubnis umfasst war.

Eine solche Gestattung oder Duldung würde sich nämlich – ohne weitere Erklä­rungen – allen­falls auf eine private Nutzung im normalen bzw. angemes­senen zeitlichen Umfang erstrecken.

(BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)

Wenn die private Nutzung des Internets den Rahmen sprengt, kann auch dies einen Pflicht­verstoß darstellen.

Selbst wenn im Betrieb der Beklagten eine private Nutzung des Internets an sich erlaubt bzw. geduldet wäre, lässt sich daraus nicht zwingend schließen, diese Nutzung dürfe auch während der Arbeitszeit zeitlich unbegrenzt bzw. in erheb­lichem Umfang und nicht nur außerhalb der Arbeitszeit, beispiels­weise während der Pausen, erfolgen.

(BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)
 

Umfang privater Internetnutzung am Arbeitsplatz

Aber ab wann ist der zeitlich angemessene Rahmen überschritten? Eine nur kurzfristige Nutzung des Internets während der Arbeitszeit kann grund­sätzlich gerade noch hinnehmbar sein, sofern kein absolutes Nutzungs­verbot aufge­stellt ist. (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)

Aller­dings ist nicht festgelegt, wie lange „kurzfristig“ ist. Es kommt auch hier wieder auf den Einzelfall an und die Übergänge sind fließend. Ein paar Sekunden dürften allgemein als „kurzfristig“ gelten. Kurz einen Anruf wegdrücken oder das Handy lautlos bzw. ausstellen dürfte ebenfalls schadlos sein. Eine kurze Erkun­digung nach dem Wohlbe­finden von Angehö­rigen? Kommt drauf an. Wenn das Internet dagegen nicht nur minuten­weise sondern stunden­weise, teilweise sogar den ganzen Arbeitstag zu privaten Zwecken genutzt wird, ist Arbeits­leistung durch die Privat­nutzung erheblich beein­trächtigt. Dann dürfte eine private Nutzung nicht mehr hinnehmbar sein und es kann sogar eine fristlose Kündigung gerecht­fertigt sein. Bei einer übermä­ßigen privaten Inter­net­nutzung spricht man auch von exzes­siver Nutzung.

 

Exzessive Nutzung

Eine exzessive Nutzung liegt bei einer erheb­lichen Überschreitung des regel­mäßig üblichen Maßes der Inter­net­nutzung vor. Die zeitlichen Übergänge, wann eine exzessive Inter­net­nutzung vorliegt sind fließend und einzel­fall­ab­hängig. Die Gerichte bewerten den Umfang, ab wann eine exzessive Nutzung vorliegt, sehr unter­schiedlich. Es gibt keine eindeu­tigen, starren Zeitgrenzen.

 

Beispiele:

Das Landes­ar­beits­ge­richt Köln hat eine tägliche Privat­nutzung von etwa 10 Minuten noch als hinnehmbar angesehen. (Landes­ar­beits­ge­richt Köln, Urteil vom 11. Februar 2005 – 4 Sa 1018/04 –)

Das Landes­ar­beits­ge­richt Rheinland‐Pfalz hat im Einzelfall sogar Nutzungen von insgesamt 5 Stunden in einem Zeitraum von 6 Monaten als nicht exzessiv oder ausschweifend angesehen. (Landes­ar­beits­ge­richt Rheinland‐Pfalz, Urteil vom 13. Dezember 2007 – 10 Sa 505/07 –)

Das Landes­ar­beits­ge­richt Köln hat bei einem Arbeit­nehmer der im Ergebnis an drei ganzen Arbeits­tagen sowie im Zwischen­zeitraum über kumuliert mehrere Stunden und damit mehr als an fünf kompletten Arbeits­tagen, was wiederum mindestens einer Arbeits­woche entspricht, das Internet privat nutzte, diese Privat­nutzung als exzessiv bewertet. (LAG Köln Urteil vom 7.2.2020 – 4 Sa 329/19)

