Keine Urlaubsgewährung durch Anrechnung arbeitsfreier Zeiten

Keine Urlaubsgewährung durch Anrechnung arbeitsfreier Zeiten

8. August 2023 Urlaub Urlaubsabgeltung 0

Indem er tatsäch­liche arbeits­freie Zeiten in unbestimmter Länge mit dem Urlaubs­an­spruch eines Arbeit­nehmers verrechnet, erfüllt der Arbeit­geber nicht stets die Gewährung des gesetz­lichen Urlaubes. Dies gilt selbst dann, wenn sich Arbeit­geber und Arbeit­nehmer auf solch ein Vorgehen geeinigt haben. Denn es fehle an einer unwider­ruf­lichen Freistellung. Eine Urlaubs­ge­währung kann auch nicht dadurch nachgeholt werden, dass der Arbeit­geber nachträglich arbeits­freie Zeit als Urlaub deklariert.

In diesem Sinne hat das Landes­ar­beits­ge­richt Berlin‐Brandenburg entschieden.

(LArbG Berlin‐Brandenburg, Urteil vom 30. Oktober 2020 – 12 Sa 602/20 –)
 

Die Grundlagen

 

Freistellungserklärung vor Urlaub und unwiderruflich

Urlaub muss vom Arbeit­nehmer beantragt und durch den Arbeit­geber genehmigt werden.

Der Arbeit­geber erfüllt den Urlaubs­an­spruch des Arbeit­nehmers, indem er diesem gegenüber vor dem Urlaubs­beginn hinrei­chend bestimmt und unwider­ruflich erklärt, den Arbeit­nehmer für den beantragten Zeitraum von der Arbeits­pflicht freizustellen.

Wesent­liche Anfor­derung an die Urlaubs­ge­währung sind also:

  • Vor Urlaubs­beginn
  • Festste­hender Zeitraum
  • Unwider­ruflich

Damit soll gewähr­leistet werden, dass der Arbeit­nehmer seinen Erholungs­urlaub verbindlich, frei bestimmt und unter­bre­chungsfrei planen und verbringen kann.

 

Unabdingbarkeit des Urlaubsanspruches

Nach § 13 BUrlG darf vom grund­sätz­lichen Anspruch auf Urlaub und von der Mindest­dauer des gesetz­lichen Urlaubs nicht zuungunsten des Arbeit­nehmers abgewichen werden.

Nachteilige Abwei­chungen von anderen Bestim­mungen des Bundes­ur­laubs­ge­setzes wären nur durch einen Tarif­vertrag oder durch Bezug­nahme auf einen gültigen Tarif­vertrag möglich.

 

Zum Fall

Ein bei der beklagten Partei als Bauleiter beschäf­tigter Arbeit­nehmer wurde zwischen Juli 2017 und August 2018 auf verschie­denen Baustellen einge­setzt. Ihm standen laut Arbeits­vertrag 26 Tage Erholungs­urlaub zu. Nach einer Arbeits­ver­trags­klausel sollte der Urlaubs­an­spruch verfallen, wenn dieser nicht bis zum 31.03. des Folge­jahres genommen würde.

Zwischen seinem Einsatz auf einer Baustelle in Darmstadt und einer Baustelle in München wurde der Arbeit­nehmer von der Arbeit­ge­berin im Jahr 2018 für eine Übergangszeit von insgesamt 5 Wochen nicht eingesetzt.Die Arbeit­ge­berin wies den Arbeit­nehmer nicht gesondert darauf hin, dass sein Urlaub verfallen könnte.

Der Arbeit­nehmer kündigte sein Arbeits­ver­hältnis zum 31.7.2018 und verlangte Urlaubs­ab­geltung für seinen Resturlaub aus den Jahren 2017 und 2018.

Die beklagte Arbeit­ge­berin lehnte dies ab und war der Meinung, dass die Urlaubs­an­sprüche aus dem Jahr 2017 bereits verfallen seien und im Übrigen der Urlaubs­an­spruch aus 2018  durch die freien Tage bereits abgegolten sei. Der Geschäfts­führer der Beklagten habe sich mit dem Arbeit­nehmer darauf geeinigt, dass er für den Zeitraum der Nicht­be­schäf­tigung nicht zur Arbeit erscheinen müsse. Diese arbeits­freien Tage würden mit seinem Urlaub verrechnet werden.

