Die personenbedingte Kündigung

Größere Unter­nehmen ab einer Beschäf­tig­tenzahl von in der Regel mehr als 10 in Vollzeit beschäf­tigten Arbeit­nehmern hingegen unter­liegen hinsichtlich der Beendigung von Arbeits­ver­trägen dem Kündi­gungs­schutz­gesetz. Bei Arbeit­nehmern, die länger als 6 Monate im Betrieb beschäftigt sind muss eine Kündigung daher nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerecht­fertigt sein. Dies kann der Fall sein, wenn der Grund der Kündigung in der Person des Arbeit­nehmers liegt, d.h. in seinen Eigen­schaften und Fähig­keiten. Wenn die vertrag­liche Arbeits­leistung aufgrund einer solchen persön­lichen Eigen­schaft oder Fähigkeit bzw. ihres Verlustes momentan und voraus­sichtlich auch zukünftig nicht mehr erbracht werden kann, kann die perso­nen­be­dingte Kündigung ausge­sprochen werden. 

Eine perso­nen­be­dingte Kündigung kann begründet sein, wenn Umstände, die aus den persön­lichen Eigen­schaften und Fähig­keiten des Arbeit­nehmers resul­tieren, dessen Eignung, Einsatz­fä­higkeit oder Arbeits­leistung nachhaltig negativ beein­flussen. Bei der perso­nen­be­dingten Kündigung betrifft das insbe­sondere die Fälle der Kündigung bei einer Krankheit des Arbeit­nehmers, die dazu führt, dass die Arbeits­leistung nicht mehr erbracht werden kann. Es kommt bei den beein­träch­ti­genden Umständen auf die Verhält­nisse zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an.

 

Umstände, die eine personenbedingte Kündigung begründen

Geeignete Umstände können die beruf­lichen und persön­lichen Fähig­keiten des Arbeit­nehmers, eine alters­be­dingte oder gesund­heits­be­dingte Leistungs­min­derung oder das Fehlen von berufs­recht­lichen Voraus­set­zungen sein. Denkbar sind Krank­heiten, Alkohol­sucht, fehlende Arbeits­be­rech­tigung, fehlende Berufs­vor­aus­set­zungen, fehlende fachliche Quali­fi­kation oder das Verbüßen einer Haftstrafe.

(Näheres zur Kündigung wegen Krankheit lesen Sie hier und Näheres zu Alkohol als Ursache für eine Kündigung hier.)

Es handelt sich stets um Umstände, die der Arbeit­nehmer nicht direkt durch sein Verhalten beein­flussen kann. Sie sind durch den Arbeit­nehmer nicht steuerbar. Als Faust­formel könnte man sagen: Der Arbeit­nehmer will arbeiten, kann aber nicht.

Davon abzugrenzen sind Kündi­gungs­gründe, die durch ein direktes, vertrags­wid­riges Verhalten bedingt sind. Es ist aber denkbar, dass das Verhalten des Arbeit­nehmers zur Verschlech­terung oder zum Verlust seiner persön­lichen Eigen­schaften und Fähig­keiten führt. Beispiels­weise langjäh­riger, übermä­ßiger Alkohol­konsum, der im konkreten Fall zu Alkoho­lismus geführt hat. Obwohl letzt­endlich das Verhalten des Arbeit­nehmers die Verschlech­terung der Arbeits­kraft bewirkt, liegt dennoch ein perso­nen­be­dingter Kündi­gungs­grund vor, der zu einer Kündigung wegen Alkohol führen kann. Denn zum Zeitpunkt der Kündigung ist der Alkohol­konsum nicht mehr steuerbar.

(Näheres zur Kündigung wegen Alkohol können Sie hier in unserem spezi­ellen Artikel lesen.)

