Die verhaltensbedingte Kündigung

Wenn der Arbeit­nehmer durch sein Handeln oder Unter­lassen eine Haupt­pflicht oder Neben­pflicht aus seinem Arbeits­vertrag verletzt, kann nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG eine verhal­tens­be­dingte Kündigung gerecht­fertigt sein. Eine verhal­tens­be­dingte Kündigung hat aber für den Arbeit­nehmer mitunter drastische Folgen. Daher werden hohe Anfor­de­rungen an die Recht­mä­ßigkeit bzw. soziale Recht­fer­tigung der verhal­tens­be­dingten Kündigung gestellt.

Wenn der Arbeit­nehmer durch ein ihm zurechen­bares, steuer­bares Verhalten eine arbeits­ver­trag­liche Pflicht schuldhaft verletzt, kann darin ein Grund liegen, der  nach § 1 Abs. 2 KSchG eine verhal­tens­be­dingte Kündigung recht­fer­tigen kann, sofern das Kündi­gungs­schutz­gesetz anwendbar ist.

 

Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes

Das Kündi­gungs­schutz­gesetz (KSchG) ist anwendbar, wenn in einem Betrieb mehr als 10 Mitar­beiter angestellt sind. Außerdem muss der Arbeit­nehmer im Unter­nehmen länger als 6 Monate ohne Unter­bre­chung tätig gewesen sein. Freie Mitar­beiter sind vom KSchG ausgeschlossen.

 

Voraussetzungen der verhaltensbedingten Kündigung

Damit eine verhal­tens­be­dingte Kündigung begründet ist, müssen folgende Voraus­set­zungen vorliegen:

  • Ein Verstoß gegen arbeits­ver­trag­liche Pflicht des Arbeitnehmers,
  • die Schuld­haf­tigkeit des Handelns des Arbeitnehmers,
  • die Kündigung ist das verhält­nis­mäßige Mittel,
  • bei einer Inter­es­sen­ab­wägung überwiegen die Inter­essen des Arbeitgebers.
 

Vertragsverletzung oder Verletzung einer Nebenpflicht

Als Vertrags­ver­letzung kommen Handlungen oder Unter­las­sungen in Betracht, die arbeits­ver­trag­liche Leistungs­stö­rungen, Verstöße gegen Verhal­tens­pflichten, Störungen im Vertrau­ens­be­reich oder eine Verletzung von Neben­pflichten darstellen.

 

Umfang der arbeitsvertraglichen Pflichten

Was arbeits­ver­trag­liche Pflichten sind, ist teilweise im Arbeits­vertrag geregelt. Nach § 2 NachwG (Nachweis­gesetz) muss die vom Arbeit­nehmer zu leistende Tätigkeit bereits im Arbeits­vertrag kurz charak­te­ri­siert werden. Ebenso der Arbeitsort, die Arbeitszeit und andere Arbeits­be­din­gungen. Selbst­ver­ständ­lich­keiten, beispiels­weise, dass die Arbeit auch tatsächlich und persönlich geleistet wird, müssen nicht besonders erwähnt werden. Arbeits­ver­trag­liche Pflichten werden durch das Weisungs­recht des Arbeit­gebers konkre­ti­siert, sofern die Tätigkeit nur allgemein umschrieben ist.

Pflicht­ver­let­zungen können beispiels­weise in Verspä­tungen, Verwei­gerung der Arbeit oder von Überstunden, langsamer oder fehler­hafter Arbeit oder in Neben­be­schäf­tigung bei der Konkurrenz zum Nachteil des Arbeit­gebers bestehen.

 

Nebenpflichten

Die Verletzung einer Neben­pflicht kann durch Tätlich­keiten oder Belei­di­gungen von Vorge­setzten, Mitar­beitern, Kunden oder Schutz­be­foh­lenen sowie durch Straf­taten wie Diebstahl oder Betrug (sofern diese das Unter­nehmen konkret beein­träch­tigen) oder durch Verstoß gegen betrieb­liche Regeln, wie ein Alkohol­verbot, Sicher­heits­be­stim­mungen oder ein Verbot der Privat­nutzung des Internets erfolgen.

