Urlaubsabgeltung und ihre Verjährung

Urlaubsabgeltung und ihre Verjährung

27. Juni 2023 Urlaub Urlaubsabgeltung 2

Der Urlaubs­ab­gel­tungs­an­spruch unter­liegt der Verjährung. Diese beginnt mit Ende des Jahr des Entstehens des Urlaubs­an­spruches. Im Gegensatz zum Urlaubs­an­spruch selbst, kommt es beim Anspruch auf Urlaubs­ab­geltung für den Beginn der Verjährung nicht darauf an, ob der Arbeit­geber auf die Möglichkeit der Verjährung des Abgel­tungs­an­spruches hinweist. Wenn dem Arbeit­nehmer im Hinblick auf vormalige Recht­spre­chung zum Verfall von Urlaubs­an­sprüchen nicht zumutbar ist, Klage auf Abgeltung zu erheben, beginnt die Verjäh­rungs­frist erst, wenn er von der geänderten Recht­spre­chung wissen kann.

(Bundes­ar­beits­ge­richt,  Urteil vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 456/20)

Als Rechts­an­walts­kanzlei für Arbeits­recht in Berlin haben wir immer wieder mit Fragen zum Urlaub und der Urlaubs­ab­geltung zu tun. Das Bundes­ar­beits­ge­richt hatte im vorlie­genden Fall über die Frage zu entscheiden, ab wann die Verjährung für die Geltend­ma­chung des Urlaubs­ab­gel­tungs­an­spruches eintritt.

Obwohl es dem Kläger hier Ansprüche auf Urlaubs­ab­geltung zugesprochen hat, klärte das Bundes­ar­beits­ge­richt grund­sätzlich , dass der Anspruch auf Urlaubs­ab­geltung verjähren kann, auch wenn der Arbeit­geber seine Mitwir­kungs­pflicht verletzt und den Arbeit­nehmer nicht darauf hinweist, dass dessen Urlaubs­ab­gel­tungs­an­spruch verfallen oder verjähren könnte.

Das Bundes­ar­beits­ge­richt hatte in einem anderen Fall (9 AZR 266/20) im Dezember 2022 entschieden, dass nicht genom­mener Urlaub dann nicht verjährt, wenn der Arbeit­geber vor dem Verfallen bzw. der Verjährung des Urlaubs­an­spruches den Arbeit­nehmer nicht auf den konkreten Urlaubs­an­spruch aufmerksam macht. Unter dem Hinweis, dass die Gefahr des Verfalls des Urlaubes und der Verjährung des Anspruchs besteht, muss der Arbeit­geber den Arbeit­nehmer dazu auffordern, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Dieses Urteil berück­sich­tigte seiner­seits Urteile des Europäi­schen Gerichtshofs (C 684/16) vom 6. November 2018 und vom 22. September 2022 (C 120/21).

Aller­dings lag der Sachverhalt dort etwas anders als im vorlie­genden Fall. Denn die dreijährige Verjäh­rungs­frist war noch nicht abgelaufen. Die Klägerin hatte dort die Abgel­tungs­an­sprüche 1 Jahr nach der Beendigung ihres Arbeits­ver­hält­nisses geltend gemacht. Die Beklagte hatte in dem Fall aber einge­wendet, die zugrun­de­lie­genden Urlaubs­an­sprüche für frühere Jahre selbst seien bereits verjährt. Dies war aber nicht so, da die Arbeit­ge­berin ihren Mitwir­kungs­pflichten nicht nachge­kommen war.

Im vorlie­genden Fall ging es aber vorwiegend um die Verjährung der Urlaubs­ab­geltung. Für die Verjährung des Urlaubs­ab­gel­tungs­an­spruches kommt es darauf an, wann das Arbeits­ver­hältnis beendet wurde.

 

Die Grundlagen

 

Urlaubsanspruch

Nach dem Bundes­ur­laubs­gesetz hat jeder Arbeit­nehmer in einem bestehenden Arbeits­ver­hältnis Anspruch auf bezahlten Erholungs­urlaub. Der Erholungs­ur­laubs­an­spruch entsteht erstmals in vollem Umfang nach 6 Monaten des Bestehens des Arbeits­ver­hält­nisses. Danach entsteht bei Beginn des neuen Kalen­der­jahres erneut der volle Urlaubs­an­spruch. Besteht das Arbeits­ver­hältnis mindestens einen vollen Monat, entsteht zumindest ein Teilurlaub.