 

Schuldhaft oder nicht

Für die Recht­mä­ßigkeit einer perso­nen­be­dingten Kündigung ist es irrelevant, ob der Arbeit­nehmer schuld daran war, dass er seine Arbeits­fä­higkeit verliert. Dies könnte beispiels­weise durch Straf­taten oder Ordnungs­wid­rig­keiten – etwa durch den Verlust der Fahrerlaubnis bei Kraft­fahrern – der Fall sein. Auch Umstände, die der Arbeit­nehmer nicht beein­flussen kann, wie Alter oder Krank­heiten, können die Arbeits­fä­higkeit nachteilig beein­flussen. Für die Recht­mä­ßigkeit der perso­nen­be­dingten Kündigung kommt es allein auf die objektive Fähigkeit zur vollen Erbringung der Arbeits­leistung an, nicht darauf, wie leistungs­bereit der Arbeit­nehmer ist.

 

Soziale Rechtfertigung der personenbedingten Kündigung

Eine perso­nen­be­dingte Kündigung muss bei Anwend­barkeit des Kündi­gungs­schutz­ge­setzes sozial gerecht­fertigt sein. Die Recht­spre­chung hat dazu eine abgestufte Prüfung entwi­ckelt. Es wird dreistufig geprüft, ob im Rahmen einer umfas­senden Inter­es­sen­ab­wägung eine negative Prognose bezüglich der Arbeits­leistung des Arbeit­neh­mers­be­steht. Dem Betrieb müssen durch die vermin­derte Arbeits­leistung des Arbeit­nehmers  erheb­liche Beein­träch­ti­gungen der betrieb­lichen Inter­essen entstehen. Diese dürften nach einer Abwägung gegen die Inter­essen des Arbeit­nehmers vom Arbeit­geber billi­ger­weise nicht mehr hinge­nommen werden müssen.

 

Negative Prognose

Es ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Arbeit­nehmer seine volle Arbeits­leistung wieder erlangen wird. Die Kündigung wegen eines perso­nen­be­dingten Grundes ist nur möglich, wenn diese Prognose negativ ausfällt. Es muss ernsthaft zu befürchten sein, dass der Arbeit­nehmer im bishe­rigen Umfang in seiner Arbeits­leistung einge­schränkt bleibt. Der Arbeit­geber muss immer wieder mit unzumut­baren Belas­tungen des Arbeits­ver­hält­nisses zu rechnen haben. Die Störung darf also nicht nur vorüber­gehend sein. Wenn eine Wieder­her­stellung der vollen Arbeits­fä­higkeit erst in ferner Zukunft zu erwarten ist, kann dies dennoch zum Zeitpunkt der Kündigung als negative Prognose ausreichen.

Für die negative Prognose ist der Arbeit­geber beweispflichtig.

 

Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher oder vertraglicher Interessen

Durch den Arbeits­ausfall oder die Minder­leistung Arbeit­nehmers müssen die betrieb­lichen oder wirtschaft­lichen Inter­essen des Arbeit­gebers erheblich belastet werden. Eine solche Beein­träch­tigung kann beispiels­weise darin liegen, dass

  • die anste­henden Aufträge in dem Unter­nehmen nicht mehr recht­zeitig bearbeitet werden können,
  • die Produktion wegen des Arbeits­aus­falls einge­schränkt werden muss,
  • der Arbeit­geber häufig Entgelt­fort­zah­lungs­kosten leisten muss und
  • zur Vertretung des ausge­fal­lenen Arbeit­nehmers weiteres Personal einstellen muss, was mit entspre­chenden Perso­nal­kosten verbunden ist.

Aller­dings muss der Betrieb so organi­siert sein, dass kurzfristige Perso­nal­aus­fälle oder Minder­leis­tungen aufge­fangen werden können, da mit zumindest kurzen Ausfällen der Mitar­beiter immer zu rechnen ist.

 

Interessenabwägung, Ultima‐Ratio

Die Kündigung muss ultima ratio, also das letzte Mittel sein, die erheb­lichen Beein­träch­ti­gungen des Betriebes zu beenden.

