Kündigung wegen Alkohol Kann mir der Arbeit­geber wegen Alkohol am Arbeits­platz den Arbeits­vertrag kündigen?

Der Arbeit­nehmer ist durch seinen Arbeits­vertrag dazu verpflichtet, seine Arbeits­leistung zu erbringen. Als Neben­pflicht hat er dafür zu sorgen, dass er dazu auch in der Lage ist. Das kann durch Alkohol­konsum proble­ma­tisch werden und sogar zur Kündigung führen. Dabei ist zu unter­scheiden, ob ein missbräuch­licher Konsum von Alkohol oder eine Alkohol­er­krankung vorliegt. Davon abhängig können Gründe für eine perso­nen­be­dingte oder verhal­tens­be­dingte Kündigung gegeben sein. 

 

Personenbedingte Kündigung bei Konsum von Alkohol

Eine perso­nen­be­dingte Kündigung kann begründet sein, wenn Umstände, die in den persön­lichen Eigen­schaften und Fähig­keiten des Arbeit­nehmers begründet sind, dessen Eignung, Einsatz­fä­higkeit oder Arbeits­leistung nachhaltig negativ beein­flussen. Alkohol­sucht kann einen solchen Umstand darstellen, wenn aufgrund psychi­scher oder physi­scher Abhän­gigkeit gewohnheits‐ und übermä­ßiger Konsum von Alkohol wider besseren Wissens nicht aufge­geben oder reduziert werden kann. Der betroffene Arbeit­nehmer hat keine Kontrolle über seinen Alkohol­konsum, selbst wenn er dies will. Dann spricht man von krank­haftem Alkoho­lismus im medizi­ni­schen Sinn.

Alkohol­ab­hän­gigkeit wird als Krankheit gewertet. Daher wird dem Alkohol­kranken grund­sätzlich kein Schuld­vorwurf gemacht. An eine perso­nen­be­dingte Kündigung wegen Pflicht­ver­let­zungen, die auf Alkohol­ab­hän­gigkeit beruhen, werden daher hohe Anfor­de­rungen gestellt.

Eine perso­nen­be­dingte Kündigung muss bei Anwend­barkeit des Kündi­gungs­schutz­ge­setzes sozial gerecht­fertigt sein. Dabei gelten für die Alkohol­sucht ähnliche Maßstäbe, wie für eine krank­heits­be­dingte Kündigung. Es wird dreistufig geprüft, ob im Rahmen einer umfas­senden Inter­es­sen­ab­wägung eine negative Gesund­heits­pro­gnose besteht, dem Betrieb durch die Alkohol­sucht des Arbeit­nehmers  erheb­liche Beein­träch­ti­gungen der betrieb­lichen Inter­essen entstehen, die nach einer Abwägung gegen die Inter­essen des Arbeit­nehmers vom Arbeit­geber billi­ger­weise nicht mehr hinge­nommen werden müssen.

Ist zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerecht­fertigt, der Arbeit­nehmer biete auf Grund einer Sucht­er­krankung dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungs­gemäß zu erbringen, kann eine ordent­liche Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses gerecht­fertigt sein. Dabei ist zu beachten, dass an eine Prognose bei Abhän­gig­keits­er­kran­kungen weniger strenge Anfor­de­rungen zu stellen sind, als bei sonstigen Erkrankungen. 

(Landes­ar­beits­ge­richt Rheinland‐Pfalz, Urteil vom 17. Juni 2019 – 3 Sa 32/19 )
 

1) besteht eine negative Gesundheitsprognose

Wie die Gesundheits‐ oder Zukunfts­pro­gnose ausfällt, hängt zum einen davon ab, wie weit die Alkohol­sucht fortge­schritten ist. Je länger die Sucht bereits andauert, desto schlechter wird die Gesund­heits­pro­gnose ausfallen. Weiterhin ist relevant, ob und wie sich frühere Therapien ausge­wirkt haben. Kam es schon mehrfach zu Rückfällen, besteht eine Wieder­ho­lungs­gefahr und es kann fraglich sein, ob eine weitere Therapie überhaupt eine Aussicht auf Erfolg hat. Zudem ist wichtig, ob der Arbeit­nehmer vor Ausspruch der Kündigung ernsthaft bereit war, eine erste oder gegebe­nen­falls eine weitere Therapie in Anspruch zu nehmen. Wenn der Arbeit­nehmer schon zur Zeit der Kündigung nicht thera­pie­bereit war, wird häufig davon ausge­gangen, dass er von der Alkohol­sucht in abseh­barer Zeit nicht geheilt wird. Wenn Thera­pie­ver­suche bislang gescheitert sind, was leider durchaus menschlich ist, kommt es darauf an, was bei einem neuen Versuch anders laufen soll, damit eine Therapie dann erfolg­reich sein könnte.