Das Bundes­ar­beits­ge­richt zieht enge Grenzen und hat eine private Nutzung des Internets in einem Gesamt­umfang von 5 Stunden in 2 Monaten als „zeitlich ungewöhnlich umfang­reiche private Nutzung“ einge­stuft. Wenn im Ergebnis in der Summe ganze Arbeitstage oder gar ganze Arbeits­wochen für die private Inter­net­nutzung während der Arbeitszeit aufge­wendet werden, kann sogar ein besonders schwerer Verstoß gegen die arbeits­ver­trag­lichen Verpflich­tungen vorliegen.  (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)

Jeden­falls dürfte eine regel­mäßige Nutzung über Monate oder in solch einem Ausmaß, dass fast die gesamte Arbeitszeit ausge­füllt ist als exzessiv bewertet werden. Denn dann dürfte sicher sein, dass die vertrag­liche Arbeits­pflicht nicht umfassend erfüllt werden kann.

Bei der Abwägung, ob eine exzessive, ausschwei­fende Privat­nutzung vorliegt, ist zu berück­sich­tigen, ob ein ausdrück­liches, generelles Verbot privater Inter­net­nutzung besteht oder die Privat­nutzung generell erlaubt ist. Bei einem Verbot dürfte bereits nach kürzerer Nutzungszeit ein Exzess angenommen werden, als bei einer grund­sätz­lichen Erlaubnis.

 

Auch ohne Regelung grundsätzlich keine Erlaubnis privater Internetnutzung am Arbeitsplatz

Auch wenn kein ausdrück­liches Verbot besteht, bedeutet das nicht, dass die private Nutzung des Internets erlaubt ist. Grund­sätzlich hat der Arbeit­nehmer nicht das Recht den dienst­lichen Inter­net­an­schluss privat zu nutzen. Auch darin kann eine Pflicht­ver­letzung der arbeits­ver­trag­lichen Pflichten liegen. Entscheidend ist wieder das Ausmaß der privaten Nutzung und ob dadurch die Arbeits­leistung oder zu berück­sich­ti­gende Inter­essen des Arbeit­gebers beein­trächtigt werden.

Bei einer privaten Inter­net­nutzung während der Arbeitszeit verletzt der Arbeit­nehmer grund­sätzlich seine (Hauptleistungs‐) Pflicht zur Arbeit. Die private Nutzung des Internets darf die Erbringung der arbeits­ver­traglich geschul­deten Arbeits­leistung nicht erheblich beein­träch­tigen. Die Pflicht­ver­letzung wiegt dabei um so schwerer, je mehr der Arbeit­nehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeits­pflicht in zeitlicher und inhalt­licher Hinsicht vernachlässigt.

(BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 –)
 

Fristlose Kündigung wegen privater Internetnutzung

Wenn der Arbeit­nehmer das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in erheb­lichem zeitlichen Umfang („ausschweifend”) nutzt und damit seine arbeits­ver­trag­lichen Pflichten verletzt, kann dies eine fristlose Kündigung recht­fer­tigen. (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)

Es wird zweistufig geprüft. Stellt die private Inter­net­nutzung einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung dar, der die Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses unzumutbar werden lässt und überwiegen bei einer Inter­es­sens­ab­wägung die Inter­essen des Arbeitgebers.

 

wichtiger Grund

als wichtiger Grund kommen unter anderem in Betracht:

  • die Verletzung der Arbeitspflicht
  • Beein­träch­tigung der Systemsicherheit
  • Rufschä­digung
  • Strafbare Handlungen
  • Kosten für den Arbeitgeber
  • Störungen im Betriebsablauf

Bei der Ermittlung, ob eine kündi­gungs­re­le­vante Verletzung der arbeits­ver­trag­lichen Pflichten vorliegt, müssen alle möglichen Aspekte geprüft werden. (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)

 

