Widerruf genehmigten Urlaubs

Widerruf genehmigten Urlaubs

4. August 2023 Urlaub 2

Es ist ein arbeits­recht­liches Dauer­thema, dass Rechts­an­wälte für Arbeits­recht und Arbeits­ge­richte immer wieder beschäftigt: Ein Arbeit­geber bemerkt, dass er einen perso­nellen Engpass hat und widerruft den bereits geneh­migten Urlaub eines Arbeit­nehmers oder beordert diesen gar von seiner angetre­tenen Urlaubs­reise zurück. Aber ist so ein Widerruf bereits geneh­migten Urlaubs überhaupt rechtlich möglich? Grund­sätzlich nicht.

Der Arbeit­geber schuldet dem Arbeit­nehmer die vertraglich festge­legte Anzahl von Urlaubs­tagen, zumindest aber den gesetz­lichen Mindest­urlaub. (Mehr zum Mindest­urlaub können Sie hier lesen.)

Der Urlaub muss vom Arbeit­nehmer beantragt und vom Arbeit­geber gewährt werden. Der Arbeit­geber muss sich dabei aber an die zeitlichen Urlaubs­wünsche des Arbeit­nehmers halten. Nur aus den in § 7 Abs. 1 S.1 BUrlG (Bundes­ur­laubs­gesetz) genannten Gründen darf der Arbeit­geber eine Urlaubs­er­teilung im beantragten Zeitraum verweigern. Ein Arbeit­geber muss sich vor der Urlaubs­er­teilung entscheiden, ob er dem Arbeit­nehmer den beantragten Urlaub gewährt oder den Urlaubs­wunsch des Arbeit­nehmers etwa wegen dringender betrieb­licher Belange oder Urlaubs­wün­schen anderer Arbeit­nehmer, die unter sozialen Gesichts­punkten vorrangig sind, ablehnt.

 

Urlaubsgewährung muss vorbehaltlos sein.

Zur Erfüllung des gesetz­lichen Urlaubs­an­spruchs muss der Arbeit­geber den Arbeit­nehmer von der Arbeit freistellen. Er muss es dem Arbeit­nehmer unein­ge­schränkt ermög­lichen, anstelle der geschul­deten Arbeits­leistung die ihm aufgrund des Urlaubs­an­spruchs zuste­hende Freizeit selbst­be­stimmt zu nutzen. Das Wesens­merkmal des Urlaubs ist, dass der Arbeit­nehmer nicht damit rechnen braucht, zur Arbeits­leistung heran­ge­zogen zu werden und sich geistig und emotional darauf einstellen kann. Dementspre­chend muss der Arbeit­geber, um den Urlaubs­an­spruch zu erfüllen, den Arbeit­nehmer auch unwider­ruflich von der Arbeit zur Urlaubs­ge­währung freistellen. 

Wenn der Arbeit­geber sich den Widerruf vorbehält, ist die notwendige „Freistel­lungs­er­klärung“ nicht gegeben und der Anspruch gegen den Arbeit­geber, Urlaub zu gewähren, nicht erfüllt.

(BAG, Urteil vom 14. März 2006 – 9 AZR 11/05 –)

Dieser Urlaubs­an­spruch könnte dann noch geltend gemacht werden. 

 

Grundsätzlich kein gesetzlicher Anspruch auf Abbruch des Urlaubs

Nach dem BUrlG besteht kein Anspruch des Arbeit­gebers gegen den Arbeit­nehmer, den gewährten Urlaub abzubrechen oder zu unter­brechen.

Dies hat das Bundes­ar­beits­ge­richt unter anderem in einem viel zitierten Urteil bereits im Jahr 2000 entschieden.

In diesem Urteil hatte ein Software­pro­gram­mierer sein Arbeits­ver­hältnis gekündigt, Resturlaub beantragt und genehmigt bekommen. Bevor er den Urlaub antrat, lieferte er noch API‐Dokumentationen im Betrieb ab. Der Arbeit­geber forderte den Arbeit­nehmer jedoch auf, zugesagte Arbeiten weiter auszu­führen, da er der einzige Mitar­beiter sei, der die erfor­der­liche Fachkenntnis habe und Auftrag­geber die Arbeits­er­geb­nisse einfor­derten. Zu einer Wieder­auf­nahme der Arbeits­leistung kam es letzt­endlich nicht. Der Arbeit­geber kündigte das Arbeits­ver­hältnis und behielt Arbeits­entgelt als Sicherung von Schadens­er­satz­an­sprüchen gegen den Arbeit­nehmer ein. Dagegen klagte der Arbeit­nehmer und bekam vor Arbeits‐ Landes­ar­beits­ge­richt und Bundes­ar­beits­ge­richt Recht. 

Einen Anspruch des Arbeit­gebers gegen den Arbeit­nehmer, seinen Urlaub abzubrechen oder zu unter­brechen, gebe es nach dem Bundes­ur­laubs­gesetz nicht.

