Auch im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung ist bei immer mehr Arbeitsplätzen ein Zugang zum Internet vorhanden und oft sogar unerlässlich, um die Arbeitsleistung zu erbringen. Da ist es nur menschlich, wenn mal eben der Dienstcomputer benutzt wird, um die privaten E‑Mails zu checken oder schnell die ein oder andere Website zu privaten Zwecken benutzt wird. Dies kann aber unter Umständen zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen. Wer bei der privaten Nutzung des Dienstcomputers jegliches Maß verliert, kann sich leicht einer Abmahnung oder sogar einer Kündigung wegen privater Internetnutzung am Arbeitsplatz ausgesetzt sehen. Entscheidende Aspekte sind, ob der Arbeitgeber die Privatnutzung erlaubt hat und in welchem Ausmaß das Internet für private Zwecke genutzt wird.
Inhaltsverzeichnis
- Abgrenzung dienstliche Nutzung und privater Internetnutzung
- Verstoß gegen ein ausdrückliches Verbot
- Ausdrückliche Erlaubnis oder Duldung
- Auch ohne Regelung grundsätzlich keine Erlaubnis privater Internetnutzung am Arbeitsplatz
- Fristlose Kündigung wegen privater Internetnutzung
- Ordentliche Kündigung wegen privater Internetnutzung
- Abmahnung wegen privater Internetnutzung
- Beweisverwertung
Abgrenzung dienstliche Nutzung und privater Internetnutzung
Dienstliche Nutzung liegt dann vor, wenn ein spezifischer Bezug zu den arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben des Arbeitnehmers oder dienstlichen Anweisungen des Arbeitgebers besteht. Die Nutzung muss objektiv geeignet sein, die dienstlichen Aufgaben zu fördern. Dabei kann die Nutzung sowohl gleichzeitig dienstlich wie auch privat sein, etwa, bei privaten E‑Mails aus dienstlichem Anlass. Eine private Nutzung des Internets, die mit der Arbeit zusammenhängt kann beispielsweise bei der Absage von privaten Terminen, um Überstunden leisten zu können, vorliegen. Wenn kein dienstlicher Bezug vorliegt, geht man dagegen von privater Internetnutzung aus.
Verstoß gegen ein ausdrückliches Verbot
Hat der Arbeitgeber absolut jegliche private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit grundsätzlich verboten, stellt jede Privatnutzung eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers dar. Ob dies arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie eine Abmahnung oder Kündigung rechtfertigt, hängt von der Intensität des Pflichtverstoßes ab. Möchte der Arbeitgeber ganz allgemein jegliche private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit verbieten, unterliegt dies nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.
Ausdrückliche Erlaubnis oder Duldung
Wenn der Arbeitgeber die private Internetnutzung durch schriftlichen Arbeitsvertragszusatz, Betriebsvereinbarung oder Ausübung des Direktionsrechtes erlaubt, kann er Nutzungsregeln aufstellen. Werden zur privaten Nutzung des Internets konkrete Regeln aufgestellt, dürfte gegebenenfalls der Betriebsrat mitbestimmen. Wenn die Nutzungsregeln nicht eingehalten werden, liegt ein Pflichtverstoß vor.
Weiß der Arbeitgeber von privater Internetnutzung des Arbeitnehmers während der Arbeitszeit, schreitet aber nicht ein, kann dies eine, meist stillschweigende, Duldung darstellen. Dies kommt einer generellen Erlaubnis gleich. Zumindest solange der Arbeitgeber die Privatnutzung nicht ausdrücklich verbietet. Wird die private Internetnutzung über längere Zeit nicht beanstandet (es werden Zeiten zwischen einem halben Jahr und 12 Monaten gefordert), wird teilweise auch eine betriebliche Übung angenommen. Der Arbeitnehmer darf dann sogar darauf vertrauen, dass er das Internet im bisherigen Umfang auch weiterhin benutzen kann. (Die Erlaubnis durch betriebliche Übung wird aber durch einige Gerichte kritisch gesehen und abgelehnt.)
Stellt der Arbeitgeber keine Nutzungsregeln auf, sondern erlaubt die private Internetnutzung ausdrücklich oder durch Duldung, so muss im Einzelfall durch Auslegung ermittelt werden, ob die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit in ihrer Art und ihrem Ausmaß noch von der Erlaubnis umfasst war.