Verletzung der Arbeitspflicht

Wenn die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit geschieht, verletzt der Arbeit­nehmer seine Arbeits­pflicht zumindest dann, wenn dies außerhalb der Pausen­zeiten geschieht und jeden­falls dann, wenn es ein betrieb­liches Verbot der Nutzung gibt. Denn während des Surfens im Internet oder einer inten­siven Betrachtung von Video­filmen oder Compu­ter­spielen zu privaten Zwecken erbringt der Arbeit­nehmer seine arbeits­ver­traglich geschuldete Arbeits­leistung nicht. Er verletzt dadurch seine Arbeits­pflicht. Für die Schwere der Pflicht­ver­letzung ist zudem relevant, in welchem zeitlichen Ausmaß die Nutzung erfolgt.

Eine Arbeits­pflicht­ver­letzung durch eine exzessive Privat­nutzung des Internets kann auch nicht durch etwaige geleistete Überstunden „ausge­glichen” werden. So entschied es zumindest das Landes­ar­beits­ge­richt Köln.

(Landes­ar­beits­ge­richt Köln, Urteil vom 7. Februar 2020 – 4 Sa 329/19 –)
 

Sicherheitsaspekt

Durch das private Downloaden von Dateien steigt auch die Gefahr, dass die IT‐Infrastruktur des Betriebes durch Schad­software, Trojaner und Viren geschädigt wird. Das Herun­ter­laden einer erheb­lichen Menge von Daten aus dem Internet auf betrieb­liche Daten­systeme ist in Bezug auf die Gefahr für Viren­in­fek­tionen oder andere Störungen des – betrieb­lichen – Betriebs­systems zu berück­sich­tigen. (BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05).  Bereits die Möglichkeit einer Viren­in­fi­zierung des Betriebs­systems durch illegalen Download kann im Einzelfall schon für die Recht­fer­tigung einer Kündigung ausreichen.

 

Rufschädigung

Ein Pflicht­verstoß kann auch dann vorliegen, wenn es sich bei herun­ter­ge­la­denen Daten um solche handelt, deren Rückver­folgung zu Rufschä­di­gungen des Arbeit­gebers führen kann, weil es sich um strafbare oder porno­gra­fische Darstel­lungen handelt.

Der Aufruf nicht straf­barer, porno­gra­fi­scher Seiten an sich ist noch kein Kündi­gungs­grund, wenn die private Inter­net­nutzung grund­sätzlich erlaubt ist. Aller­dings muss abgewogen werden, ob die Nutzung porno­gra­fi­scher Seiten mit dem Dienst­rechner einen Image­schaden für den Arbeit­geber bzw. den Betrieb bewirken kann. Zudem kann die Verbreitung porno­gra­fi­scher Schriften und Darstel­lungen einen Straf­tat­be­stand verwirklichen.

Im Falle des fast täglichen umfang­reichen Aufrufs verschie­dener porno­gra­fi­scher Inter­net­seiten besteht die Gefahr einer Rufschä­digung des Arbeitgebers.

(BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 –)
 

Strafrechtlich relevante Inhalte

Wird durch das private Surfen ein Straf­tat­be­stand verwirk­licht oder besteht der Verdacht diesbe­züglich, kann dies ebenfalls einen wichtigen Grund darstellen, der eine fristlose Kündigung oder eine Verdachts­kün­digung recht­fertigt. Denkbar sind Verbreitung porno­gra­fi­scher Schriften, Verbreitung Gewalt verherr­li­chender und volks­ver­het­zender Schriften, Belei­digung, Beläs­ti­gungen und Mobbing, aber auch Urheberrechtsverletzungen.

 

Kosten und Geschwindigkeit

Wenn dem Arbeit­geber durch die private Nutzung dienst­lichen Inter­net­an­schlusses zusätz­liche – Kosten entstehen können und der Arbeit­nehmer jeden­falls die Betriebs­mittel – unberech­tig­ter­weise – in Anspruch genommen hat, kann auch dies eine Pflicht­ver­letzung darstellen. Aller­dings dürfte dieser Aspekt bei den heutigen pauschalen Nutzungs­ver­trägen weniger stark ins Gewicht fallen. Zu bedenken ist aber eine möglich Verlang­samung des Inter­net­an­schlusses durch das Herun­ter­laden bzw. streamen großer Daten­mengen. Dies könnte ebenfalls zu Beein­träch­ti­gungen des Betriebs­ablauf führen.

