Vermittlungsprovisionen müssen durch den Arbeitnehmer nicht erstattet werden

Vermittlungsprovisionen müssen durch den Arbeitnehmer nicht erstattet werden

14. Juli 2023 Allgemein 0

Eine arbeits­ver­trag­liche Regelung, nach der der Arbeit­nehmer verpflichtet ist, dem Arbeit­geber eine von ihm für das Zustan­de­kommen des Arbeits­ver­trags an einen Dritten gezahlte Vermitt­lungs­pro­vi­sionen zu erstatten, wenn der Arbeit­nehmer das Arbeits­ver­hältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist beendet, ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Bundes­ar­beits­ge­richt, Urteil vom 20. Juni 2023 – 1 AZR 265/22 –
 

Grundlagen

 

Rückzahlungsklauseln

Die Parteien eines Arbeits­ver­trages können verein­baren, dass finan­zielle Leistungen des Arbeit­gebers, die dieser im Vertrauen auf den Bestand des Arbeits­ver­hält­nisses aufwendet, vom Arbeit­nehmer zurück­ge­zahlt werden müssen, wenn das Arbeits­ver­hältnis nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt besteht. Oft werden diese Verein­ba­rungen vom Arbeit­geber in Form von Allge­meinen Geschäfts­be­din­gungen (kurz AGB) vorge­geben. Diese sind dahin­gehend überprüfbar,  ob sie nicht überra­schend und klar verständlich sind. Sie sind nach § 307 BGB auch darauf überprüfbar ob der Arbeit­nehmer beispiels­weise durch die Rückzah­lungs­ver­ein­barung nicht unange­messen benach­teiligt wird. Etwa darf die Länge der Bindungs­dauer nicht zu lang sein.

Rückzah­lungs­klauseln werden gerne bei Weiter­bil­dungs­maß­nahmen oder Schulungen, für die der Arbeit­nehmer die Kosten übernimmt, vereinbart. Dabei ist dann im Rahmen der AGB‐Überprüfung beispiels­weise auch zu berück­sich­tigen, ob der Arbeit­nehmer durch die Weiter­bildung eine Quali­fi­zierung, die seinen Marktwert steigerte erfuhr.

Im vorlie­genden Fall ging es aber nicht um Kosten einer Weiter­bildung, sondern um Vermitt­lungs­pro­vi­sionen im Rahmen der Personalvermittlung.

 

Freie Wahl des Arbeitsplatzes

Nach Art. 12 Abs. 1 GG hat jeder Deutsche das Grund­recht seinen Arbeits­platz frei zu wählen, also eine konkrete Beschäf­ti­gungs­mög­lichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen, beizu­be­halten oder aufzu­geben. Eingriffe in diese Freiheit sind nur zur Sicherung eines entspre­chend wichtigen Gemein­schaftsguts unter Wahrung des Grund­satzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit zulässig. (BVerG – 1 BvR 1341/90 -). Nach Art. 12 Abs. 2 GG darf auch niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer wenn es sich um eine allge­meine, öffent­liche Dienst­pflicht handelt, die für alle gilt.

 

Zum Fall:

Im März 2021 schlossen die strei­tenden Parteien einen Arbeits­vertrag zum 1. Mai 2021. Beim Zustan­de­kommen des Vertrages hatte ein Perso­nal­ver­mittler mitge­wirkt. Die beklagte Arbeit­ge­berin zahlte dem Perso­nal­ver­mittler eine Provision in Höhe von 4461,60 Euro. Nach Ablauf einer sechs­mo­na­tigen Probezeit sollte eine weitere Teilpro­vision in Höhe von 2230,80 Euro fällig werden. Der Arbeit­nehmer war laut einer Klausel seines Arbeits­ver­trages dazu verpflichtet, der beklagten Arbeit­ge­berin die gezahlte Vermitt­lungs­pro­vi­sionen zu erstatten, falls das Arbeits­ver­hältnis nicht über den 30. Juni 2022 hinaus bestehen sollte und – unter anderem – aus vom Kläger „zu vertre­tenden Gründen“ von ihm selbst beendet werden würde. Der Arbeit­nehmer kündigte sein Arbeits­ver­hältnis frist­ge­recht zum 30. Juni 2021. Die Arbeit­ge­berin behielt daraufhin unter Verweis auf den Arbeits­vertrag einen Teilbetrag der Monats­ver­gütung für Juni 2021 in Höhe von 809,21 Euro ein.

Dagegen legte der Arbeit­nehmer Klage ein und machte geltend, die entspre­chende Regelung in seinem Arbeits­vertrag sei unwirksam, da sie ihn unange­messen benach­teilige. Die Beklagte Arbeit­ge­berin vertrat dagegen die Auffassung, die vertrag­liche Regelung sei wirksam, da sie ein berech­tigtes Interesse habe, die für die Vermittlung des Klägers gezahlte Vermitt­lungs­pro­vi­sionen nur dann endgültig aufzu­bringen, wenn er bis zum Ablauf der verein­barten Frist für sie tätig gewesen wäre.

Arbeits­ge­richt und Landes­ar­beits­ge­richt gaben der Klage statt. (Arbeits­ge­richt Lübeck, Urteil vom 8.12.2021, – 4 Ca 1331÷21−; Landes­ar­beits­ge­richt Schleswig‐Holstein, Urteil vom 12. Mai 2022 – 4 Sa 3/22 –)

 

Die Entscheidung

Auch die Revision vor dem Bundes­ar­beits­ge­richt blieb erfolglos.  Das Bundes­ar­beits­ge­richt sah in der Regelung des Arbeits­ver­trages zur Erstattung der Provision eine Benach­tei­ligung des Klägers entgegen der Gebote von Treu und Glauben. Diese Regelung sei daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Arbeit­nehmer werde dadurch in seinem von Artikel 12 Abs. 1 Satz 1 Grund­gesetz garan­tierten Recht auf freie Wahl des Arbeits­platzes beein­trächtigt. Dies sei auch nicht durch begründete Inter­essen der Beklagten gerechtfertigt.

Der Arbeit­geber trage grund­sätzlich das unter­neh­me­rische Risiko dafür, dass sich von ihm getätigte finan­zielle Aufwen­dungen für die Perso­nal­be­schaffung nicht „lohnen“, wenn der Arbeit­nehmer das Arbeits­ver­hältnis in rechtlich zuläs­siger Weise beende. Es bestehe kein billi­gens­wertes Interesse der Beklagten, solche Kosten auf den Kläger zu übertragen. Auch erhalte der Kläger keinen Vorteil, der die Beein­träch­tigung seiner Arbeits­wahl­freiheit ausgleichen könnte.

 

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