Eine solche Gestattung oder Duldung würde sich nämlich – ohne weitere Erklärungen – allenfalls auf eine private Nutzung im normalen bzw. angemessenen zeitlichen Umfang erstrecken.
(BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)
Wenn die private Nutzung des Internets den Rahmen sprengt, kann auch dies einen Pflichtverstoß darstellen.
Selbst wenn im Betrieb der Beklagten eine private Nutzung des Internets an sich erlaubt bzw. geduldet wäre, lässt sich daraus nicht zwingend schließen, diese Nutzung dürfe auch während der Arbeitszeit zeitlich unbegrenzt bzw. in erheblichem Umfang und nicht nur außerhalb der Arbeitszeit, beispielsweise während der Pausen, erfolgen.
(BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)
Umfang privater Internetnutzung am Arbeitsplatz
Aber ab wann ist der zeitlich angemessene Rahmen überschritten? Eine nur kurzfristige Nutzung des Internets während der Arbeitszeit kann grundsätzlich gerade noch hinnehmbar sein, sofern kein absolutes Nutzungsverbot aufgestellt ist. (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)
Allerdings ist nicht festgelegt, wie lange „kurzfristig“ ist. Es kommt auch hier wieder auf den Einzelfall an und die Übergänge sind fließend. Ein paar Sekunden dürften allgemein als „kurzfristig“ gelten. Kurz einen Anruf wegdrücken oder das Handy lautlos bzw. ausstellen dürfte ebenfalls schadlos sein. Eine kurze Erkundigung nach dem Wohlbefinden von Angehörigen? Kommt drauf an. Wenn das Internet dagegen nicht nur minutenweise sondern stundenweise, teilweise sogar den ganzen Arbeitstag zu privaten Zwecken genutzt wird, ist Arbeitsleistung durch die Privatnutzung erheblich beeinträchtigt. Dann dürfte eine private Nutzung nicht mehr hinnehmbar sein und es kann sogar eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. Bei einer übermäßigen privaten Internetnutzung spricht man auch von exzessiver Nutzung.
Exzessive Nutzung
Eine exzessive Nutzung liegt bei einer erheblichen Überschreitung des regelmäßig üblichen Maßes der Internetnutzung vor. Die zeitlichen Übergänge, wann eine exzessive Internetnutzung vorliegt sind fließend und einzelfallabhängig. Die Gerichte bewerten den Umfang, ab wann eine exzessive Nutzung vorliegt, sehr unterschiedlich. Es gibt keine eindeutigen, starren Zeitgrenzen.
Beispiele:
Das Landesarbeitsgericht Köln hat eine tägliche Privatnutzung von etwa 10 Minuten noch als hinnehmbar angesehen. (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11. Februar 2005 – 4 Sa 1018/04 –)
Das Landesarbeitsgericht Rheinland‐Pfalz hat im Einzelfall sogar Nutzungen von insgesamt 5 Stunden in einem Zeitraum von 6 Monaten als nicht exzessiv oder ausschweifend angesehen. (Landesarbeitsgericht Rheinland‐Pfalz, Urteil vom 13. Dezember 2007 – 10 Sa 505/07 –)
Das Landesarbeitsgericht Köln hat bei einem Arbeitnehmer der im Ergebnis an drei ganzen Arbeitstagen sowie im Zwischenzeitraum über kumuliert mehrere Stunden und damit mehr als an fünf kompletten Arbeitstagen, was wiederum mindestens einer Arbeitswoche entspricht, das Internet privat nutzte, diese Privatnutzung als exzessiv bewertet. (LAG Köln Urteil vom 7.2.2020 – 4 Sa 329/19)
Das Bundesarbeitsgericht zieht enge Grenzen und hat eine private Nutzung des Internets in einem Gesamtumfang von 5 Stunden in 2 Monaten als „zeitlich ungewöhnlich umfangreiche private Nutzung“ eingestuft. Wenn im Ergebnis in der Summe ganze Arbeitstage oder gar ganze Arbeitswochen für die private Internetnutzung während der Arbeitszeit aufgewendet werden, kann sogar ein besonders schwerer Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen vorliegen. (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)
Jedenfalls dürfte eine regelmäßige Nutzung über Monate oder in solch einem Ausmaß, dass fast die gesamte Arbeitszeit ausgefüllt ist als exzessiv bewertet werden. Denn dann dürfte sicher sein, dass die vertragliche Arbeitspflicht nicht umfassend erfüllt werden kann.