(Näheres zu verhal­tens­be­dingten Kündi­gungen wegen privater Nutzung des Internets am Arbeits­platz können Sie hier lesen.)

Neben­pflichten können ausdrücklich vereinbart sein (beispiels­weise im Arbeits­vertrag) oder sich aus der allge­meinen Treue­pflicht gegenüber dem Arbeit­geber ergeben.

Treue­pflicht bedeutet, dass der Arbeit­nehmer bei seiner Arbeit das Eigentum und andere Rechts­güter des Arbeit­gebers vor Schaden oder Verschlech­terung bewahren muss. Außerdem ist der Arbeit­nehmer aus der Treue­pflicht heraus verpflichtet, auch außerhalb des Vertrags­ver­hält­nisses alles zu unter­lassen, was den Vertrags­zweck gefährden oder das gegen­seitige Vertrauen erschüttern kann.

Primär kommt es natürlich auf das Verhalten während der Arbeit an. Außer­dienst­liches Verhalten recht­fertigt nur dann eine verhal­tens­be­dingte Kündigung, wenn es das Arbeits­ver­hältnis konkret beein­trächtigt. Beispiels­weise wenn dies zur Minder­leistung bzw. Schlecht­leistung des Arbeit­nehmers führt, die betrieb­liche Verbun­denheit stört oder den Vertrau­ens­be­reich der Vertrags­partner beeinträchtigt.

 

Steuerbares Handeln

Für eine verhal­tens­be­dingte Kündigung muss das vorwerfbare Verhalten, in Abgrenzung zur perso­nen­be­dingten Kündigung, vom Arbeit­nehmer willentlich steuerbar sein. Im Gegensatz zum perso­nen­be­dingten Kündi­gungs­grund könnte man hier sagen: Der Arbeit­nehmer kann seine Arbeits­leistung vertrags­gemäß erbringen, will aber nicht. Die Abgrenzung kann mitunter schwierig sein, wenn ein Verhalten des Arbeit­nehmers dazu führt, dass seine Arbeits­fä­higkeit dauerhaft beein­trächtigt wird. Beispiels­weise kann übermä­ßiger Alkohol­konsum in der Freizeit zu Arbeits­aus­fällen während der Arbeitszeit führen. Oder ein Arbeit­nehmer verweigert Fortbil­dungs­maß­nahmen und verliert dadurch seine fachliche Eignung für die Ausübung seiner Tätigkeit.

 

Schuldhaftes Verhalten

Für die Recht­fer­tigung einer verhal­tens­be­dingten Kündigung wird wegen der in ihr vorzu­neh­menden Inter­es­sen­ab­wägung regel­mäßig ein schuld­haftes und vorwerf­bares Verhalten gefordert. Es wird sowohl vorsätz­liches als auch fahrläs­siges Verhalten erfasst. Die Schuld­haf­tigkeit eines Pflich­ten­ver­stoßes wird in vielen Fallkon­stel­la­tionen automa­tisch vermutet. Auch ein Irrtum über die Vertrags­wid­rigkeit eines Verhaltens wird grund­sätzlich als schuldhaft angesehen. Der Arbeit­nehmer muss dann beweisen, dass sein Verhalten entschuldbar bzw. gerecht­fertigt war.

 

Verhältnismäßigkeit

Die verhal­tens­be­dingte Kündigung muss verhält­nis­mäßig sein. Dazu muss sie ultima ratio, das letzte Mittel sein und in einer abgestuften Prüfung als verhält­nis­mäßig festge­stellt werden.

 

ultima ratio

Die Kündigung soll den Arbeit­nehmer nicht bestrafen, sondern immer nur ultima ratio, also das letzte Mittel sein, um die Beein­träch­ti­gungen für den Arbeit­geber bzw. seinen Betrieb zu beenden und zukünftig zu verhindern. Daher ist vor Ausspruch der verhal­tens­be­dingten Kündigung grund­sätzlich mindestens eine Abmahnung zu erteilen, damit der Arbeit­nehmer die Lage erkennen kann und die Möglichkeit hat, sein Verhalten zu ändern.