Dazu muss bei der perso­nen­be­dingten Kündigung das Interesse des Arbeit­gebers an der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses das Interesse des Arbeit­nehmers an dessen Fortsetzung überwiegen. Dafür ist eine umfang­reiche, einzel­fall­be­zogene Inter­es­sen­ab­wägung vorzu­nehmen. Dabei sind die persön­lichen Umstände, wie Alter und Unter­halts­pflichten des Arbeit­nehmers, besonders gründlich in die Prüfung einzu­be­ziehen. Denn der perso­nen­be­dingte Kündi­gungs­grund muss ja nicht auf einem Verschulden des Arbeit­nehmers beruhen. Es ist zu berück­sich­tigen, wie lange der Arbeit­nehmer bereits in dem Betrieb arbeitet und ob schon in der Vergan­genheit lange oder häufige Arbeits­aus­fälle, die aus dem perso­nen­be­dingten Umstand resul­tieren, vorkamen. Es soll geprüft werden, ob es mildere Mittel gibt, der gerin­geren Arbeits­leistung zu begegnen. Denkbar wäre beispiels­weise, dass durch eine Verkürzung der Arbeitszeit oder eine Versetzung auf eine andere Stelle im Betrieb bzw. auf eine andere Tätigkeit, den persön­lichen Umständen des Arbeit­nehmers derart begegnet werden kann, dass künftig eine Minder­leistung der Arbeit nicht mehr zu erwarten wäre. Die andere Tätigkeit sollte aber gleich­wertig sein. Möglich wären dazu auch Umschu­lungs­maß­nahmen, um den Arbeit­nehmer auf eine geeignete Stelle umzusetzen, wenn dieser damit einver­standen wäre.

Im Zuge der Inter­es­sen­ab­wägung muss nun beurteilt werden, ob diese Maßnahmen, angesichts der Schwere der erheb­lichen betrieb­lichen Beein­träch­ti­gungen, dem Arbeit­geber noch zumutbar sind.

 

Zeitpunkt der Umstände der personenbedingten Kündigung

Es kommt grund­sätzlich auf die objek­tiven Verhält­nisse zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an. Es gilt das Progno­se­prinzip. Danach ist für die soziale Recht­fer­tigung der Kündigung entscheidend, ob Wieder­ho­lungs­gefahr besteht und sich der perso­nen­be­dingte Hinde­rungs­grund auch dann nachteilig auf den Betrieb auswirkt. Der Arbeit­geber muss bei der Kündigung eine entspre­chende Prognose stellen, darf dann aber auch darauf vertrauen. Davon gibt es nur eine, zeitlich begrenzte, Ausnahme.

 

Wiedereinstellungsanspruch

Wenn sich nach Zugang einer perso­nen­be­dingten Kündigung aber vor Ende der Kündi­gungs­frist der Gesund­heits­zu­stand des Arbeit­nehmers unvor­her­ge­sehen zum Positiven ändert oder sich die Prognose des Arbeit­gebers aus anderen Gründen im Nachhinein als nicht zutreffend erweist, bewirkt das allein nicht die Rechts­wid­rigkeit der Kündigung. Aller­dings kann eine Verän­derung der Umstände zu einem Wieder­ein­stel­lungs­an­spruch führen. Dazu bedarf es 

  • einer positiven Prognose, dass die Arbeits­fä­higkeit bzw. Arbeits­leistung wieder voll herge­stellt werde.
  • Diese Änderung muss vor Ende der Kündi­gungs­frist eintreten.

