Fristlose Kündigung und Weiterbeschäftigung
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, weil er meint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, bietet aber gleichzeitig dem Arbeitnehmer „zur Vermeidung von Annahmeverzug“ nach der Kündigung die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungsschutzprozesses an, verhält er sich widersprüchlich. In einem solchen Fall spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das Beschäftigungsangebot nicht ernst gemeint ist. Der Arbeitnehmer muss dann das Weiterbeschäftigungsangebot nicht annehmen. Allein die bloße Ablehnung des Angebotes einer Prozessbeschäftigung indiziert noch nicht den fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Annahmeverzug
Nimmt der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer geschuldeten Dienste nicht an, obwohl die Entgegennahme der Leistung möglich und zumutbar ist, schuldet er dem Arbeitnehmer dennoch die vertraglich vereinbarte Vergütung. Dies kann bei einer unwirksamen Kündigung der Fall sein. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung tatsächlich anbieten. Der Arbeitgeber gerät sowohl bei einer ordentlichen als auch bei einer fristlosen Kündigung mit Beginn des Tages in Annahmeverzug, an dem das Arbeitsverhältnis nach dem Inhalt der Kündigung enden soll. Wenn der Arbeitgeber fristlos kündigt, wird dies üblicherweise zugleich als Erklärung gedeutet, einen funktionsfähigen Arbeitsplatz nicht weiterhin zur Verfügung zu stellen und den Arbeitnehmer nicht weiter beschäftigen zu wollen. Denn die fristlose Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen.
Unvermögen des Schuldners nach § 297 BGB
Der Arbeitgeber kommt nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer die Leistung nicht bewirken kann. Die Voraussetzungen, die Leistung bewirken zu können sind das Leistungsvermögen und der Leistungswillen des Arbeitnehmers. Das Leistungsvermögen kann z.B. bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, alkoholbedingter Arbeitsunfähigkeit oder gesundheitlicher Überforderung durch die Arbeit fehlen. Der Leistungswille erfordert die Bereitschaft, die betreffende Arbeit zu den vertraglichen Bedingungen zu leisten. Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach einer Kündigung eine Weiterbeschäftigung während eines Kündigungsschutzprozesses an, muss diese Tätigkeit dem Arbeitnehmer zumutbar sein. Ist dies der Fall und der Arbeitnehmer nimmt das Weiterbeschäftigungsangebot nicht an, kann der Leistungswille fehlen. Eine mögliche Folge wäre dann nach § 11 Abs. 2 KSchG die Anrechnung des möglichen Verdienstes, den er beim bisherigen oder einem neuen Arbeitgeber hätte verdienen können, dies aber böswillig unterlassen hat. (Mehr zum Thema des böswilligen Unterlassens können Sie hier lesen.)
Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach Kündigung
Aber es ist auch denkbar, dass der Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses von sich aus weiterhin im Betrieb arbeiten möchte. Dazu gibt es zwei Anspruchsmöglichkeiten. Es gibt einen betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch und einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch. Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Absatz 5 BetrVG besteht dann, wenn ein im Unternehmen bestehender Betriebsrat der Kündigung zulässigerweise widersprochen hat und der Arbeitgeber dennoch kündigt. Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch besteht dann, wenn in einem Kündigungsschutzprozess in der ersten Instanz festgestellt wurde, dass die Kündigung unwirksam war und das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wurde, der Arbeitgeber dann aber Berufung gegen das Urteil einlegt.
(Mehr zum Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach einer Kündigung können Sie hier in einem Spezialartikel lesen.)