 

2) Erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen

Diese liegen regel­mäßig dann vor, wenn der Arbeit­nehmer so alkoho­li­siert ist, dass er seine Arbeits­leistung nicht erbringen kann oder arbeits­un­fähig erkrankt. Dies kann auch der Fall sein, wenn der Arbeit­geber, im Rahmen seiner Vorsor­ge­pflicht, den Arbeit­nehmer nach Hause schicken muss, damit dieser nicht sich selbst oder andere gefährdet. (Die Beein­träch­ti­gungen müssen zu deutlichen Nachteilen für den Betrieb führen, z.B. durch Unter­bre­chung einer Produk­ti­ons­kette, großen Image­schaden oder Gefährdung von Schutzbefohlenen.)

 

3) umfassende Interessenabwägung

Die alkohol­krank­heits­be­dingte Kündigung  darf nur das letzte Mittel sein, um die betrieb­lichen Beein­träch­ti­gungen zu verhindern. Daher müssen die Inter­essen von Arbeit­geber und Arbeit­nehmer umfassend unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzel­falls dahin­gehend abgewogen werden. Ist es dem Arbeit­geber billi­ger­weise nicht mehr zuzumuten, die betrieb­lichen Beein­träch­ti­gungen hinzu­nehmen? Relevant dafür ist z.B., ob der Arbeit­geber bereits bei der Einstellung Kenntnis der Alkohol­sucht des Arbeit­nehmers hatte und diese tolerierte. Ganz wichtig ist auch,  ob es im Betrieb eine andere Beschäf­ti­gungs­mög­lichkeit für den Arbeit­nehmer, etwa in einem weniger gefah­ren­ge­neigten Bereich gibt. Und auch im Rahmen der Inter­es­sen­ab­wägung wird noch einmal berück­sichtigt, wie koope­ra­ti­ons­bereit der Arbeit­nehmer ist und ob er Hilfs­an­gebote oder Thera­pie­an­gebote des Arbeit­gebers ausge­schlagen hat.

In einigen Berufs­feldern gelten besondere Maßstäbe. So könnte z.B. für Berufs­kraft­fahrer und Piloten, wenn durch Alkohol­miss­brauch Fahrerlaubnis oder Fluglizenz verloren wird, eine perso­nen­be­dingte Kündigung leichter zu recht­fer­tigen sein als in einem Bürojob. Meistens ist in diesen Berufen auch als arbeits­ver­trag­liche Neben­pflicht geregelt, jeden die Fahrtüch­tigkeit beein­träch­ti­genden Alkohol­genuss zu unterlassen.

Näheres zur perso­nen­be­dingten Kündigung können Sie hier in unserem Artikel lesen.

 

Verhaltensbedingte Kündigung bei Konsum von Alkohol

Wenn die Alkoho­li­sierung nicht auf einer Alkohol­ab­hän­gigkeit beruht, sondern auf steuer­barem Verhalten des Arbeit­nehmers, könnte aber ein verhal­tens­be­dingter Kündi­gungs­grund vorliegen.

Bei der frist­ge­mäßen Kündigung sind Kündi­gungs­gründe solche Umstände, die nach Abwägung der Inter­essen des Arbeit­nehmers und Arbeit­gebers, sowie des Betriebes die Kündigung als billi­genswert und angemessen erscheinen lassen. Ein solcher könnte darin liegen, dass der Arbeit­nehmer wiederholt gegen ein betrieb­liches Alkohol­verbot verstoßen hat oder wiederholt infolge des Alkohol­konsums bei der Arbeits­leistung beein­trächtigt ist oder andere Personen gefährdet. Grund­sätzlich geht es darum, dass der Arbeit­nehmer so viel Alkohol zu sich genommen hat, dass seine Arbeits­leistung beein­trächtigt ist oder, bei entspre­chenden Verboten, Alkohol am Arbeits­platz nachweisbar ist. Man spricht dann auch von Alkohol­miss­brauch.