Bei der Abwägung, ob eine exzessive, ausschweifende Privatnutzung vorliegt, ist zu berücksichtigen, ob ein ausdrückliches, generelles Verbot privater Internetnutzung besteht oder die Privatnutzung generell erlaubt ist. Bei einem Verbot dürfte bereits nach kürzerer Nutzungszeit ein Exzess angenommen werden, als bei einer grundsätzlichen Erlaubnis.
Auch ohne Regelung grundsätzlich keine Erlaubnis privater Internetnutzung am Arbeitsplatz
Auch wenn kein ausdrückliches Verbot besteht, bedeutet das nicht, dass die private Nutzung des Internets erlaubt ist. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer nicht das Recht den dienstlichen Internetanschluss privat zu nutzen. Auch darin kann eine Pflichtverletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten liegen. Entscheidend ist wieder das Ausmaß der privaten Nutzung und ob dadurch die Arbeitsleistung oder zu berücksichtigende Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt werden.
Bei einer privaten Internetnutzung während der Arbeitszeit verletzt der Arbeitnehmer grundsätzlich seine (Hauptleistungs‐) Pflicht zur Arbeit. Die private Nutzung des Internets darf die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht erheblich beeinträchtigen. Die Pflichtverletzung wiegt dabei um so schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt.
(BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 –)
Fristlose Kündigung wegen privater Internetnutzung
Wenn der Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in erheblichem zeitlichen Umfang („ausschweifend”) nutzt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen. (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)
Es wird zweistufig geprüft. Stellt die private Internetnutzung einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung dar, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar werden lässt und überwiegen bei einer Interessensabwägung die Interessen des Arbeitgebers.
wichtiger Grund
als wichtiger Grund kommen unter anderem in Betracht:
- die Verletzung der Arbeitspflicht
- Beeinträchtigung der Systemsicherheit
- Rufschädigung
- Strafbare Handlungen
- Kosten für den Arbeitgeber
- Störungen im Betriebsablauf
Bei der Ermittlung, ob eine kündigungsrelevante Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten vorliegt, müssen alle möglichen Aspekte geprüft werden. (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)
Verletzung der Arbeitspflicht
Wenn die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit geschieht, verletzt der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht zumindest dann, wenn dies außerhalb der Pausenzeiten geschieht und jedenfalls dann, wenn es ein betriebliches Verbot der Nutzung gibt. Denn während des Surfens im Internet oder einer intensiven Betrachtung von Videofilmen oder Computerspielen zu privaten Zwecken erbringt der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht. Er verletzt dadurch seine Arbeitspflicht. Für die Schwere der Pflichtverletzung ist zudem relevant, in welchem zeitlichen Ausmaß die Nutzung erfolgt.
Eine Arbeitspflichtverletzung durch eine exzessive Privatnutzung des Internets kann auch nicht durch etwaige geleistete Überstunden „ausgeglichen” werden. So entschied es zumindest das Landesarbeitsgericht Köln.
Sicherheitsaspekt
Durch das private Downloaden von Dateien steigt auch die Gefahr, dass die IT‐Infrastruktur des Betriebes durch Schadsoftware, Trojaner und Viren geschädigt wird. Das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme ist in Bezug auf die Gefahr für Vireninfektionen oder andere Störungen des – betrieblichen – Betriebssystems zu berücksichtigen. (BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05). Bereits die Möglichkeit einer Vireninfizierung des Betriebssystems durch illegalen Download kann im Einzelfall schon für die Rechtfertigung einer Kündigung ausreichen.
Rufschädigung
Ein Pflichtverstoß kann auch dann vorliegen, wenn es sich bei heruntergeladenen Daten um solche handelt, deren Rückverfolgung zu Rufschädigungen des Arbeitgebers führen kann, weil es sich um strafbare oder pornografische Darstellungen handelt.
Der Aufruf nicht strafbarer, pornografischer Seiten an sich ist noch kein Kündigungsgrund, wenn die private Internetnutzung grundsätzlich erlaubt ist. Allerdings muss abgewogen werden, ob die Nutzung pornografischer Seiten mit dem Dienstrechner einen Imageschaden für den Arbeitgeber bzw. den Betrieb bewirken kann. Zudem kann die Verbreitung pornografischer Schriften und Darstellungen einen Straftatbestand verwirklichen.
Im Falle des fast täglichen umfangreichen Aufrufs verschiedener pornografischer Internetseiten besteht die Gefahr einer Rufschädigung des Arbeitgebers.
(BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 –)
Strafrechtlich relevante Inhalte
Wird durch das private Surfen ein Straftatbestand verwirklicht oder besteht der Verdacht diesbezüglich, kann dies ebenfalls einen wichtigen Grund darstellen, der eine fristlose Kündigung oder eine Verdachtskündigung rechtfertigt. Denkbar sind Verbreitung pornografischer Schriften, Verbreitung Gewalt verherrlichender und volksverhetzender Schriften, Beleidigung, Belästigungen und Mobbing, aber auch Urheberrechtsverletzungen.
Kosten und Geschwindigkeit
Wenn dem Arbeitgeber durch die private Nutzung dienstlichen Internetanschlusses zusätzliche – Kosten entstehen können und der Arbeitnehmer jedenfalls die Betriebsmittel – unberechtigterweise – in Anspruch genommen hat, kann auch dies eine Pflichtverletzung darstellen. Allerdings dürfte dieser Aspekt bei den heutigen pauschalen Nutzungsverträgen weniger stark ins Gewicht fallen. Zu bedenken ist aber eine möglich Verlangsamung des Internetanschlusses durch das Herunterladen bzw. streamen großer Datenmengen. Dies könnte ebenfalls zu Beeinträchtigungen des Betriebsablauf führen.
Interessensabwägung
Wenn also ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung wegen einer erheblichen Pflichtverletzung bejaht wird, ist in der zweiten Stufe abzuwägen, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist. Abgewogen werden das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand. Der Maßstab ist, ob, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, eine fristlose Kündigung noch verhältnismäßig ist.
Ausdrückliches Verbot
Für diese Abwägung ist natürlich relevant, ob es ein Verbot jeglicher privater Internetnutzung gibt. Dann wiegen die Argumente für eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnis natürlich schwerer. Hingegen gilt ohne ein Verbot, eine Regelung oder bei erlaubter Privatnutzung ein etwas lockerer Maßstab und ein größerer Beurteilungsspielraum.
Für den Arbeitnehmer
Für den Arbeitnehmer würde sprechen, wenn die bisherige Beschäftigungszeit beanstandungslos verlief. Besonders bei langjähriger Beschäftigungsdauer. Auch bestehende Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers und möglicherweise schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind zu berücksichtigen.
gegen den Arbeitnehmer
Zulasten des Arbeitnehmers wird es berücksichtigt, wenn die Pflichtverletzung besonders schwerwiegend ist oder wenn der Arbeitnehmer Vorbildfunktion im Betrieb innehatte.
Weitere Beispiele für Aspekte, die gegen eine Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sprechen, sind:
Exzessiver Verstoß
Je nachdem, wie ausufernd die private Internetnutzung ist, wird die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung wahrscheinlicher.
Bewusster, vorsätzlicher, hartnäckiger Verstoß
Ist ein ausdrückliches Verbot der Privatnutzung gerade erst vereinbart, erlassen oder fortlaufend wiederholt worden und verstößt der Arbeitnehmer dennoch im erheblichen Maße dagegen, rechtfertigt ein solch hartnäckiger und uneinsichtiger Verstoß regelmäßig auch eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung. (BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 –, BAGE 118, 104–114)
Denn wenn der Arbeitsvertrag gerade erst unterschrieben wurde oder eine Dienstanordnung, in der die private Internetnutzung ausdrücklich untersagt ist, nur kurze Zeit vor den Verstößen erfolgte, muss der Arbeitnehmer wissen, dass er pflichtwidrig handelt. Dann kann davon ausgegangen werden, dass der Verstoß vorsätzlich erfolgte. Das wiegt schwer zulasten des Interesses des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Ablenkung bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten
Es wirkt sich auch nachteilig aus, wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit auch Überwachungsfunktion ausübt und durch die Internetnutzung abgelenkt ist. Beispielsweise bei der technischen Überwachung von Geräten und Maschinen oder bei anderen sicherheitsrelevanten Tätigkeiten.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Leistungspflicht umso schwerer wiegt, als zur Tätigkeit des Klägers als Erstmann auch wesentlich eine Aufsichtsfunktion gehört. Er hat die Einhaltung von sicherheitsrelevanten Standards zu überwachen.
(BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 –)
Ordentliche Kündigung wegen privater Internetnutzung
Eine Kündigung muss durch einen Kündigungsgrund sozial gerechtfertigt sein, sofern das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist. Letzteres ist der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate ohne Unterbrechung andauerte und im Betrieb regelmäßig mehr als 10 Mitarbeiter angestellt sind.
Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt‐ oder Nebenpflichten erheblich und schuldhaft verletzt hat. Zudem darf eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten sein. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden.
Die oben genannten Pflichtverletzungen sind auch geeignete Gründe, eine verhaltensbedingte fristgemäße Kündigung zu rechtfertigen.
Der Unterschied besteht im Grunde auch nur darin, dass nach der Interessensabwägung zugunsten Arbeitnehmers angenommen werden darf, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist. Aber auch im Rahmen der ordentlichen – fristgemäßen – Kündigung ist, nach Feststellung eines Pflichtenverstoßes durch das Verhalten des Arbeitnehmers, eine Interessensabwägung vorzunehmen. Überwiegt das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortsetzung, ist die Kündigung gerechtfertigt.
(Näheres zur verhaltensbedingten Kündigung können Sie im entsprechenden Artikel hier bei uns lesen.)
Regelmäßig wird aber der verhaltensbedingten, fristgemäßen Kündigung eine Abmahnung vorausgehen müssen.
Abmahnung wegen privater Internetnutzung
Grundsätzlich muss bei Kündigungen, die auf Gründen aus dem Verhalten des Arbeitnehmers basieren, vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt werden, um den Arbeitnehmer auf sein Fehlverhalten hinzuweisen und ihn zu warnen. Dadurch soll bereits eine Veränderung im Arbeitnehmerverhalten und eine Beendigung der Pflichtverletzungen erreicht werden. Denn es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 284/10)
Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nur dann nicht, wenn bereits vor Ausspruch der Kündigung erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht. Oder wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. (BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11)
Ob der Arbeitnehmer bei der privater Internetnutzung sofort mit der Kündigung rechnen muss oder zunächst abgemahnt werden muss, hängt also von der Schwere seiner Pflichtverletzung ab. Indizien für eine solche Schwere sind der Verstoß gegen ein ausdrückliches und regelmäßig wiederholtes Verbot, großer zeitlicher Umfang der Privatnutzung sowie großer möglicher Sach‐ oder Personenschaden durch die private Internetnutzung.
Beweisverwertung
Der Arbeitgeber trägt die Darlegungslast und Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtenverletzung durch den Arbeitnehmer. Also ob und wenn ja, wie intensiv, eine private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit erfolgte. Der Arbeitgeber kann die technischen Möglichkeiten haben, die E‑Mails des Arbeitnehmers oder seine Log‐Daten, Chroniken des Internetbrowsers u.s.w. einzusehen und dem Gericht vorzulegen. Die Frage ist aber, ob er diese Daten auch als Beweis verwenden darf.
Möglicherweise könnte sich aus dem Datenschutz ein prozessuales Verwertungsverbot ergeben, welches die Verwendung gewonnener Informationen über den Arbeitnehmer bzw. seiner personenbezogenen Daten verhindert.
Personenbezogene Daten sind beispielsweise die Chronik eines Internetbrowsers. Sie weisen aus, wann vom Nutzer welche Seiten im Internet mit welchem Titel aufgerufen wurden. Darin liegen persönliche bzw. sachliche Verhältnisse des Nutzers des Rechners im Hinblick auf sein Verhalten. (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 7. Februar 2020 – 4 Sa 329/19 –)
Bei Verbot der Privatnutzung
Ist die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit nicht ausdrücklich erlaubt bzw. verboten, ist das Fernmeldegeheimnis aus § 3 TTDSG (Telekommunikation‐Telemedien‐Datenschutz‐Gesetz) nicht anwendbar. Personenbezogene Daten dürfen dann nach § 26 Abs. 1 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) zur Kontrolle der Einhaltung des Privatnutzungsverbots verarbeitet werden. Beweise, die im Rahmen einer solchen Missbrauchskontrolle gewonnen werden, dürfen prozessual verwendet werden. Die Kontrollen müssen aber verhältnismäßig sein. Eine dauerhafte Kontrolle aufgrund bloßer Mutmaßungen ist unzulässig. Stichprobenhafte Überprüfung ist dagegen zulässig, wenn dies keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellt und der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entspricht. (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 –)
Legitimes Interesse
Der Arbeitgeber hat ein legitimes Interesse daran, Verstöße gegen ein bestehendes Verbot der Privatnutzung des Internets feststellen zu können. (Landesarbeitsgericht Köln, 4 Sa 329/19)
Ebenso darf der Arbeitgeber unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG auf personenbezogene Daten zugreifen, wenn dies zur Aufdeckung von Straftaten erforderlich ist.