Zum Fall:
Ein technischer Leiter hatte von seinem Arbeitgeber eine fristlose Änderungskündigung erhalten. Für den Fall dass er diese annehme oder vom Bestand des bisherigen Arbeitsverhältnis ausgehe, sollte er einige Tage später wieder zur Arbeit erscheinen. Als der Arbeitnehmer daraufhin nicht zur Arbeit erschien, kündigte der Arbeitgeber fristlos und wies darauf hin, dass der Arbeitnehmer, sollte er die Kündigung ablehnen, wieder zur Arbeit erscheinen solle. Der Arbeitnehmer erschien nicht zur Arbeit und legte Kündigungsschutzklage ein. Dieser gab das Arbeitsgericht statt und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis durch keine der beiden Kündigungen aufgelöst worden sei.
Daraufhin klagte der Arbeitnehmer auf Vergütung wegen Annahmeverzuges des Arbeitgebers. Durch die unwirksamen Kündigungen habe sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug befunden. Die Angebote der Weiterbeschäftigung seien ihm, sofern diese überhaupt ernst gemeint seien, nicht zumutbar, da der Arbeitgeber ihm zur Begründung der fristlosen Kündigung umfangreich und zu Unrecht mannigfaltiges Fehlverhalten vorgeworfen und seine Person herabgewürdigt habe. Zudem habe der Arbeitgeber geltend gemacht, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei ihm unzumutbar.
Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht hatte der Arbeitnehmer damit keinen Erfolg. Die Gerichte sahen keinen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung gegeben, da der Arbeitnehmer das Angebot des Arbeitgebers, während des Kündigungsschutzprozesses weiterzuarbeiten, nicht angenommen habe. Der Kläger sei deshalb nicht leistungswillig im Sinne des § 297 BGB gewesen.
Widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers bei Angebot einer Weiterbeschäftigung nach fristloser Kündigung.
Das sah das Bundesarbeitsgericht anders. Der Arbeitgeber habe sich aufgrund der unwirksamen Kündigungen im Annahmeverzug befunden, ohne dass es eines Arbeitsangebotes des Arbeitnehmers bedurft hätte. Denn der Arbeitgeber sei selbst nicht davon ausgegangen, dass ihm eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zuzumuten sei und deswegen eine fristlose Kündigung begründet sei. Daher sei das Angebot einer Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers, das die Vermutung zulasse, dass dieses Angebot nicht ernst gemeint sei.
Ein fehlender Leistungswille des Arbeitnehmers liege ebenfalls nicht vor. Es käme allenfalls die Anrechnung eines böswillig unterlassenen Verdienstes gemäß § 11 KSchG in Betracht, wenn der Arbeitnehmer durch die Weiterbeschäftigung den Annahmeverzugsschaden hätte mindern müssen. Dem Arbeitnehmer sei eine Weiterbeschäftigung beim Arbeitgeber aber nicht zumutbar gewesen, da dieser im Rahmen der Kündigungen Vorwürfe gegen den Arbeitnehmer erhoben und ihn in seiner Person herabgewürdigt habe. Die Beklagte habe im Kündigungsschreiben und im Verlaufe des Kündigungsschutzprozesses immer wieder geltend gemacht, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr unzumutbar und das Vertrauensverhältnis sei „irreparabel zerstört”. Sie habe nicht ansatzweise erläutert, wie sich eine – auch nur vorübergehende – Zusammenarbeit gestalten solle. Demzufolge sei dem Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten.
Dem stünde auch nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess eine vorläufige Weiterbeschäftigung beantragt habe. Denn dieser Antrag sei auf die Weiterbeschäftigung nach einer festgestellten Unwirksamkeit der Kündigungen gerichtet gewesen. Die vom Arbeitgeber angebotene und vom Bundesarbeitsgericht als unzumutbar erachtete Weiterbeschäftigung habe sich aber auf die Zeit während des erstinstanzlichen Kündigungsschutzprozesses bezogen.
Es mache einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer trotz der gegen ihn im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung erhobenen (gravierenden) Vorwürfe weiterarbeiten soll oder er nach erstinstanzlichem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess gleichsam „rehabilitiert“ in den Betrieb zurückkehren könne.
Annahmeverzug fristlose Kündigung Weiterbeschäftigungsanspruch