 

Interessensabwägung

Wenn also ein wichtiger Grund zur frist­losen Kündigung wegen einer erheb­lichen Pflicht­ver­letzung bejaht wird, ist in der zweiten Stufe abzuwägen, ob dem Arbeit­geber die Weiter­be­schäf­tigung des Arbeit­nehmers jeden­falls bis zum Ablauf der Kündi­gungs­frist zumutbar ist. Abgewogen werden das Interesse des Arbeit­gebers an der sofor­tigen Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses gegen das Interesse des Arbeit­nehmers an dessen Fortbe­stand. Der Maßstab ist, ob, unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzel­falls, eine fristlose Kündigung noch verhält­nis­mäßig ist.

 

Ausdrückliches Verbot

Für diese Abwägung ist natürlich relevant, ob es ein Verbot jeglicher privater Inter­net­nutzung gibt. Dann wiegen die Argumente für eine sofortige Beendigung des Arbeits­ver­hältnis natürlich schwerer.  Hingegen gilt ohne ein Verbot, eine Regelung oder bei erlaubter Privat­nutzung ein etwas lockerer Maßstab und ein größerer Beurteilungsspielraum.

 

Für den Arbeitnehmer

Für den Arbeit­nehmer würde sprechen, wenn die bisherige Beschäf­ti­gungszeit beanstan­dungslos verlief. Besonders bei langjäh­riger Beschäf­ti­gungs­dauer. Auch bestehende Unter­halts­ver­pflich­tungen des Arbeit­nehmers und mögli­cher­weise schlechte Chancen auf dem Arbeits­markt sind zu berücksichtigen.

 

gegen den Arbeitnehmer

Zulasten des Arbeit­nehmers wird es berück­sichtigt, wenn die Pflicht­ver­letzung besonders schwer­wiegend ist oder wenn der Arbeit­nehmer Vorbild­funktion im Betrieb innehatte. 

Weitere Beispiele für Aspekte, die gegen eine Zumut­barkeit der Weiter­be­schäf­tigung sprechen, sind:

 
Exzessiver Verstoß

Je nachdem, wie ausufernd die private Inter­net­nutzung ist, wird die Unzumut­barkeit der Weiter­be­schäf­tigung wahrscheinlicher.

 
Bewusster, vorsätzlicher, hartnäckiger Verstoß

Ist ein ausdrück­liches Verbot der Privat­nutzung gerade erst vereinbart, erlassen oder fortlaufend wiederholt worden und verstößt der Arbeit­nehmer dennoch im erheb­lichen Maße dagegen, recht­fertigt ein solch hartnä­ckiger und unein­sich­tiger Verstoß regel­mäßig auch eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung. (BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 –, BAGE 118, 104–114)

Denn wenn der Arbeits­vertrag gerade erst unter­schrieben wurde oder eine Dienst­an­ordnung, in der die private Inter­net­nutzung ausdrücklich untersagt ist, nur kurze Zeit vor den Verstößen erfolgte, muss der Arbeit­nehmer wissen, dass er pflicht­widrig handelt. Dann kann davon ausge­gangen werden, dass der Verstoß vorsätzlich erfolgte. Das wiegt schwer zulasten des Inter­esses des Arbeit­nehmers am Fortbe­stand des Arbeitsverhältnisses.

 
Ablenkung bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten

Es wirkt sich auch nachteilig aus, wenn ein Arbeit­nehmer im Rahmen seiner Tätigkeit auch Überwa­chungs­funktion ausübt und durch die Inter­net­nutzung abgelenkt ist. Beispiels­weise bei der techni­schen Überwa­chung von Geräten und Maschinen oder bei anderen sicher­heits­re­le­vanten Tätigkeiten.