Die Wirksamkeit einer Kündigung wird nach den objek­tiven Verhält­nissen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bewertet. Liegen zu diesem Zeitpunkt alle Voraus­set­zungen vor, so ist die Kündigung recht­mäßig. Sie kann nicht durch eine nachträg­liche Verän­derung der Verhält­nisse unwirksam werden. Nur wenn der Arbeit­nehmer darlegen und beweisen kann, dass die bei Ausspruch der Kündigung begründete Prognose des Arbeit­gebers nicht mehr gerecht­fertigt ist, kommt ein Wieder­ein­stel­lungs­an­spruch in Frage. Ein Anzweifeln erneuter erheb­licher Beein­träch­ti­gungen reicht nicht. Eine erneute Beein­träch­tigung des Betriebes durch den perso­nen­be­dingten Arbeits­ausfall des Arbeit­nehmers muss auszu­schließen sein. Dem Wieder­ein­stel­lungs­an­spruch könnten zudem auch noch berech­tigte Arbeit­ge­ber­in­ter­essen entge­gen­stehen, insbe­sondere wegen zwischen­zeit­licher ander­wei­tiger Dispo­si­tionen, etwa durch neu einge­stellte Ersatzkräfte.

Nach Ende der Kündi­gungs­frist erkennen die Gerichte keinen Wieder­ein­stel­lungs­an­spruch an, da dann allen­falls nachver­trag­licher Vertrau­ens­schutz besteht.

 

Kündigungsfrist

Für die perso­nen­be­zogene Kündigung gelten, sofern durch den Arbeits­vertrag oder einen Tarif­vertrag nichts anderes vereinbart wurde, die allge­meinen Kündi­gungs­fristen nach § 622 BGB.

 

Beteiligung des Betriebsrates bei der personenbedingten Kündigung

Gibt es in dem Unter­nehmen einen Betriebsrat, so muss der Arbeit­geber diesen gemäß § 102 Absatz 1 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung des Arbeits­ver­trages anhören, damit sie nicht unwirksam ist. Sofern der Arbeit­geber frist­ge­recht Kündi­gungs­schutz­klage erhebt, würde bei ausge­blie­bener Anhörung die Kündigung vom Arbeits­ge­richt aufge­hoben werden. In einem solchen Fall hat der Arbeit­nehmer mit seiner Kündi­gungs­schutz­klage sichere Aussicht auf Erfolg. Auch wenn der Arbeit­nehmer zu einem gesetzlich besonders geschützten Perso­nen­kreis (z.B. Betriebs­rats­mit­glieder, Schwangere, Schwer­be­hin­derte) gehört, kann der Arbeit­geber nur unter beson­deren gesetz­lichen Voraus­set­zungen wirksam kündigen.

Der Betriebsrat kann in bestimmten Fällen wie etwa bei der unzurei­chenden Berück­sich­tigung sozialer Kriterien der Kündigung wider­sprechen. Auch wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeit­nehmer innerhalb des Betriebs auf einem anderen Arbeits­platz im Rahmen seiner Quali­fi­ka­tionen und zumut­baren Weiter­bil­dungs­mög­lich­keiten weiter­zu­be­schäf­tigen, kann der Betriebsrat der Kündigung widersprechen.

 

Frist für die Kündigungsschutzklage

Wenn man sich gegen eine perso­nen­be­dingte Kündigung zur Wehr setzen will, ist die Dreiwo­chen­frist aus § 4 KSchG unbedingt einzu­halten. Wenn die Kündigung dem Arbeit­nehmer zugegangen ist (in den Brief­kasten geworfen oder als Schrift­stück in die Hand gedrückt) sind nur noch drei Wochen Zeit, um die Kündi­gungs­schutz­klage beim Arbeits­ge­richt einzu­reichen. Verpasst man diese Frist, ist die Kündigung, ungeachtet aller möglichen Fehler, rechtmäßig.

Eine Kündigung muss man nicht kampflos hinnehmen!
Rechts­anwaltJan Böhm

Gegen eine Kündigung kann man sich in vielen Fällen wehren!

Eine entspre­chende Kündi­gungs­schutz­klage muss aber innerhalb von drei Wochen beim Arbeits­ge­richt eingehen. Eine Frist­ver­län­gerung ist nur in ganz seltenen Fällen möglich.

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