Beteiligung des Betriebsrates
Möchte der Arbeitgeber den Internet‐ und E‑Mail‐Verkehr technisch überwachen, muss er den Betriebsrat beteiligen. Dieser hat dann nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht.
Einwilligung des Arbeitnehmers
Eine Verarbeitung der personenbezogenen Daten kann nach § 26 Abs. 2 BDSG auch aufgrund einer freiwilligen Einwilligung des Arbeitnehmers erfolgen. Diese muss aber ausdrücklich erfolgen. Die Einwilligung darf nicht aus dem Schweigen des Arbeitnehmers geschlossen werden.
Allein in der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer einer ihm mitgeteilten Maßnahme nicht entgegen tritt, liegt keine Einverständniserklärung in die Informationserhebung. Das Unterlassen eines Protests kann nicht mit einer Einwilligung gleichgesetzt werden.
(BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 –)
Bei Erlaubnis
Sofern der Arbeitgeber die private Nutzung des Internets erlaubt hat, ist, neben den oben erläuterten Voraussetzungen, zu überlegen, ob er dem Fernmeldegeheimnis unterliegt. Dies ist umstritten.
Befürworter eines Beweisverwertungsverbotes
Die Befürworter sind der Ansicht, der Arbeitgeber sei Dienstanbieter im Sinne des § 3 Nr. 1 Telekommunikationsgesetz und § 3 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG (Telekommunikation‐Telemedien‐Datenschutz‐Gesetz).
Dann muss der Arbeitgeber das Fernmeldegeheimnis wahren. Es dürfen dann Kenntnisse über Tatsachen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, nicht verwendet werden, wenn es nicht für die Erbringung der Telekommunikationsdienste oder für den Betrieb ihrer Telekommunikationsnetze oder ‑anlagen, einschließlich ihres Schutzes notwendig ist. Das schließt Verbindungsdaten sowie die Einsichtnahme in gespeicherte (und archivierte) E‑Mails ein. Eine Verwendung wäre nur in seltenen Ausnahmefällen, beispielsweise zur Aufklärung von Straftaten, möglich.
Verstößt der Arbeitgeber bei der Erlangung von Beweisen, dass der Arbeitnehmer das Internet privat nutzte, gegen das Fernmeldegeheimnis, unterliegen diese Daten einem Beweisverwertungsverbot.
Gegner eines Beweisverwertungsverbots
Nach anderer Ansicht, die u.a. die Landesarbeitsgerichte Berlin‐Brandenburg und Niedersachsen vertreten, sei das Fernmeldegeheimnis im Arbeitsrecht nicht anwendbar.
Der Arbeitgeber falle nicht unter den Anwendungsbereich des TKG (Telekommunikationsgesetz) und TTDSG, da der Arbeitgeber kein Dienstanbieter im Sinne des TKG und der Arbeitnehmer nicht Dritter im Sinne des § 3 Nr. 10 TKG (alte Fassung) sei. Es liege kein geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne des § 3 Nrn. 6 und 10 TKG (a.F.) vor, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die private Nutzung der Dienstrechner gestatte. Denn dies erfordere, dass der Arbeitgeber ein an einen außerhalb seiner Sphäre stehenden „Dritten“ gerichtetes Angebot mache. Da Arbeitnehmer jedoch der Sphäre des Beschäftigten zuzurechnen seien, könnten sie nicht auch „Dritte“ in diesem Sinne sein. (LArbG Berlin‐Brandenburg, Urteil vom 14. Januar 2016 – 5 Sa 657/15 –)
Wenn man dieser Ansicht folgt, bestünde kein Beweisverwertungsverbot.
(Näheres zur Frage, ob der Arbeitgeber die E‑Mails seiner Angestellten lesen darf finden Sie hier.)
Eine Kündigung muss man nicht kampflos hinnehmen!
Gegen eine Kündigung kann man sich in vielen Fällen wehren!
Eine entsprechende Kündigungsschutzklage muss aber innerhalb von drei Wochen beim Arbeitsgericht eingehen. Eine Fristverlängerung ist nur in ganz seltenen Fällen möglich.
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