Weiter ist zu berück­sich­tigen, dass die Verletzung seiner arbeits­ver­trag­lichen Leistungs­pflicht umso schwerer wiegt, als zur Tätigkeit des Klägers als Erstmann auch wesentlich eine Aufsichts­funktion gehört. Er hat die Einhaltung von sicher­heits­re­le­vanten Standards zu überwachen.

(BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)
 

Ordentliche Kündigung wegen privater Internetnutzung 

Eine Kündigung muss durch einen Kündi­gungs­grund sozial gerecht­fertigt sein, sofern das Kündi­gungs­schutz­gesetz anwendbar ist. Letzteres ist der Fall, wenn das Arbeits­ver­hältnis länger als 6 Monate ohne Unter­bre­chung andauerte und im Betrieb regel­mäßig mehr als 10 Mitar­beiter angestellt sind.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerecht­fertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeit­nehmers liegen, bedingt ist. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeit­nehmer seine vertrag­lichen Haupt‐ oder Neben­pflichten erheblich und schuldhaft verletzt hat. Zudem darf eine dauer­hafte störungs­freie Vertrags­er­füllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten sein. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (frist­gemäße) Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses begegnet werden.

Die oben genannten Pflicht­ver­let­zungen sind auch geeignete Gründe, eine verhal­tens­be­dingte frist­gemäße Kündigung zu rechtfertigen.

Der Unter­schied besteht im Grunde auch nur darin, dass nach der Inter­es­sens­ab­wägung zugunsten Arbeit­nehmers angenommen werden darf, dass dem Arbeit­geber eine Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses bis zum Ablauf der Kündi­gungs­frist zumutbar ist. Aber auch im Rahmen der ordent­lichen – frist­ge­mäßen – Kündigung ist, nach Feststellung eines Pflich­ten­ver­stoßes durch das Verhalten des Arbeit­nehmers, eine Inter­es­sens­ab­wägung vorzu­nehmen. Überwiegt das Interesse des Arbeit­gebers an der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses dem Interesse des Arbeit­nehmers an dessen Fortsetzung, ist die Kündigung gerechtfertigt.

(Näheres zur verhal­tens­be­dingten Kündigung können Sie im entspre­chenden Artikel hier bei uns lesen.)

Regel­mäßig wird aber der verhal­tens­be­dingten, frist­ge­mäßen Kündigung eine Abmahnung voraus­gehen müssen.

 

Abmahnung wegen privater Internetnutzung

Grund­sätzlich muss bei Kündi­gungen, die auf Gründen aus dem Verhalten des Arbeit­nehmers basieren, vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt werden, um den Arbeit­nehmer auf sein Fehlver­halten hinzu­weisen und ihn zu warnen.  Dadurch soll bereits eine Verän­derung im Arbeit­neh­mer­ver­halten und eine Beendigung der Pflicht­ver­let­zungen erreicht werden. Denn es wird grund­sätzlich davon ausge­gangen, dass das künftige Verhalten des Arbeit­nehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeits­ver­hält­nisses positiv beein­flusst werden kann. (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 284/10)

Einer entspre­chenden Abmahnung bedarf es nur dann nicht, wenn bereits vor Ausspruch der Kündigung erkennbar ist, dass eine Verhal­tens­än­derung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht. Oder wenn es sich um eine so schwere Pflicht­ver­letzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeit­geber nach objek­tiven Maßstäben unzumutbar und damit offen­sichtlich – auch für den Arbeit­nehmer erkennbar – ausge­schlossen ist. (BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11)

Ob der Arbeit­nehmer bei der privater Inter­net­nutzung sofort mit der Kündigung rechnen muss oder zunächst abgemahnt werden muss, hängt also von der Schwere seiner Pflicht­ver­letzung ab. Indizien für eine solche Schwere sind der Verstoß gegen ein ausdrück­liches und regel­mäßig wieder­holtes Verbot, großer zeitlicher Umfang der Privat­nutzung sowie großer möglicher Sach‐ oder Perso­nen­schaden durch die private Internetnutzung.