Der Erholungs­urlaub kann während des bestehenden Arbeits­ver­hält­nisses grund­sätzlich nicht mit Geld abgegolten werden, sondern muss genommen werden. Der Urlaub muss tatsächlich genommen werden.

Urlaubs­an­spruch kann verfallen. Die Durch­setzung des Urlaubs­an­spruches kann nach drei Jahren der Einrede der Verjährung unter­liegen. Wie vom Bundes­ar­beits­ge­richt und dem EuGH entschieden, muss aber der Arbeit­geber darauf aufmerksam machen.

(Mehr zum Urlaubs­an­spruch können Sie hier in unserem Ratgeber lesen.)

 

Urlaubsabgeltungsanspruch

Der Urlaubs­ab­gel­tungs­an­spruch ist ein anderer Anspruch. Nach dem Bundes­ur­laubs­gesetz kann Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses nicht mehr genommen werden kann, in Geld abgegolten werden. Dieser Anspruch entsteht erst, wenn das Arbeits­ver­hältnis beendet wird.

§ 7 BUrlG

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

(Mehr zum Abgel­tungs­an­spruch von Resturlaub bei einer Kündigung können Sie hier lesen.)

 

Verjährung

Nach § 195 BGB beträgt die regel­mäßige Verjäh­rungs­frist drei Jahre. Sie beginnt nach § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Die Verjährung ist eine Einrede, welche die Durch­setzung eines bestehenden Anspruchs verhindert.

 

Zum Fall:

Die Betrei­berin einer Flugschule beschäf­tigte einen Ausbil­dungs­leiter seit dem 9. Juni 2010, ohne ihm seinen jährlichen Urlaub in Höhe von 30 Arbeits­tagen zu gewähren. Ab dem 19. Oktober 2015 war der Ausbil­dungs­leiter dann als selbstän­diger Dienst­nehmer für die Flugschule tätig.

Im August 2019 verlangte der selbständige Ausbil­dungs­leiter unter anderem die Abgeltung seines Urlaubs aus seiner Beschäf­ti­gungszeit vor der Vertrags­än­derung und erhob diesbe­züglich Klage. Die beklagte Flugschule erhob dagegen die Einrede der Verjährung.

 

Verfahrensgang:

Arbeits‐ und Landge­richt wiesen die Klage ab.

(Arbeits­ge­richt Hannover, Urteil vom 11.03.2020, 9 Ca 188/19) (LAG Nieder­sachsen, Urteil vom 20.08.2020 5 Sa 614/20).

 

Die Entscheidung

Das Bundes­ar­beits­ge­richt gab dem klagenden Arbeit­nehmer überwiegend Recht. Dem Kläger sei Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 abzugelten, der Urlaub aus 2015 dagegen nicht.

Der gesetz­liche Urlaubs­ab­gel­tungs­an­spruch unter­liege der Verjährung. Die dreijährige Verjäh­rungs­frist beginne in der Regel am Ende des Jahres in dem das Arbeits­ver­hältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwir­kungs­ob­lie­gen­heiten ankomme.

 
Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bilde eine Zäsur.

Zwischen dem Urlaubs­an­spruch und dem Urlaubs­ab­gel­tungs­an­spruch bestehe keine Zweck­iden­tität, die eine Gleich­be­handlung der Ansprüche erfordere. Im Unter­schied zum Urlaubs­an­spruch gehe es beim Urlaubs­ab­gel­tungs­an­spruch um die finan­zielle Kompen­sation von entgan­genem Urlaub und nicht um die Freistellung von der Arbeits­ver­pflichtung zu Erholungs­zwecken unter Fortzahlung der Vergütung.