Durch das Erfor­dernis einer Abmahnung vor Ausspruch einer verhal­tens­be­dingten Kündigung soll der mögliche Einwand des Arbeit­nehmers ausge­räumt werden, er habe die Pflicht­wid­rigkeit seines Verhaltens nicht gekannt oder jeden­falls nicht damit rechnen müssen, der Arbeit­geber sehe dieses Verhalten als so schwer­wiegend an, dass er zu kündi­gungs­recht­lichen Konse­quenzen greifen werde

(BAG, Urteil vom 31. August 1989 – 2 AZR 13/89 –)

Wiederholt der Arbeit­nehmer sein vertrags­ver­let­zendes Verhalten dennoch, kann vom Arbeit­nehmer eine Prognose getroffen werden, dass sich das Verhalten vertrags­ver­letzend darstellen und zu Beein­träch­ti­gungen führen wird.

 

Abmahnung

Bei der verhal­tens­be­dingten Kündigung ist grund­sätzlich eine Abmahnung notwendig, damit die Kündigung recht­mäßig ist. Mit einer Abmahnung bringt der Arbeit­geber deutlich zum Ausdruck, dass er das Verhalten des Arbeit­nehmers missbilligt und bei einer Wieder­holung eine Kündigung drohen könnte. Die Abmahnung wird üblicher­weise in die Perso­nalakte aufgenommen.

Die Abmahnung hat drei Funktionen.

Hinweis

Mit der Abmahnung macht der Arbeit­geber den Arbeit­nehmer darauf aufmerksam, dass er ein bestimmtes Verhalten als arbeits­ver­trags­widrig ansieht. Dieses Fehlver­halten muss so detail­liert wie möglich beschrieben werden, möglichst mit Datum und Uhrzeit. Pauschale Hinweise reichen nicht. Das Verhalten muss deutlich als Vertrags­verstoß hervor­ge­hoben werden.

Warnung

Mit der Abmahnung fordert der Arbeit­geber den Arbeit­nehmer auf, dieses Verhalten zukünftig zu unter­lassen und warnt ihn unmiss­ver­ständlich, dass bei Wieder­holung dieses Verhaltens eine Kündigung drohen könnte. Das Bundes­ar­beits­ge­richt lässt es auch ausreichen, wenn in der Abmahnung „arbeits­recht­liche Konse­quenzen“ angedroht werden.

Eine ausdrück­liche Kündi­gungs­an­drohung ist dafür nicht erfor­derlich. Es ist ausrei­chend, wenn der Arbeit­nehmer erkennen kann, der Arbeit­geber werde im Wieder­ho­lungsfall mögli­cher­weise auch mit einer Kündigung reagieren.

(BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 258/11 –)

Ohne eine ausdrück­liche Mahnung, dass bei Wieder­holung des beanstan­deten Verhaltens mit der Kündigung bzw. arbeits­recht­lichen Konse­quenzen zu rechnen ist, handelt es sich um keine Abmahnung. Es dürfte sich dann vielmehr um eine Ermahnung handeln.

Dokumen­tation

Durch die Abmahnung dokumen­tiert der Arbeit­geber, dass er Sie auf das Fehlver­halten sowie auf die Folgen hinge­wiesen hat und welches konkrete Verhalten er rügt. Damit schafft er eine beweisbare Grundlage für eine mögliche, negative Verhal­tens­pro­gnose einer mögli­cher­weise folgenden Kündigung.

 
Abmahnberechtigung, wer darf abmahnen?

Meistens wird der Arbeit­geber abmahnen. Abmahnen darf aber grund­sätzlich jede Person, die auf Grund ihrer Aufga­ben­stellung dazu befugt ist, arbeits­be­dingte Anwei­sungen zu erteilen. Sie muss nicht berechtigt sein, eine Kündigung auszusprechen.

 
Zu welchem Zeitpunkt muss abgemahnt werden?