 

Beweisverwertung

Der Arbeit­geber trägt die Darle­gungslast und Beweislast für das Vorliegen einer Pflich­ten­ver­letzung durch den Arbeit­nehmer. Also ob und wenn ja, wie intensiv, eine private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit erfolgte. Der Arbeit­geber kann die techni­schen Möglich­keiten haben, die E‑Mails des Arbeit­nehmers oder seine Log‐Daten, Chroniken des Inter­net­browsers u.s.w. einzu­sehen und dem Gericht vorzu­legen. Die Frage ist aber, ob er diese Daten auch als Beweis verwenden darf.

Mögli­cher­weise könnte sich aus dem Daten­schutz ein prozes­suales Verwer­tungs­verbot ergeben, welches die Verwendung gewon­nener Infor­ma­tionen über den Arbeit­nehmer bzw. seiner perso­nen­be­zo­genen Daten verhindert.

Perso­nen­be­zogene Daten sind beispiels­weise die Chronik eines Inter­net­browsers. Sie weisen aus, wann vom Nutzer welche Seiten im Internet mit welchem Titel aufge­rufen wurden. Darin liegen persön­liche bzw. sachliche Verhält­nisse des Nutzers des Rechners im Hinblick auf sein Verhalten. (Landes­ar­beits­ge­richt Köln, Urteil vom 7. Februar 2020 – 4 Sa 329/19 –)

 

Bei Verbot der Privatnutzung

Ist die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit nicht ausdrücklich erlaubt bzw. verboten, ist das Fernmel­de­ge­heimnis aus § 3 TTDSG (Telekommunikation‐Telemedien‐Datenschutz‐Gesetz) nicht anwendbar. Perso­nen­be­zogene Daten dürfen dann nach § 26 Abs. 1 BDSG (Bundes­da­ten­schutz­gesetz) zur Kontrolle der Einhaltung des Privat­nut­zungs­verbots verar­beitet werden. Beweise, die im Rahmen einer solchen Missbrauchs­kon­trolle gewonnen werden, dürfen prozessual verwendet werden. Die Kontrollen müssen aber verhält­nis­mäßig sein. Eine dauer­hafte Kontrolle aufgrund bloßer Mutma­ßungen ist unzulässig. Stich­pro­ben­hafte Überprüfung ist dagegen zulässig, wenn dies keine übermäßige Belastung für den Arbeit­nehmer darstellt und der Bedeutung des Infor­ma­ti­ons­in­ter­esses des Arbeit­gebers entspricht. (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 –)

 

Legitimes Interesse

Der Arbeit­geber hat ein legitimes Interesse daran, Verstöße gegen ein bestehendes Verbot der Privat­nutzung des Internets feststellen zu können. (Landes­ar­beits­ge­richt Köln, 4 Sa 329/19)

Ebenso darf der Arbeit­geber unter den Voraus­set­zungen des  § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG auf perso­nen­be­zogene Daten zugreifen, wenn dies zur Aufde­ckung von Straf­taten erfor­derlich ist.

 

Beteiligung des Betriebsrates

Möchte der Arbeit­geber den Internet‐ und E‑Mail‐Verkehr technisch überwachen, muss er den Betriebsrat betei­ligen. Dieser hat dann nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht.

 

Einwilligung des Arbeitnehmers

Eine Verar­beitung der perso­nen­be­zo­genen Daten kann nach § 26 Abs. 2 BDSG auch aufgrund einer freiwil­ligen Einwil­ligung des Arbeit­nehmers erfolgen. Diese muss aber ausdrücklich erfolgen. Die Einwil­ligung darf nicht aus dem Schweigen des Arbeit­nehmers geschlossen werden. 