Habe der Arbeit­geber die Leistungszeit bestimmt, in der der Urlaubs­an­spruch des Arbeit­nehmers iSv. § 362 Abs. 1 BGB erfüllt werden soll, und sie dem Arbeit­nehmer auch mitge­teilt, habe er als Schuldner des Urlaubs­an­spruchs die für die Erfüllung dieses Anspruchs erfor­der­liche Leistungs­handlung iSv. § 7 Abs. 1 BUrlG vorge­nommen. An den Inhalt dieser Erklärung sei er gebunden.

Tatsachen für unvor­her­sehbare und zwingende Notwen­dig­keiten, die etwas anderes zulassen würden, seien vom Arbeit­geber nicht vorge­tragen worden.

(BAG, Urteil vom 20. Juni 2000 – 9 AZR 405/99 –)
 

Widerruf genehmigten Urlaubs allenfalls in Notlagen

Der Arbeit­geber kann den einmal bewil­ligten Urlaub allen­falls in Notfällen wider­rufen bzw., den Arbeit­nehmer aus dem angetre­tenen Urlaub zurückrufen.

Das setzt aller­dings eine Fallge­staltung voraus, bei der die Arbeits­kraft eines bestimmten Arbeit­nehmers für einen bestimmten Zeitraum, beispiels­weise zur Verhin­derung des Zusam­men­bruchs eines Unter­nehmens, benötigt wird und es für den Arbeit­geber schlechthin unzumutbar wäre, an der Urlaubs­ge­währung festzu­halten. An solch eine Notlage werden sehr hohe Anfor­de­rungen gestellt. (Landes­ar­beits­ge­richt Köln, Urteil vom 3. Februar 2022 – 6 Sa 465/21 – mit weiteren Nachweisen). 

Ein perso­neller Engpass reicht hierfür nicht aus.

So hat es das Landes­ar­beits­ge­richt Köln auch in einem anderen Fall entschieden.

Einer Verkäu­ferin in einem Beklei­dungs­ge­schäft wurde fristlos der Arbeits­vertrag gekündigt, nachdem sie ihren geneh­migten und angetre­tenen Urlaub nicht unter­brochen hatte. Ihr Arbeit­geber hatte anlässlich eines verkaufs­of­fenen Wochen­endes und Perso­nal­eng­passes ihren Urlaub widerrufen.

Der Arbeit­geber sah in der Weigerung der Arbeit­neh­merin, ihren Urlaub zu unter­brechen, eine Arbeits­ver­wei­gerung, da die Urlaubs­ge­währung aus dringenden betrieb­lichen Gründen erfolgt sei.

Dies sah das Landes­ar­beits­ge­richt Köln anders. Der Arbeit­geber könne bereits geneh­migten Urlaub allen­falls wegen einer Notlage wider­rufen. Dabei müsse es sich um zwingende Notwen­dig­keiten handeln, die einen anderen Ausweg nicht zulassen würden. Solche lägen hier nicht vor. Ein perso­neller Engpass sei für sich noch keine Notlage. Das Laden­ge­schäft habe trotz des Fehlens der Arbeit­neh­merin öffnen können. Ihre Weigerung, ihren Urlaub zu unter­brechen sei nicht mit der Situation einer Selbst­be­ur­laubung zu vergleichen. Es liege keine Pflicht­ver­letzung seitens der Arbeit­neh­merin vor. Die Arbeit­neh­merin sei daher der Arbeit berechtigt fernge­blieben. Die fristlose Kündigung sei unwirksam.

(Landes­ar­beits­ge­richt Köln, Urteil vom 27. September 2012 – 6 Sa 449/12 –)
 

Widerruf genehmigten Urlaubs kann nicht vertraglich vereinbart werden

Ein Arbeit­nehmer kann sich auch nicht durch eine Verein­barung verpflichten, den Urlaub auf Verlangen des Arbeit­gebers abzubrechen. Eine solche Verein­barung würde gegen § 13 Abs. 1 BUrlG verstoßen und somit rechts­un­wirksam sein.

Arbeit­geber und Arbeit­nehmer können sich aber im Einzelfall einver­nehmlich verstän­digen, bereits geneh­migten Urlaub zu verschieben.

Sollte ein Arbeit­nehmer durch Veran­lassung des Arbeit­gebers freiwillig seinen Urlaub abbrechen, so hat der Arbeit­geber aller­dings die daraus entste­henden Kosten, beispiels­weise Stornie­rungs­kosten nach § 670 BGB als Ersatz von Aufwen­dungen zu ersetzen.

 

Widerruf genehmigten Urlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Eine Ausnahme von der Unwider­ruf­lichkeit der Urlaubs­ge­neh­migung kann aber in dem Fall bestehen, dass ein Arbeits­ver­hältnis in der ersten Jahres­hälfte beendet wird und bereits mehr Urlaub gewährt wurde, als Urlaubs­an­spruch zusteht.