Es gibt keine generelle Ausschluss­frist für eine Abmahnung. Aller­dings kann eine Abmahnung ihre Funktion, eine Kündigung vorzu­be­reiten, verlieren, wenn der gerügte Verstoß längere Zeit zurück­liegt und dieses Fehlver­halten seither nicht wiederholt wurde. Wie lange dieser Zeitraum ist, hängt vom Einzelfall ab.

 
Wie oft muss abgemahnt werden?

Eine verhal­tens­be­dingte Kündigung setzt keine bestimmte Anzahl von Abmah­nungen voraus. Je nach Schwere des Fehlver­haltens kann bereits eine einzige Abmahnung ausreichen, um dem Arbeit­nehmer deutlich zu machen, dass bei der nächsten Wieder­holung des Verhaltens die Kündigung folgen kann. Es kommt auf den Einzelfall an, wie viele Warnungen als notwendig angesehen werden, damit der Arbeit­nehmer die Ernst­haf­tigkeit der Lage erkennen musste. Darüber hinaus hängt es davon ab, wie lange etwaige Pflicht­ver­stöße ausein­ander liegen. Liegen sie zeitlich nahe beiein­ander, kann eine Abmahnung ausreichen. Zeigt der Arbeit­nehmer zwischen den Verstößen das gerügte Verhalten geraume Zeit nicht, dürfte eine erneute Abmahnung nötig sein.

 
Viele Abmahnungen

Mahnt der Arbeit­geber mehrfach wegen desselben Verhaltens ab, ohne daraus Konse­quenzen zu ziehen, muss er dann aber deutlich machen, wenn eine Abmahnung „wirklich“ die letzte vor der Kündigung sein soll. Wenn zu viele Abmah­nungen ohne Konse­quenzen ausge­sprochen werden, könnte daraus geschlossen werden, dass still­schweigend auf eine Kündigung verzichtet werden soll.

 
Keine Abmahnung

Eine Abmahnung kann sogar ausnahms­weise entbehrlich sein, wenn nicht damit gerechnet werden muss, dass durch eine Abmahnung das Vertrau­ens­ver­hältnis wieder­her­ge­stellt werden kann oder wenn eine Warnung des Arbeit­nehmers überflüssig ist. Dies kann der Fall sein, wenn die Pflicht­ver­letzung des Arbeit­nehmers sehr schwer war oder wenn sie den Vertrau­ens­be­reich des Arbeits­ver­hält­nisses betrifft, beispiels­weise bei Diebstahls­fällen oder Unter­schlagung. Wenn das Verhalten des Arbeit­nehmers zu einer massiven Störung des Vertrau­ens­ver­hält­nisses der Parteien führt, kann eine Weiter­be­schäf­tigung im Arbeits­ver­hältnis für den Arbeit­geber unzumutbar werden. Ein Verhalten, dass zu einem erschüt­terten Vertrau­ens­ver­hältnis führt, muss nur in wenigen Ausnah­me­fällen abgemahnt werden.

Ist der Pflich­ten­verstoß derart offen­sichtlich, dass der Arbeit­nehmer sie auch ohne Warnung des Arbeit­gebers erkennen muss, ist eine Abmahnung überflüssig und damit entbehrlich.

Bei einer Kündigung aus verhal­tens­be­dingten Gründen ist eine Abmahnung jeden­falls dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflicht­ver­let­zungen geht, deren Rechts­wid­rigkeit für den Arbeit­nehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeit­geber offen­sichtlich ausge­schlossen ist.

(BAG, Beschluss vom 10. Februar 1999 – 2 ABR 31/98 –, BAGE 91, 30–40)

Übrigens kann eine voran­ge­gangene Kündigung, bei der ein Kündi­gungs­sach­verhalt festge­stellt wurde und die Kündigung nur aus formellen Gründen für unwirksam erklärt wurde, im fortdau­ernden Arbeits­ver­hältnis durchaus als Abmahnung wirken. Denn der Arbeit­geber hat ja deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Verhalten des Arbeit­nehmers missbilligt und diesem beim nächsten Verstoß durch eine Kündigung begegnen will. (BAG, Urteil vom 31. August 1989 – 2 AZR 13/89 –)

 
Muss schriftlich abgemahnt werden?

