Kündigungsgrund Unpünktlichkeit Wann kann ein Arbeit­nehmer wegen Zuspät­kommens zum Arbeits­platz gekündigt werden?

Unpünkt­lichkeit sieht niemand gern. Am wenigsten der Arbeit­geber. Zwar kann sich auch der gewis­sen­haf­teste Arbeit­nehmer einmal aus Versehen verspäten. Dies ist in der Regel noch kein ausrei­chender Kündi­gungs­grund. Erscheint ein Arbeit­nehmer aber häufig selbst­ver­schuldet unpünktlich zur Arbeit, so kann dies eine Kündigung rechtfertigen.

Wann ein Arbeit­nehmer an seinem Arbeits­platz zu erscheinen hat, ergibt sich aus dem Arbeits­vertrag oder dem geltenden Tarif­vertrag. Der Arbeit­geber kann die Arbeits­zeiten per Weisung innerhalb des arbeits­ver­trag­lichen Rahmens näher bestimmen. Sind für die Arbeits­zeiten genaue Uhrzeiten festgelegt, so hat der Arbeit­nehmer genau zu diesen Arbeits­zeiten an seinem Arbeits­platz zu sein. Ist die Arbeitszeit beispiels­weise fix auf montags bis freitags jeweils von 9 Uhr bis 17 Uhr bestimmt, so haben die Arbeit­nehmer spätestens um 9 Uhr am Morgen zu erscheinen. Auch wenige Minuten Verspätung stellen einen Verstoß gegen die arbeits­ver­trag­lichen Pflichten dar. Diese Unpünkt­lichkeit kann vom Arbeit­geber abgemahnt werden.

 

Vorteil Gleitzeit: Arbeitszeiten ergeben sich aus Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Weisung des Arbeitgebers

Einfacher haben es Arbeit­nehmer, für die eine Gleit­zeit­re­gelung gilt. Diese können innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens selbst entscheiden, wann sie zur Arbeit kommen. Sie müssen nur sicher­stellen, dass sie innerhalb der festge­legten Kernar­beits­zeiten am Arbeits­platz sind. So kann beispiels­weise eine Kernar­beitszeit zwischen 10 und 15 Uhr festgelegt werden. Die Arbeit­nehmer müssen dann nur beachten, dass sie spätestens um 10 Uhr zur Arbeit kommen und frühestens um 15 Uhr Feier­abend machen. Ansonsten sind sie frei in ihrer Arbeits­zeit­ge­staltung, wobei die verein­barte Arbeitszeit (z.B. pro Arbeitstag 8 Stunden) selbst­ver­ständlich einge­halten werden muss.

 

Arbeitnehmer muss Zuspätkommen verschuldet haben

Ein vorwerf­barer Pflich­ten­verstoß des Arbeit­nehmers liegt vor, wenn die Verspätung auf einem Verschulden des Arbeit­nehmers beruht, d.h. mindestens fahrlässig durch ihn verur­sacht wurde. Kein Verschulden trifft den Arbeit­nehmer beispiels­weise, wenn er auf dem Arbeitsweg einen Unfall erleidet. Oder wenn er unterwegs einer anderen Person Erste Hilfe leistet. Auch höhere Gewalt in Form eines unvor­her­ge­se­henen Natur­er­eig­nisses kann ein Zuspät­kommen entschuldigen.

Aller­dings trägt der Arbeit­nehmer grund­sätzlich das Wegerisiko. Verkehrs­be­dingte Verzö­ge­rungen muss der Arbeit­nehmer grund­sätzlich vorab einkal­ku­lieren. Es muss so früh zur Arbeit losge­fahren werden, dass auch der tägliche Stau im Berufs­verkehr nicht zu einem Zuspät­kommen führt. Auch angekün­digte Streiks in öffent­lichen Verkehrs­be­trieben oder schlechtes Wetter sind bei der Planung des Arbeits­weges zu berück­sich­tigen. Entspre­chend früher sollte man losfahren. Wird streik­be­dingt der öffent­liche Nahverkehr einge­schränkt, so muss auch ein durch das Umsteigen auf andere Verkehrs­routen oder Verkehrs­mittel entste­hender längerer Arbeitsweg in Kauf genommen werden. Die Verspätung in Folge eines unange­kün­digten Streiks wird dem Arbeit­nehmer hingegen nicht zugerechnet werden können.