Nach erfüllter Wartezeit gemäß § 4 BUrlG hat der Arbeit­nehmer grund­sätzlich mit Beginn des Kalen­der­jahres den vollen Urlaubs­an­spruch auf alle vertraglich oder mindestens gesetzlich garan­tierten Urlaubstage. Dieser kann aber dann gesetzlich gekürzt werden, wenn das Arbeits­ver­hältnis in der ersten Jahres­hälfte, also vor dem 1. Julei beendet wird. Nach § 5 Abs. 1 c) BUrlG steht dem Arbeit­nehmer in so einer Fallkon­stel­lation nur ein Zwölftel des Jahres­ur­laubes für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeits­ver­hält­nisses im Kalen­derjahr zu.

Scheidet ein Arbeit­nehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Jahres­hälfte aus dem Arbeits­ver­hältnis aus, so erfolgt die gesetzlich normierte anteilige Kürzung des Urlaubs­an­spruches dann zu dem Zeitpunkt, in dem feststeht, dass der Arbeit­nehmer in der ersten Jahres­hälfte aus dem Arbeits­ver­hältnis ausscheidet. Hat der Arbeit­geber zu diesem Zeitpunkt bereits mehr Urlaub genehmigt, als dem Arbeit­nehmer wegen der Beendigung seines Arbeits­ver­hält­nisses in der ersten Jahres­hälfte zusteht, kann der Arbeit­geber den nicht mehr durch den Urlaubs­an­spruch gedeckten, aber bereits gewährten Urlaub widerrufen.

(Landes­ar­beits­ge­richt Hamm (Westfalen), Urteil vom 26. Mai 2004 – 18 Sa 964/04 –)

 

2 Antworten

  1. Caro sagt:

    Guten Tag,
    Wie lange ist mein Anspruch auf Bezahlung für Urlaub, den ich nicht nehmen konnte und Überstunden, die nicht abgegolten wurden, gültig?

    • Jan Böhm sagt:

      Sehr geehrte Caro,

      gerne möchte ich auf Ihre Frage antworten. Selbst­ver­ständlich kann ich nur allge­meine Aussagen treffen, da mir der konkrete Sachverhalt nicht bekannt ist.

      Urlaubs­an­spruch entsteht für ein Kalen­derjahr und muss grund­sätzlich auch in diesem Kalen­derjahr genommen werden. Ausnahms­weise darf ein Resturlaub, der im laufenden Kalen­derjahr aus betrieb­lichen oder persön­lichen Gründen nicht genommen werden konnte, ins nächste Jahr übertragen werden. Dann muss er bis zum 31. März genommen werden. Ansonsten verfällt der Anspruch. Aller­dings muss der Arbeit­geber Sie darauf hinge­wiesen haben, dass die Gefahr des Verfalls des Urlaubs besteht und Ihnen ermög­licht haben, den Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Sonst verfällt der Urlaub nicht, sondern verjährt nach drei Jahren. Aber auch auf diese Verjährung muss der Arbeit­geber hinweisen. Sonst bleibt der Urlaubs­an­spruch bestehen. 

      Grund­sätzlich muss der Urlaub in Form von freien Tagen genommen werden und wird nicht ausbe­zahlt. Wenn es aller­dings bis zur Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses nicht möglich war, den Resturlaub zu nehmen, kann der Urlaubs­an­spruch ausnahms­weise auch in Geld ausge­zahlt werden. Das nennt man dann Urlaubs­ab­gel­tungs­an­spruch. Auch dieser verjährt nach drei Jahren. Aller­dings muss der Arbeit­geber hierbei nicht auf die Verjährung hinweisen. 

      Inwieweit Überstunden ausbe­zahlt werden, mit dem Gehalt abgegolten sind oder wann sie verfallen, beispiels­weise durch Ausschluss­klauseln, kann in Tarif­ver­trägen oder im Arbeits­vertrag geregelt sein. Das ist oft der Fall. Dann ist diese Regelung, falls sie recht­mäßig ist, anzuwenden. Ist nichts geregelt, kommt es darauf an, ob Überstunden üblicher­weise in dem Betrieb ausge­zahlt werden. Ist dies der Fall, so verfällt der Anspruch auf Auszahlung der Überstunden nach drei Jahren. 

      Bei der Geltend­ma­chung der Auszahlung der geleis­teten Überstunden ist es wichtig, nachweisen zu können, dass die Überstunden auch tatsächlich geleistet wurden. 

      Wenn im Rahmen eines Aufhe­bungs­ver­trages oder einer Ausgleichs­quittung unter­schrieben wurde, dass alle Ansprüche aus dem Arbeits­ver­hältnis abgegolten sind, können Ansprüche auf Abgeltung von Überstunden nicht mehr durch­ge­setzt werden. 

      Ich hoffe, die Antworten helfen Ihnen weiter.

      Mit freund­lichen Grüßen

      Jan Böhm
      Rechtsanwalt

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