Die Abmahnung ist zwar auch wirksam, wenn sie nur ausge­sprochen wird. Aller­dings ist eine mündliche Kündigung schwerer zu beweisen. Die Darle­gungslast und Beweislast trägt in diesem Fall der Arbeit­geber. Daher werden Abmah­nungen in der Regel schriftlich erteilt.

 

Sonstige mildere Mittel

Neben der Abmahnung stehen dem Arbeit­geber mitunter auch noch andere Mittel zur Verfügung, um die Beein­träch­tigung durch das Verhalten des Arbeit­nehmers zu besei­tigen und zu verhindern.

 
Versetzung

Im Rahmen der Verhält­nis­mä­ßigkeit der Mittel muss der Arbeit­geber prüfen, ob eine Möglichkeit besteht, die Beein­träch­ti­gungen durch das Verhalten des Arbeit­nehmers durch eine Versetzung auf einen anderen, freien Arbeits­platz erreicht werden kann. Dies könnte der Fall sein, wenn anzunehmen ist, dass der Arbeit­nehmer sein Verhalten an dem neuen Arbeits­platz bzw. der neuen Tätigkeit nicht wieder­holen wird. Rein logisch kommt dieses Mittel nur dann in Betracht, wenn das Verhalten des Arbeit­nehmers sich spezi­fisch auf diesen Arbeits­platz bezieht und nicht unabhängig vom Arbeits­platz gezeigt wird.

 
Änderungskündigung

Ein weiteres milderes Mittel, das einer verhal­tens­be­dingten Beendi­gungs­kün­digung vorzu­ziehen wäre, ist die Änderungs­kün­digung. Durch diese wird das bisherige Arbeits­ver­hältnis aufgelöst, aber zeitgleich der Abschluss eines neuen Arbeits­ver­hältnis zu geänderten Bedin­gungen angeboten. Die neuen Vertrags­be­din­gungen sollten aller­dings für beide Seite zumutbar sein und nicht zu einer völlig unter­wer­tigen Beschäf­tigung führen. Das Angebot einer Änderungs­kün­digung kann unter­bleiben, wenn der Arbeit­nehmer von vornherein eine Beschäf­tigung auf einem anderen Arbeits­platz ablehnt.

(Näheres lesen Sie dazu im Artikel zur Änderungskündigung)

 

Abgestufte Prüfung

Im Rahmen der abgestuften Prüfung muss festzu­stellen sein, dass durch ein objektiv schuld­haftes, pflicht­widrige Verhalten des Arbeit­nehmers der Betrieb des Arbeit­gebers zukünftig konkret beein­trächtigt werden wird. Zudem muss im Rahmen einer Inter­es­sen­ab­wägung die Kündigung als angemes­senes Mittel festge­stellt werden, dies zu verhindern.

 

1) Objektive Pflichtenverletzung als Grund

Ist ein bestimmter Verstoß gegen arbeits­ver­trag­liche Pflichten bereits ohne die beson­deren Umstände des Einzel­falls objektiv geeignet, eine verhal­tens­be­dingte Kündigung zu rechtfertigen?

Entscheidend ist dafür nicht, ob der Arbeit­geber dies subjektiv so sieht, sondern es wird objektiv betrachtet, ob ein beson­nener und verstän­diger Arbeit­geber dieses Verhalten als Kündi­gungs­grund sehen würde.

Für eine verhal­tens­be­dingte Kündigung genügen solche im Verhalten des Arbeit­nehmers liegende Umstände, die bei verstän­diger Würdigung in Abwägung der Inter­essen der Vertrags­par­teien und des Betriebes die Kündigung als billi­genswert und angemessen erscheinen lassen. Dabei ist nicht von dem Stand­punkt des jewei­ligen Arbeit­gebers auszu­gehen. Vielmehr gilt ein objek­tiver Maßstab. Als verhal­tens­be­dingter Grund ist insbe­sondere eine rechts-(vertrags)widrige Pflicht­ver­letzung aus dem Arbeits­ver­hältnis geeignet, wobei regel­mäßig Verschulden erfor­derlich ist; die Leistungs­störung muß dem Arbeit­nehmer vorwerfbar sein.

