Vermittlungsprovisionen müssen durch den Arbeitnehmer nicht erstattet werden
Eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber eine von ihm für das Zustandekommen des Arbeitsvertrags an einen Dritten gezahlte Vermittlungsprovisionen zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist beendet, ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Grundlagen
Rückzahlungsklauseln
Die Parteien eines Arbeitsvertrages können vereinbaren, dass finanzielle Leistungen des Arbeitgebers, die dieser im Vertrauen auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses aufwendet, vom Arbeitnehmer zurückgezahlt werden müssen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt besteht. Oft werden diese Vereinbarungen vom Arbeitgeber in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (kurz AGB) vorgegeben. Diese sind dahingehend überprüfbar, ob sie nicht überraschend und klar verständlich sind. Sie sind nach § 307 BGB auch darauf überprüfbar ob der Arbeitnehmer beispielsweise durch die Rückzahlungsvereinbarung nicht unangemessen benachteiligt wird. Etwa darf die Länge der Bindungsdauer nicht zu lang sein.
Rückzahlungsklauseln werden gerne bei Weiterbildungsmaßnahmen oder Schulungen, für die der Arbeitnehmer die Kosten übernimmt, vereinbart. Dabei ist dann im Rahmen der AGB‐Überprüfung beispielsweise auch zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer durch die Weiterbildung eine Qualifizierung, die seinen Marktwert steigerte erfuhr.
Im vorliegenden Fall ging es aber nicht um Kosten einer Weiterbildung, sondern um Vermittlungsprovisionen im Rahmen der Personalvermittlung.
Freie Wahl des Arbeitsplatzes
Nach Art. 12 Abs. 1 GG hat jeder Deutsche das Grundrecht seinen Arbeitsplatz frei zu wählen, also eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen, beizubehalten oder aufzugeben. Eingriffe in diese Freiheit sind nur zur Sicherung eines entsprechend wichtigen Gemeinschaftsguts unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig. (BVerG – 1 BvR 1341/90 -). Nach Art. 12 Abs. 2 GG darf auch niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer wenn es sich um eine allgemeine, öffentliche Dienstpflicht handelt, die für alle gilt.
Zum Fall:
Im März 2021 schlossen die streitenden Parteien einen Arbeitsvertrag zum 1. Mai 2021. Beim Zustandekommen des Vertrages hatte ein Personalvermittler mitgewirkt. Die beklagte Arbeitgeberin zahlte dem Personalvermittler eine Provision in Höhe von 4461,60 Euro. Nach Ablauf einer sechsmonatigen Probezeit sollte eine weitere Teilprovision in Höhe von 2230,80 Euro fällig werden. Der Arbeitnehmer war laut einer Klausel seines Arbeitsvertrages dazu verpflichtet, der beklagten Arbeitgeberin die gezahlte Vermittlungsprovisionen zu erstatten, falls das Arbeitsverhältnis nicht über den 30. Juni 2022 hinaus bestehen sollte und – unter anderem – aus vom Kläger „zu vertretenden Gründen“ von ihm selbst beendet werden würde. Der Arbeitnehmer kündigte sein Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30. Juni 2021. Die Arbeitgeberin behielt daraufhin unter Verweis auf den Arbeitsvertrag einen Teilbetrag der Monatsvergütung für Juni 2021 in Höhe von 809,21 Euro ein.
Dagegen legte der Arbeitnehmer Klage ein und machte geltend, die entsprechende Regelung in seinem Arbeitsvertrag sei unwirksam, da sie ihn unangemessen benachteilige. Die Beklagte Arbeitgeberin vertrat dagegen die Auffassung, die vertragliche Regelung sei wirksam, da sie ein berechtigtes Interesse habe, die für die Vermittlung des Klägers gezahlte Vermittlungsprovisionen nur dann endgültig aufzubringen, wenn er bis zum Ablauf der vereinbarten Frist für sie tätig gewesen wäre.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt. (Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 8.12.2021, – 4 Ca 1331÷21−; Landesarbeitsgericht Schleswig‐Holstein, Urteil vom 12. Mai 2022 – 4 Sa 3/22 –)
Die Entscheidung
Auch die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht blieb erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht sah in der Regelung des Arbeitsvertrages zur Erstattung der Provision eine Benachteiligung des Klägers entgegen der Gebote von Treu und Glauben. Diese Regelung sei daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Arbeitnehmer werde dadurch in seinem von Artikel 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beeinträchtigt. Dies sei auch nicht durch begründete Interessen der Beklagten gerechtfertigt.
Der Arbeitgeber trage grundsätzlich das unternehmerische Risiko dafür, dass sich von ihm getätigte finanzielle Aufwendungen für die Personalbeschaffung nicht „lohnen“, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beende. Es bestehe kein billigenswertes Interesse der Beklagten, solche Kosten auf den Kläger zu übertragen. Auch erhalte der Kläger keinen Vorteil, der die Beeinträchtigung seiner Arbeitswahlfreiheit ausgleichen könnte.