 

Urteil der 1. Instanz

Das Arbeits­ge­richt Berlin sah dies anders. Nach neuer Recht­spre­chung des Bundes­ar­beits­ge­richts sei der Urlaubs­an­spruch nicht verfallen, da die Arbeit­ge­berin den Arbeit­nehmer nicht darauf hinge­wiesen habe, dass der Urlaub verfallen könnte oder auf tatsäch­liche Urlaubs­nahme im Jahr 2017 hinge­wirkt habe. (Mehr zu dieser Mitwir­kungs­pflicht des Arbeit­gebers können Sie hier lesen.) Eine Absprache über die Anrechnung der freien Tage auf den Urlaub habe die Beklagte nicht substan­tiiert genug vorgetragen.

(ArbG Berlin, 15. Januar 2020, 37 Ca 10425/18)
 

Die Entscheidung

Das Landes­ar­beits­ge­richt Berlin‐Brandenburg sah dies ebenso. Die Urlaubs­an­sprüche seien nicht durch eine einver­nehm­liche Abrede zwischen den Parteien über die Anrechnung der tatsächlich freien Tage auf den Urlaub abgegolten. Dazu bedürfe es vielmehr einer vor Urlaubs­beginn erfolgten und nach ihrem Umfang hinrei­chend bestimmten unwider­ruf­lichen Freistel­lungs­er­klärung seitens des Arbeitgebers.

 

Keine eindeutige Freistellungserklärung

Zur Erfüllung des Urlaubs­an­spruches bedürfe es einer Freistel­lungs­er­klärung des Arbeit­gebers. Diese müsse so eindeutig sein, dass der Arbeit­nehmer erkennen müsse, dass der Arbeit­geber ihn zum Zwecke des selbst­be­stimmten Erholungs­ur­laubes von der Arbeits­pflicht freistellen will. Dies dürfe nicht nach der Leistung erfolgen.

Die Beklagte habe nicht ausrei­chend Anhalts­punkte vorge­tragen, dass diese Anfor­de­rungen an die Freistel­lungs­er­klärung erfüllt seien.

Das Landes­ar­beits­ge­richt bemän­gelte, dass aus dem Vortrag der Beklagten nicht hervorging, dass eine Absprache über die Urlaubs­ge­währung bzw. Urlaub­s­an­rechnung vor dem vermeint­lichen Urlaubs­beginn erfolgt sei. Es könne auch so verstanden werden, dass die Erklä­rungen erst im Nachgang zu den arbeits­freien Zeiten erfolgt seien.

Aus dem Beklag­ten­vor­bringen sei zudem nicht ersichtlich, dass eine Freistellung im Vorhinein für einen festste­henden Zeitraum erklärt worden sei. Der Arbeit­nehmer müsse erkennen können, für welchen Zeitraum er freige­stellt sei. Er müsse auch endgültig von der Arbeits­pflicht befreit werden. Eine unter dem Vorbehalt des Widerrufs stehende Befreiung von der Arbeits­pflicht erfülle den Urlaubs­an­spruch nicht.

Dass der Urlaubs­zeitraum unwider­ruflich feststand habe sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht ergeben. Die Vorge­hens­weise der Arbeit­ge­berin, eine begin­nende urlaus­freie Zeit unbestimmter Länge auf den Urlaub anzurechnen sei keine Urlaubs­ge­währung. Es fehle an der unwider­ruf­lichen Freistellung, weil der Arbeit­nehmer nicht darauf vertrauen könne, dass der Urlaub nicht unver­mittelt ende, wenn wieder Arbeits­auf­gaben für ihn vorhanden wären.

 

Ungültige Verrechnungsabrede

Die Urlaubs­ge­währung könne auch nicht dadurch nachgeholt werden, dass der Arbeit­geber nachträglich einen arbeits­freien Zeitraum zum Erholungs­urlaub erkläre.

Da nach § 13 BUrlG nicht zuungunsten des Arbeit­nehmers von den Bestim­mungen zum gesetz­lichen Urlaubs­an­spruch abgewichen werden dürfe, wäre die von der Beklagten behauptete Verrech­nungs­abrede nichtig. Der Urlaubs­an­spruch würde durch solch eine Abrede nicht erlöschen.

Insbe­sondere die den Anfor­de­rungen hinsichtlich Zeitpunkt und Unwider­ruf­lichkeit genügende Urlaubs­ge­währung betreffe das gesetzlich gegen Abwei­chung geschützte Minimum des Urlaubs­an­spruches. Von diesem würde eine Verrech­nungs­ab­sprache zwischen der Arbeit­ge­berin und dem Arbeit­nehmer abweichen. 

Aller­dings habe die Beklagte auch nicht nachweisen können, dass eine entspre­chende Absprache überhaupt statt­ge­funden habe.

 

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