(BAG, Urteil vom 21. November 1996 – 2 AZR 357/95 –)
 
Beispiele für Pflichtverletzungen

Anerkannte Pflicht­ver­let­zungen sind beispiels­weise: Abkehr­wille des Arbeit­nehmers, Störung des Betriebs­friedens, Abwerbung von Kollegen für andere Betriebe, Nicht­leistung oder Minder­leistung der Arbeit, Inter­net­nutzung oder Email‐Nutzung während der Arbeitszeit, Mobbing gegen Kollegen oder den Arbeit­geber, Ausübung unzuläs­siger Neben­tä­tigkeit und strafbare Handlungen gegen den Arbeit­geber, Kollegen oder Dritte.

 
negative Prognose

Der Arbeit­geber muss eine Prognose darüber anstellen, ob auch in Zukunft mit einer Wieder­holung des gerügten Verhaltens seitens des Arbeit­nehmers zu rechnen ist. Allein das in der Vergan­genheit liegende Verhalten des Arbeit­nehmers reicht nicht aus, um eine verhal­tens­be­dingte Kündigung zu recht­fer­tigen. Üblicher­weise ist die der Kündigung voraus­ge­hende Abmahnung der ausschlag­ge­bende Anhalts­punkt für die Prognose des Arbeit­gebers. Wenn dem Arbeit­nehmer nach der Abmahnung klar sein musste, dass der Arbeit­geber dieses Verhalten nicht duldet und mit einer Kündigung reagieren wird und er es dennoch wiederholt, muss der Arbeit­geber damit rechnen, dass dies auch zukünftig immer wieder passieren wird.

Nach Zugang der Kündigung entstandene Gründe sind für die soziale Recht­fer­tigung der bereits ausge­spro­chenen Kündigung ohne Belang, sie können aber Grund für eine weitere Kündigung sein.

 

2) Interessenabwägung

Zur sozialen Recht­fer­tigung der verhal­tens­be­dingten Kündigung muss in der zweiten Stufe abgewogen werden, ob in diesem konkreten Einzelfall, unter Berück­sich­tigung aller Umstände, unter Abwägung der Inter­essen des Arbeit­gebers an der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses mit dem Interesse des Arbeit­nehmers an der Fortführung des Arbeits­ver­hält­nisses, die Kündigung „angemessen und billi­genswert“ ist. 

Auf Seiten des Arbeit­gebers ist das Interesse beispiels­weise zu berück­sich­tigen, Betriebs­ab­lauf­stö­rungen zu beenden sowie die Funkti­ons­fä­higkeit des Betriebes aufrecht zu erhalten, Vermö­gens­schaden zu vermeiden, den Betriebs­frieden zu wahren, Image­schaden für den Betrieb abzuwenden sowie die übrige Beleg­schaft zu schützen.

Im Sinne des Arbeit­nehmers ist beispiels­weise die Dauer des Arbeits­ver­hält­nisses, die Häufigkeit und Schwere der Pflicht­ver­stöße, zu berück­sich­tigen. Auch ist relevant, ob der Arbeit­geber das Verhalten lange durch­gehen ließ und ob das Verhalten des Arbeit­nehmers lange Zeit beanstan­dungsfrei war.

Auch Unter­halts­pflichten und der Famili­en­stand können – je nach Lage des Falles – Bedeutung gewinnen. Sie sind jeden­falls nicht von vornherein von der Berück­sich­tigung ausge­schlossen.

(BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 415/05 –)

Das Gericht hat bei der Inter­es­sens­ab­wägung einen Ermes­sens­spielraum und wird die gesamten Umstände des konkreten Einzel­falls berück­sich­tigen. Deswegen kann man nicht pauschal sagen, welche Inter­essen überwiegen.