Der EuGH leite für den Arbeit­nehmer gegenüber seinem Arbeit­geber aus seiner struk­turell schwä­cheren Stellung heraus eine besondere Schutz­be­dürf­tigkeit ab. Diese struk­turell schwä­cheren Stellung ende aber bei aber Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses. Ab der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses könne der Arbeit­nehmer nicht mehr aufgrund seiner schwä­cheren Position davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeit­geber geltend zu machen, da die Einfor­derung seiner Rechte sich nicht mehr zu seinem Nachteil auf das Arbeits­ver­hältnis auswirken könne.

Die Urlaubs­an­sprüche des Klägers unter­lägen somit grund­sätzlich der Verjährung. 

 
Die Verjährung beginnt aber nicht, wenn die Klageerhebung dem Kläger nicht zumutbar ist

Die Verjäh­rungs­frist könne aber bei europa­rechts­kon­former Auslegung nicht beginnen, solange eine Klage­er­hebung dem poten­ti­ellen Kläger nicht zumutbar sei. Vor dem Urteil des EuGH und dem darauf folgenden Urteil des Bundes­ar­beits­ge­richtes sei dieses noch davon ausge­gangen, dass Urlaubs­an­sprüche mit Ablauf des Urlaubs­jahres oder eines zuläs­sigen Übertra­gungs­zeit­raums unabhängig von der Erfüllung von Mitwir­kungs­ob­lie­gen­heiten automa­tisch verfielen bzw. nach drei Jahren die Einrede der Verjährung möglich sei. Der Kläger hätte zu diesem Zeitpunkt damit rechnen  müssen, dass eine Klage auf Abgeltung des Urlaubes nach höchst­rich­ter­licher Recht­spre­chung abgewiesen worden wäre.

Eine Änderung der Rechtslage habe sich erst mit der Entscheidung des EuGH vom 6. November 2018 (- C‑684/16 – [Max‐Planck‐Gesellschaft zur Förderung der Wissen­schaften]) hinrei­chend konkret abgezeichnet. Der Kläger habe erst dann infolge unions­kon­former Auslegung von der Durch­setz­barkeit seines noch bestehenden Urlaubs­an­spruch ausgehen können.

Demzu­folge sei ihm für die Ansprüche aus den Jahren 2010 bis 2014 nicht zumutbar gewesen, diese gerichtlich geltend zu machen. Die  Urlaubs­ab­gel­tungs­an­sprüche aus den Jahren 2010 bis 2014 seien demnach zum Zeitpunkt der Klage­er­hebung 2019 nicht verjährt gewesen. Die dreijährige Verjäh­rungs­frist habe nicht Ende 2015 sondern erst Ende des Jahres 2018 begonnen.

Die Abgel­tungs­an­sprüche des Urlaubs aus dem Jahr 2015 seien dagegen verjährt. Die dreijährige Verjäh­rungs­frist habe Ende des Jahres 2015 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2018 geendet.

 

Fazit:

Der Urlaubs­an­spruch entsteht nach 1 Monat Beschäf­ti­gungszeit teilweise und nach 6 Monaten vollständig. Der Urlaubs­ab­gel­tungs­an­spruch entsteht dagegen erst mit unerfülltem Urlaubs­an­spruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. 

Wenn der Arbeit­nehmer aufgrund bestehender Recht­spre­chung davon ausgehen muss, dass ein Gericht seine Urlaubs­an­sprüche als verjährt ansehen würde, ist ihm nicht zuzumuten diese vermeint­lichen Ansprüche einzu­klagen. Ändert sich die Recht­spre­chung, beginnt die Verjäh­rungs­frist für die Geltend­ma­chung der Urlaubs­ab­gel­tungs­an­spruches erst dann zu laufen, wenn der Arbeit­nehmer von seinen bestehenden Ansprüchen und Durch­set­zungs­mög­lich­keiten wissen kann.

Daher begann die Verjäh­rungs­frist für die Ansprüche aus 2010 bis 2014 erst Ende des Jahres 2018, nach der Verkündung des Urteils des EuGH zu laufen.

Hingegen konnte der Kläger November 2018 von der geänderten Recht­spre­chung wissen. Die Verjäh­rungs­frist für den Anspruch auf Urlaubs­ab­geltung begann mit Ende des Jahres, in dem der Urlaubs­an­spruch 2015 entstand, also mit Ende des Jahres 2015. Sie endete drei Jahre später Ende 2018. Bis dahin hätte der Kläger noch handeln können. Die Urlaubs­ab­gel­tungs­an­sprüche für 2015 waren also verjährt.