 

Arbeitnehmer trägt Wegerisiko im Rahmen des Zumutbaren

Reist der Arbeit­nehmer mit einem eigenen Fahrzeug an, so muss er dafür Sorge tragen, dass es auch einsatz­fähig ist. Er muss das Fahrzeug ausrei­chend in Stand halten bzw. sich um alter­native Anfahrts­mög­lich­keiten kümmern, wenn das Fahrzeug kaputt geht.

Die Maßnahmen, die der Arbeit­nehmer zu ergreifen hat, um sein pünkt­liches Erscheinen am Arbeits­platz zu ermög­lichen, müssen aller­dings zumutbar sein. Fallen aufgrund einer Natur­ka­ta­strophe beispiels­weise sämtliche öffent­liche Verkehrs­mittel aus, so kann, sofern kein Auto verfügbar ist und der Arbeitsweg auch zu lang ist, um ihn zu Fuß oder mit einem vorhan­denen Fahrrad zu bestreiten, es unzumutbar sein, ein teures Taxi zu nehmen.

Auch Zuspät­kommen wegen eines unvor­her­seh­baren, besonders langen Stauge­schehens – etwa im Zuge eines Verkehrs­un­falls – ist dem Arbeit­nehmer nicht zuzurechnen.

 

Wann rechtfertigt Unpünktlichkeit eine Abmahnung oder Kündigung?

Zuspät­kommen ist nicht gleich Zuspät­kommen. Nicht jede Unpünkt­lichkeit kann sogleich mit einer Abmahnung oder Kündigung sanktio­niert werden. Pünkt­liches Erscheinen am Arbeits­platz ist eine arbeits­ver­trag­liche Neben­pflicht. Wer in einem bereits seit längerer Zeit bestehenden Arbeits­ver­hältnis einmal fünf Minuten zu spät kommt, kann deshalb in der Regel weder gekündigt noch abgemahnt werden. Bei einem lange andau­ernden, bislang ungestörten Arbeits­ver­hältnis recht­fer­tigen erst mehrere kurze Verspä­tungen eine Abmahnung. Dies gilt insbe­sondere dann, wenn eine nicht frist­ge­bundene Arbeit verrichtet wird – etwa wenn ein Sachbe­ar­beiter im Büro Akten bearbeitet, ohne dass es dabei darauf ankommt, zu welcher Uhrzeit dies genau geschieht. Ob die Arbeit um 9 Uhr morgens oder um 12 Uhr mittags erledigt wird, ist oftmals irrelevant, solange die Arbeit erledigt wird.

Bei frist­ge­bun­denen Arbeiten, bei Mitar­beitern mit Kunden­kontakt in Betrieben mit festen Öffnungs­zeiten oder bei angesetzten Terminen kann die Sache anders aussehen. Wenn beispiels­weise ein Super­markt­kas­sierer erst eine Stunde nach Öffnung des Super­marktes erscheint und deshalb die Kasse nicht besetzt werden kann und sich lange Warte­schlangen bilden oder Kunden gar nicht bedient werden, so wird durch das Zuspät­kommen der Betriebs­ablauf erheblich gestört. Gleiches gilt für z.B. einen Archi­tekten, der zu spät zu der Baube­spre­chung mit dem Bauherrn und dem Bauun­ter­nehmer erscheint. Oder für den Anwalt, der zu spät zu einem Gerichts­termin erscheint und deshalb ein Verfahren verliert.

 

Kündigung wegen Unpünktlichkeit erst nach Abmahnung des Fehlverhaltens

Abgesehen von extremen Ausnah­me­fällen ist eine verhal­tens­be­dingte Kündigung aufgrund von zu spätem Erscheinen am Arbeits­platz erst nach Erteilung einer bzw. mehrerer Abmah­nungen möglich. Ob eine Kündigung berechtigt ist und wie viele Abmah­nungen zunächst erfolgen müssen, hängt stets von der Ausge­staltung und den Einzel­heiten des Arbeits­ver­hält­nisses, sowie der durch die Unpünkt­lichkeit verur­sachten Störungen ab. Mehrere kurze Verspä­tungen in einem ansonsten ungestörten langjäh­rigen Arbeits­ver­hältnis sind anders zu beurteilen. Hier können allen­falls erst eine ganzen Reihe von Abmah­nungen, in denen der Arbeit­nehmer darauf hinge­wiesen wird, dass der Arbeit­geber nicht bereit ist, das Fehlver­halten länger hinzu­nehmen, zur Kündigung führen. Anders verhält es sich bei mehrfachem unent­schul­digten Zuspät­kommen um mehrere Stunden in einem frischen Arbeits­ver­hältnis. Ganz entscheidend ist auch, ob der Betriebs­ablauf im Unter­nehmen durch das Zuspät­kommen gestört wird.