 

Kündigungsfristen bei der verhaltensbedingten Kündigung

Bei der Kündigung aus verhal­tens­be­dingtem Grund ist sowohl die ordent­liche Kündigung, als auch die außer­or­dent­liche (fristlose) Kündigung möglich.

Bei eine ordent­lichen (frist­ge­mäßen) Kündigung ergeben sich die Fristen aus § 622 BGB oder dem Arbeits­vertrag bzw. Tarif­vertrag. Die sogenannte „fristlose Kündigung“ ist aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündi­gungs­frist nur dann möglich, wenn eine Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses bis zum Ablauf der Kündi­gungs­frist einer der Vertrags­par­teien nicht zugemutet werden kann. (Näheres siehe Artikel zur frist­losen Kündigung)

 

Schriftform der verhaltensbedingten Kündigung

Die Kündigung muss nach § 626 BGB schriftlich erfolgen. Das gilt sowohl für Kündi­gungen durch den Arbeit­geber als auch für den Arbeit­nehmer. Die Schriftform der Kündigung ist sowohl bei der ordent­lichen, als auch bei der frist­losen Kündigung vorge­schrieben. Die Kündigung hat klar, eindeutig und bestimmt zu sein. Sie muss deutlich zum Ausdruck bringen, dass das Arbeits­ver­hältnis beendet sein soll.

(Näheres zur Schriftform der Kündigung können Sie hier in unserem Artikel lesen.

 

Betriebsrat

Gibt es in dem Unter­nehmen einen Betriebsrat, so muss der Arbeit­geber diesen gemäß § 102 Absatz 1 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung des Arbeits­ver­trages anhören, damit sie nicht unwirksam ist. Sofern der Arbeit­geber frist­ge­recht Kündi­gungs­schutz­klage erhebt, würde bei ausge­blie­bener Anhörung die Kündigung vom Arbeits­ge­richt aufge­hoben werden. In einem solchen Fall hat der Arbeit­nehmer mit seiner Kündi­gungs­schutz­klage sichere Aussicht auf Erfolg. Der Betriebsrat kann in bestimmten Fällen wie etwa bei der unzurei­chenden Berück­sich­tigung sozialer Kriterien der Kündigung widersprechen.

 

Sperrzeit

Wenn der Arbeit­nehmer durch arbeits­ver­trags­wid­riges Verhalten Grund zur Kündigung gibt und dadurch die Arbeits­lo­sigkeit herbei­führt, wird die Agentur für Arbeit in der Regel eine Sperrzeit von 12 Wochen verhängen. Das bedeutet, das Arbeits­lo­sengeld 1 wird nicht ausge­zahlt. Diese Zahlung wird auch nicht nachgeholt. Der Arbeits­lo­sen­geld­an­spruch wird um 12 Wochen verringert. 

 

Frist zur Einlegung der Kündigungsschutzklage

Wenn sich der Arbeit­nehmer gegen die Kündigung wehren will, so muss er sich innerhalb von 3 Wochen nach Zustellung der Kündi­gungs­er­klärung eine Kündi­gungs­schutz­klage vor dem örtlich zustän­digen Arbeits­ge­richt erheben. Die Einhaltung dieser 3‑Wochen‐Frist ist ganz wichtig. Nach ihrem Ablauf gibt in der Regel keine recht­liche Möglichkeit mehr, um sich gegen die Kündigung zu vertei­digen. Die Kündigung wird dann bestands­kräftig, auch wenn die Kündi­gungs­gründe mögli­cher­weise ursprünglich gar nicht für eine Kündigung ausge­reicht hätten oder der Arbeit­geber sie gar nicht hätte beweisen können.

Eine Kündigung muss man nicht kampflos hinnehmen!
Rechts­anwaltJan Böhm

Gegen eine Kündigung kann man sich in vielen Fällen wehren!

Eine entspre­chende Kündi­gungs­schutz­klage muss aber innerhalb von drei Wochen beim Arbeits­ge­richt eingehen. Eine Frist­ver­län­gerung ist nur in ganz seltenen Fällen möglich.

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