Dies führte im vorlie­genden Fall dazu, dass die länger zurück­lie­genden Ansprüche durch­ge­setzt werden konnten, der zeitlich jüngere Anspruch jedoch nicht.

 

2 Antworten

  1. Manfred Scholz sagt:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    mit großem Interesse habe ich den Bericht über die Verjährung der Urlaubs­ab­geltung gelesen, da ich auch davon betroffen bin.

    Ich war als Freibe­rufler mit einem Arbeit­geber von 2000 bis 2016 für die Firma Kautex – Textron in Bonn tätig. Ich hatte keine anderen Auftraggeber.
    In den ganzen Jahren habe ich keinen einzigen Tag bezahlten Urlaub bekommen. Die Firma hat mich nicht auf den Urlaubs­an­spruch aufmerksam gemacht.
    Ich habe selber erst 2020 von meinem Urlaubs­an­spruch erfahren, und Klage wegen Urlaubs­ab­geltung am Arbeits­ge­richt Bonn eingereicht.
    Die Klage wurde abgewiesen, weil der Zahlungs­an­spruch dem Recht der Verjährung unein­ge­schränkt unter­liegt. Ich habe die Klage daraufhin zurückgenommen.
    Heute haben sich die Gesetze verändert, und die Sachlage ist anders. Ich sehe Paral­lelen zu dem Bericht vom BAG vom 31.01.2023.

    Können Sie mir eine Einschätzung geben, ob ich hier doch noch eine Urlaubs­ab­geltung einklagen kann?

    Vielen Dank und freund­liche Grüße

    Manfred Scholz

    • Jan Böhm sagt:

      Sehr geehrter Herr Scholz,

      gerne gebe ich Ihnen eine kurze Antwort auf Ihre Frage, soweit dies ohne einge­hende Kenntnis Ihres Falles möglich ist. 

      Zunächst einmal wäre zu klären, ob Sie einen Urlaubs­an­spruch hatten. Denn selbständige „Freibe­rufler” haben in der Regel keinen Anspruch auf Urlaub. Wenn Sie hingegen eine „arbeit­neh­mer­ähn­liche” Person waren, können Sie auch Anspruch auf Urlaub gehabt haben. 

      Wenn wir davon ausgehen, dass Sie einen Urlaubs­an­spruch hatten, käme es darauf an, ob die Möglichkeit bestand, dass Ihr Arbeit­geber Ihnen Urlaub geben konnte. Wenn dies unmöglich war, etwa, weil eine Arbeits­un­fä­higkeit bestand oder beispiels­weise weil der Arbeit­geber selbst nicht wusste, dass Ihnen Urlaub zustand, kommt es für die Verjährung nicht mehr auf die Hinweis­ob­lie­gen­heiten an. Dann verjährt der Anspruch auch wenn der Arbeit­geber nicht darauf aufmerksam gemacht hat. 

      Wenn es von vornherein um die Urlaubs­ab­geltung in Geld ging, weil das Arbeits­ver­hältnis ja zum Zeitpunkt der Klage bereits beendet war, bestanden keine Hinweis­pflichten. Die Verjährung des Urlaubs­ab­gel­tungs­an­spruches tritt drei Jahre nach Ende des Arbeits­ver­hält­nisses ein. 

      Die Ausnahme in dem im Artikel beschrieben Fall bestand darin, dass für die Abgel­tungs­an­sprüche die drei Jahre vor dem Urteil aus November 2018 entsanden waren, die Frist bis zur Verjährung ausnahms­weise erst Ende 2018 begann. Für Abgel­tungs­an­sprüche, die später, beispiels­weise 2015 entstanden waren, galt dies nicht mehr. 

      Insofern denke ich, soweit ich die Sachlage überblicken kann, dass Ihre Urlaubs­ab­gel­tungs­an­sprüche in der Tat leider verjährt waren.

      Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.

      Mit freund­lichen Grüßen 

      Böhm
      Rechtsanwalt

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