Je nach Einzelfall kann deshalb bereits beim zweiten unpünkt­lichen Erscheinen, nachdem das erste Zuspät­kommen abgemahnt wurde, eine verhal­tens­be­dingte Kündigung berechtigt sein. In anderen Fällen kann erst das häufige Zuspät­kommen und nachdem mehrere Abmah­nungen ausge­sprochen wurden, zu einer recht­mä­ßigen Kündigung führen. Wichtig ist dabei auch, wie viel Zeit zwischen den einzelnen Verstößen verstrichen ist. Sind seit der ersten abgemahnten Unpünkt­lichkeit mehrere Jahre vergangen, so wird bei einer erneuten Unpünkt­lichkeit in der Regel zunächst eine weitere Abmahnung erfor­derlich sein, bevor im Wieder­ho­lungsfall die Kündigung ausge­sprochen werden kann.

(Mehr zur verhal­tens­be­dingten Kündigung können Sie hier lesen.)

 

Arbeitszeitbetrug kann zur fristlosen Kündigung führen

Einem aber sollten Arbeit­nehmer, die zu spät zur Arbeit kommen, wieder­stehen: Dem Arbeits­zeit­betrug. Wer zu spät kommt, sollte dies dem Vorge­setzten gegenüber ehrlich zugeben und sich entschul­digen. Wer aber falsche Angaben zu seiner Anwesenheit am Arbeits­platz macht – etwa indem falsche Arbeits­zeiten aufge­schrieben werden – kann unter Umständen fristlos gekündigt werden. Je nach Fallge­staltung geht das sogar ohne eine vorherige Abmahnung. Dann verbleibt nicht mal die Chance, das Arbeits­ver­hältnis durch künftiges Wohlver­halten zu retten.

 

Was tun bei Abmahnung wegen Unpünktlichkeit?

Wer eine Abmahnung oder Kündigung wegen Zuspät­kommens erhält, hat verschiedene Möglich­keiten, zu reagieren. Auf eine Abmahnung hin kann beispiels­weise das Gespräch mit dem Arbeit­geber gesucht werden, der Betriebsrat einge­schaltet werden, eine Gegen­dar­stellung geschrieben werden oder Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Perso­nalakte vor dem Arbeits­ge­richt einge­reicht werden. Wie Sie sich im Fall einer Abmahnung am besten verhalten, hängt von den Umständen des Einzel­falls ab. Lesen Sie hierzu hier unseren Artikel zur Abmahnung.

 

Was tun bei Kündigung wegen Zuspätkommens? – Die Kündigungsschutzklage

Werden Sie wegen Zuspät­kommens gekündigt, haben Sie nur zwei Möglich­keiten: Sie können nichts tun und damit die Kündigung akzep­tieren, oder Sie können eine Kündi­gungs­schutz­klage vor dem Arbeits­ge­richt mit dem Ziel, dass die Unwirk­samkeit der Kündigung und damit das Fortbe­stehen des Arbeits­ver­hält­nisses festge­stellt wird, erheben. Der Arbeit­geber muss dann konkret darzu­legen und zu beweisen, wann der Arbeit­nehmer zu spät gekommen ist und ob es entspre­chende Abmah­nungen gab. Das Gericht entscheidet im Rahmen der Kündi­gungs­schutz­klage darüber, ob die Vorwürfe eine Kündigung recht­fer­tigen – insbe­sondere, ob sie verhält­nis­mäßig sind. Gerade an der Frage der Verhält­nis­mä­ßigkeit scheitern viele Kündi­gungen. Lassen Sie sich von Ihrem Anwalt für Arbeits­recht zu den Erfolgs­aus­sichten einer Kündi­gungs­schutz­klage beraten.

Eine Kündigung muss man nicht kampflos hinnehmen!
Rechts­anwaltJan Böhm

Gegen eine Kündigung kann man sich in vielen Fällen wehren!

Eine entspre­chende Kündi­gungs­schutz­klage muss aber innerhalb von drei Wochen beim Arbeits­ge­richt eingehen. Eine Frist­ver­län­gerung ist nur in ganz seltenen Fällen möglich.

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SI Rechtsanwaltsgesellschaft mbH