Allein in der Tatsache, dass ein Arbeit­nehmer einer ihm mitge­teilten Maßnahme nicht entgegen tritt, liegt keine Einver­ständ­nis­er­klärung in die Infor­ma­ti­ons­er­hebung. Das Unter­lassen eines Protests kann nicht mit einer Einwil­ligung gleich­ge­setzt werden.

(BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 –)
 

Bei Erlaubnis

Sofern der Arbeit­geber die private Nutzung des Internets erlaubt hat, ist, neben den oben erläu­terten Voraus­set­zungen, zu überlegen, ob er dem Fernmel­de­ge­heimnis unter­liegt. Dies ist umstritten.

 

Befürworter eines Beweisverwertungsverbotes

Die Befür­worter sind der Ansicht, der Arbeit­geber sei Dienst­an­bieter im Sinne des § 3 Nr. 1 Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­gesetz und § 3 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG (Telekommunikation‐Telemedien‐Datenschutz‐Gesetz).

Dann muss der Arbeit­geber das Fernmel­de­ge­heimnis wahren. Es dürfen dann Kennt­nisse über Tatsachen, die dem Fernmel­de­ge­heimnis unter­liegen, nicht verwendet werden, wenn es nicht für die Erbringung der Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­dienste oder für den Betrieb ihrer Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­netze oder ‑anlagen, einschließlich ihres Schutzes notwendig ist. Das schließt Verbin­dungs­daten sowie die Einsicht­nahme in gespei­cherte (und archi­vierte) E‑Mails ein. Eine Verwendung wäre nur in seltenen Ausnah­me­fällen, beispiels­weise zur Aufklärung von Straf­taten, möglich.

Verstößt der Arbeit­geber bei der Erlangung von Beweisen, dass der Arbeit­nehmer das Internet privat nutzte, gegen das Fernmel­de­ge­heimnis, unter­liegen diese Daten einem Beweisverwertungsverbot.

 

Gegner eines Beweisverwertungsverbots

Nach anderer Ansicht, die u.a. die Landes­ar­beits­ge­richte Berlin‐Brandenburg und Nieder­sachsen vertreten, sei das Fernmel­de­ge­heimnis im Arbeits­recht nicht anwendbar.

Der Arbeit­geber falle nicht unter den Anwen­dungs­be­reich des TKG (Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­gesetz) und TTDSG, da der Arbeit­geber kein Dienst­an­bieter im Sinne des TKG und der Arbeit­nehmer nicht Dritter im Sinne des  § 3 Nr. 10 TKG (alte Fassung) sei. Es liege kein geschäfts­mä­ßiges Erbringen von Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst­leis­tungen im Sinne des § 3 Nrn. 6 und 10 TKG (a.F.) vor, wenn der Arbeit­geber seinen Arbeit­nehmern die private Nutzung der Dienst­rechner gestatte. Denn dies erfordere, dass der Arbeit­geber ein an einen außerhalb seiner Sphäre stehenden „Dritten“ gerich­tetes Angebot mache. Da Arbeit­nehmer jedoch der Sphäre des Beschäf­tigten zuzurechnen seien, könnten sie nicht auch „Dritte“ in diesem Sinne sein. (LArbG Berlin‐Brandenburg, Urteil vom 14. Januar 2016 – 5 Sa 657/15 –)

Wenn man dieser Ansicht folgt, bestünde kein Beweisverwertungsverbot.

(Näheres zur Frage, ob der Arbeit­geber die E‑Mails seiner Angestellten lesen darf finden Sie hier.)

Eine Kündigung muss man nicht kampflos hinnehmen!
Rechts­anwaltJan Böhm

Gegen eine Kündigung kann man sich in vielen Fällen wehren!

Eine entspre­chende Kündi­gungs­schutz­klage muss aber innerhalb von drei Wochen beim Arbeits­ge­richt eingehen. Eine Frist­ver­län­gerung ist nur in ganz seltenen Fällen möglich.

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