 

1) Verstoß gegen ein Alkoholverbot

Alkohol­verbote können durch den Arbeits­vertrag, einen Tarif­vertrag oder eine Dienst­ver­ein­barung  vereinbart sein. Denkbar ist auch, dass der Arbeit­geber ein Alkohol­verbot im Wege seines Direk­ti­ons­rechtes festlegt. Möglich ist zudem auch ein berufs­ge­nos­sen­schaft­liches Alkohol­verbot z.B. bei Kraft­fahr­un­ter­nehmen im Perso­nen­verkehr oder Bewachungsunternehmen.

Ist im Unter­nehmen ein Betriebsrat gebildet, so hat er ein Mitbe­stim­mungs­recht bei Reglungen zu betrieb­lichen Alkohol­ver­boten nach § § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

Es kann ein absolutes Alkohol­verbot vereinbart sein. Dann gilt eine 0,0 Promil­le­grenze. Wird der Alkohol­konsum durch die Regelung lediglich einge­schränkt, würde man das als relatives Alkohol­verbot bezeichnen. Ein absolutes Alkohol­verbot kann gerecht­fertigt sein, wenn durch das Verbot jegliche Gefährdung von Menschen­leben und Sachmitteln ausge­schlossen werden soll. Dies kann etwa bei Piloten, Berufs­waf­fen­trägern oder Zugführern der Fall sein.

Bei diesen Berufs­gruppen besteht ein beson­deres Gefah­ren­po­tential,  wo ein alkohol­be­dingter Fehler eine große Anzahl von Menschen erheblich gefährden oder bedeu­tenden Sachschaden hervor­rufen kann. Hier ist es ausnahms­weise möglich, dass bereits ein einma­liger Verstoß zur Kündigung berech­tigen kann, ohne dass eine Abmahnung nötig ist.

Bei allen „normalen“ Berufs­gruppen muss der Arbeit­nehmer zunächst einmal abgemahnt werden wenn ein Alkohol­verbot vereinbart ist und er wiederholt dagegen verstößt. Das bedeutet, der Arbeit­geber muss deutlich zum Ausdruck bringen, dass er die Alkoho­li­sierung am Arbeits­platz nicht duldet und bei erneuter Wieder­holung eine Kündigung drohen könnte. 

 
Auch in der Freizeit muss man mitunter aufpassen

Ein betrieb­liches Alkohol­verbot kann sich auch auf die Zeit außerhalb der Arbeitszeit erstrecken. Es kann einen so maßvollen Alkohol­konsum vorschreiben, dass bei Dienst­an­tritt eine Beein­flussung durch Alkohol gänzlich ausge­schlossen werden. Daher muss man bei einem verein­barten Alkohol­verbot auch in seiner Freizeit darauf achten, nicht zu viel zu trinken, um am nächsten Arbeitstag nicht alkoho­li­siert zu sein.

Betriebs­ver­ein­ba­rungen, die ein allge­meines Alkohol­verbot festschreiben, unter­liegen nach § 87 Abs. 1 BetrVG der Mitbe­stimmung des Betriebsrates.

 

2) kein generelles Alkoholverbot, aber Arbeitsunfähigkeit oder Gefährdung

Wenn kein generelles Alkohol­verbot besteht, kann ein Arbeit­nehmer durch hochgradige Alkoho­li­sierung dennoch seine arbeits­ver­trag­lichen Neben­pflichten verletzen, wenn er dadurch seine Arbeits­fä­higkeit beein­trächtigt oder andere Personen gefährdet.

Die Beein­träch­tigung muss dabei grund­sätzlich erheblich sein. Die Arbeits­fä­higkeit muss derart einge­schränkt sein, dass der Arbeit­nehmer nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeit sachgemäß zu erledigen. Es reicht auch aus, wenn der Arbeit­nehmer durch die Alkoho­li­sierung sich oder andere Mitar­beiter in Gefahr bringt.

