Tat- und Verdachtskündigung Bundes­ar­beits­ge­richt zur sozialen Recht­fer­tigung einer Verdachtskündigung

Tat‐ und VerdachtskündigungBundes­ar­beits­ge­richt zur sozialen Recht­fer­tigung einer Verdachtskündigung

24. September 2020 Allgemein 0

Eine Verdachts­kün­digung ist auch als ordent­liche Kündigung sozial nur gerecht­fertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außer­or­dent­liche, fristlose Kündigung gerecht­fertigt hätten.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außer­or­dent­lichen, hilfs­weise ordent­lichen Kündigung der Beklagten. Die Beklagte ist ein Einzel­han­dels­un­ter­nehmen. Die Klägerin war – unter Anrechnung von Vorbe­schäf­ti­gungs­zeiten – seit 1991 bei ihr beschäftigt. Zuletzt war sie im Geträn­ke­markt des Einkaufs­markts tätig. In dem Markt beschäftigt die Beklagte insgesamt weit mehr als zehn Arbeit­nehmer, für die ein 7‑köpfiger Betriebsrat errichtet ist. Die Beklagte wirft der Klägerin vor, Geld aus der sogenannten „Klüngelgeld‐Kasse“, die aus dem abgelehnten Wechselgeld der Kunden besteht, entnommen zu haben, mit der Absicht der rechts­wid­rigen Aneignung. Auf diesen Verdacht stützt die Beklagte die „fristlose, hilfs­weise frist­ge­rechte“ Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses der Parteien. Die Klägerin erhob frist­gemäß Kündi­gungs­schutz­klage mit der Begründung, die Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt.

Ohne standhaften Grund überwiegt bei Güterabwägung das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers

Das Bundes­ar­beits­ge­richt entschied, dass eine Verdachts­kün­digung auch als ordent­liche Kündigung sozial nur gerecht­fertigt ist, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außer­or­dent­liche, fristlose Kündigung gerecht­fertigt hätten. Damit revidiert es die Entscheidung des Landes­ar­beits­ge­richts, die ordent­liche Kündigung sei gegenüber der außer­or­dent­lichen Kündigung als milderes Mittel sozial gerecht­fertigt. Die inhalt­liche Bewertung und die Inter­es­sen­ab­wägung müssen zum Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeit­nehmer verdächtig ist, – wäre es erwiesen – sogar eine sofortige Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses recht­fer­tigen würde, damit die ordent­liche Kündigung sozial gerecht­fertigt wäre. Ist ein solcher Grund nicht gegeben, überwiegt bei der Güter­ab­wägung im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG das Bestands­in­teresse des Arbeitnehmers.

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist zumutbar

Eine Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses ist zumutbar, wenn das fragliche Verhalten selbst im erwie­senen Fall nur eine ordent­liche Kündigung recht­fer­tigen würde. Im Rahmen der Inter­es­sen­ab­wägung nach § 626 Abs. 1 BGB nahm das Landes­ar­beits­ge­richt zu Recht an, dass das verdäch­tigte Verhalten eine außer­or­dent­liche Kündigung nicht stützen würde.

Das Bundes­ar­beits­ge­richt verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landes­ar­beits­ge­richt zurück.

Bundes­ar­beits­ge­richt Urteil vom 21.11.2013, 2 AZR 797/11

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