Auch in dieser Konstel­lation muss der Arbeit­geber üblicher­weise erst den Pflich­ten­verstoß abmahnen, bevor er eine Kündigung aussprechen dürfte. Nur in Berufs­gruppen mit einer beson­deren Gefah­renlage oder in besonders schweren Fällen, wenn z.B. Gewalt gegenüber Kollegen ausgeübt wird, kann einmalige Pflicht­ver­letzung schon direkt zur Kündigung führen.

 

Feststellung der alkoholbedingten Arbeitsbeeinträchtigung

Der Arbeit­geber ist in der Beweis­pflicht. Das bedeutet, er muss nachweisen, dass der Arbeit­nehmer durch den Alkohol­konsum seine Arbeits­leistung nicht mehr vertrags­gemäß erfüllen kann. Dabei gestaltet sich eine Blutal­ko­hol­un­ter­su­chung oft als schwierig. Denn Arbeit­nehmer dürfen sich weigern, die Atem‐ oder Blutal­ko­hol­kon­zen­tration messen zu lassen. Der Arbeit­geber hat kein Recht, beim Arbeit­nehmer ungewollt einen Alkoholtest zu machen, wenn dies nicht ausdrücklich vertraglich vereinbart war. Er kann den Arbeit­nehmer dann nur anregen, einen Alkoholtest zu machen. Die Weigerung kann der Arbeit­geber aber als ein Indiz für das Vorliegen einer alkohol­be­dingten Pflich­ten­ver­letzung werten. Das alleine wird noch nicht für eine Abmahnung oder eine Kündigung ausreichen. Es müssten noch weitere Indizien, wie eine Alkohol­fahne, gerötete Augen, Ausfall­erschei­nungen, Aggres­si­vität oder Lethargie, wahrzu­nehmen sein.

Sofern ein Arbeit­nehmer sich sicher ist, dass er keinen Alkohol zu sich genommen hat, kann ein  Alkoholtest auch zur Entlastung des Arbeit­nehmers, nämlich dem Nachweis seiner Nüchternheit, dienen.

Manchmal wird von Arbeit­nehmern gerne einge­wendet, der Atemal­ko­holwert sei durch kürzlich genommene Husten­tropfen oder ähnliches verur­sacht worden. Solche Entschul­di­gungen helfen meistens nicht. Gerichte sehen solche Behaup­tungen gerne als Schutz­be­haup­tungen an, wenn nach allge­meiner Lebens­an­schauung ein hoher Atem‐ oder Blutal­ko­holwert nicht durch Husten­tropfen erreicht werden kann.

Rechts­anwaltJan Böhm
 

Fristlose Kündigung wegen Alkohol

Eine verhal­tens­be­dingte fristlose Kündigung würde in einem zweistu­figen Verfahren geprüft werden.

Zunächst muss ein  wichtiger Grund vorliegen, der an sich ge­eig­net ist, ei­ne fristlose Kündigung zu recht­fer­tigen. Dies kann der Fall sein, wenn durch wieder­holten unvor­her­seh­baren Arbeits­ausfall oder Unfall­ge­fahren die betrieb­lichen Inter­essen derart stark beein­trächtigt sind, dass das Arbeits­ver­hältnis sinnent­leert ist.

In der zweiten Stufe wird geprüft, ob ei­ne umfas­sende In­ter­es­sen­abwägung zu ei­nem Über­wie­gen der In­ter­es­sen des Arbeit­gebers führt. Abgewogen wird, wie weit dem Arbeit­geber die Beein­träch­tigung zumutbar ist und wie stark der Arbeit­nehmer schutz­be­dürftig ist. Faktoren die für die Schutz­be­dürf­tigkeit sprechen sind das Lebens­alter, die Betriebs­zu­ge­hö­rigkeit, die Gleich­stellung mit einer schwer­be­hin­derten Person oder Schwie­rig­keiten auf dem Arbeitsmarkt.

Eine Kündigung muss man nicht kampflos hinnehmen!
Rechts­anwaltJan Böhm

Gegen eine Kündigung kann man sich in vielen Fällen wehren!

Eine entspre­chende Kündi­gungs­schutz­klage muss aber innerhalb von drei Wochen beim Arbeits­ge­richt eingehen. Eine Frist­ver­län­gerung ist nur in ganz seltenen Fällen möglich.

Buchen Sie jetzt eine kostenlose, unver­bind­liche Erstberatung!

SI Rechtsanwaltsgesellschaft mbH