Urlaubsabgeltung und ihre Verjährung
Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt der Verjährung. Diese beginnt mit Ende des Jahr des Entstehens des Urlaubsanspruches. Im Gegensatz zum Urlaubsanspruch selbst, kommt es beim Anspruch auf Urlaubsabgeltung für den Beginn der Verjährung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber auf die Möglichkeit der Verjährung des Abgeltungsanspruches hinweist. Wenn dem Arbeitnehmer im Hinblick auf vormalige Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen nicht zumutbar ist, Klage auf Abgeltung zu erheben, beginnt die Verjährungsfrist erst, wenn er von der geänderten Rechtsprechung wissen kann.
Als Rechtsanwaltskanzlei für Arbeitsrecht in Berlin haben wir immer wieder mit Fragen zum Urlaub und der Urlaubsabgeltung zu tun. Das Bundesarbeitsgericht hatte im vorliegenden Fall über die Frage zu entscheiden, ab wann die Verjährung für die Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruches eintritt.
Obwohl es dem Kläger hier Ansprüche auf Urlaubsabgeltung zugesprochen hat, klärte das Bundesarbeitsgericht grundsätzlich , dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung verjähren kann, auch wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflicht verletzt und den Arbeitnehmer nicht darauf hinweist, dass dessen Urlaubsabgeltungsanspruch verfallen oder verjähren könnte.
Inhaltsverzeichnis
Das Bundesarbeitsgericht hatte in einem anderen Fall (9 AZR 266/20) im Dezember 2022 entschieden, dass nicht genommener Urlaub dann nicht verjährt, wenn der Arbeitgeber vor dem Verfallen bzw. der Verjährung des Urlaubsanspruches den Arbeitnehmer nicht auf den konkreten Urlaubsanspruch aufmerksam macht. Unter dem Hinweis, dass die Gefahr des Verfalls des Urlaubes und der Verjährung des Anspruchs besteht, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dazu auffordern, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Dieses Urteil berücksichtigte seinerseits Urteile des Europäischen Gerichtshofs (C 684/16) vom 6. November 2018 und vom 22. September 2022 (C 120/21).
Allerdings lag der Sachverhalt dort etwas anders als im vorliegenden Fall. Denn die dreijährige Verjährungsfrist war noch nicht abgelaufen. Die Klägerin hatte dort die Abgeltungsansprüche 1 Jahr nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Die Beklagte hatte in dem Fall aber eingewendet, die zugrundeliegenden Urlaubsansprüche für frühere Jahre selbst seien bereits verjährt. Dies war aber nicht so, da die Arbeitgeberin ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen war.
Im vorliegenden Fall ging es aber vorwiegend um die Verjährung der Urlaubsabgeltung. Für die Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruches kommt es darauf an, wann das Arbeitsverhältnis beendet wurde.
Die Grundlagen
Urlaubsanspruch
Nach dem Bundesurlaubsgesetz hat jeder Arbeitnehmer in einem bestehenden Arbeitsverhältnis Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der Erholungsurlaubsanspruch entsteht erstmals in vollem Umfang nach 6 Monaten des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Danach entsteht bei Beginn des neuen Kalenderjahres erneut der volle Urlaubsanspruch. Besteht das Arbeitsverhältnis mindestens einen vollen Monat, entsteht zumindest ein Teilurlaub.
Der Erholungsurlaub kann während des bestehenden Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht mit Geld abgegolten werden, sondern muss genommen werden. Der Urlaub muss tatsächlich genommen werden.
Urlaubsanspruch kann verfallen. Die Durchsetzung des Urlaubsanspruches kann nach drei Jahren der Einrede der Verjährung unterliegen. Wie vom Bundesarbeitsgericht und dem EuGH entschieden, muss aber der Arbeitgeber darauf aufmerksam machen.
(Mehr zum Urlaubsanspruch können Sie hier in unserem Ratgeber lesen.)
Urlaubsabgeltungsanspruch
Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein anderer Anspruch. Nach dem Bundesurlaubsgesetz kann Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann, in Geld abgegolten werden. Dieser Anspruch entsteht erst, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird.
§ 7 BUrlG
(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.
(Mehr zum Abgeltungsanspruch von Resturlaub bei einer Kündigung können Sie hier lesen.)
Verjährung
Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt nach § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Die Verjährung ist eine Einrede, welche die Durchsetzung eines bestehenden Anspruchs verhindert.
Zum Fall:
Die Betreiberin einer Flugschule beschäftigte einen Ausbildungsleiter seit dem 9. Juni 2010, ohne ihm seinen jährlichen Urlaub in Höhe von 30 Arbeitstagen zu gewähren. Ab dem 19. Oktober 2015 war der Ausbildungsleiter dann als selbständiger Dienstnehmer für die Flugschule tätig.
Im August 2019 verlangte der selbständige Ausbildungsleiter unter anderem die Abgeltung seines Urlaubs aus seiner Beschäftigungszeit vor der Vertragsänderung und erhob diesbezüglich Klage. Die beklagte Flugschule erhob dagegen die Einrede der Verjährung.
Verfahrensgang:
Arbeits‐ und Landgericht wiesen die Klage ab.
(Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 11.03.2020, 9 Ca 188/19) (LAG Niedersachsen, Urteil vom 20.08.2020 5 Sa 614/20).
Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht gab dem klagenden Arbeitnehmer überwiegend Recht. Dem Kläger sei Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 abzugelten, der Urlaub aus 2015 dagegen nicht.
Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch unterliege der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne in der Regel am Ende des Jahres in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankomme.
Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bilde eine Zäsur.
Zwischen dem Urlaubsanspruch und dem Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe keine Zweckidentität, die eine Gleichbehandlung der Ansprüche erfordere. Im Unterschied zum Urlaubsanspruch gehe es beim Urlaubsabgeltungsanspruch um die finanzielle Kompensation von entgangenem Urlaub und nicht um die Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung.
Der EuGH leite für den Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber aus seiner strukturell schwächeren Stellung heraus eine besondere Schutzbedürftigkeit ab. Diese strukturell schwächeren Stellung ende aber bei aber Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ab der Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne der Arbeitnehmer nicht mehr aufgrund seiner schwächeren Position davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen, da die Einforderung seiner Rechte sich nicht mehr zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken könne.
Die Urlaubsansprüche des Klägers unterlägen somit grundsätzlich der Verjährung.
Die Verjährung beginnt aber nicht, wenn die Klageerhebung dem Kläger nicht zumutbar ist
Die Verjährungsfrist könne aber bei europarechtskonformer Auslegung nicht beginnen, solange eine Klageerhebung dem potentiellen Kläger nicht zumutbar sei. Vor dem Urteil des EuGH und dem darauf folgenden Urteil des Bundesarbeitsgerichtes sei dieses noch davon ausgegangen, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen bzw. nach drei Jahren die Einrede der Verjährung möglich sei. Der Kläger hätte zu diesem Zeitpunkt damit rechnen müssen, dass eine Klage auf Abgeltung des Urlaubes nach höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewiesen worden wäre.
Eine Änderung der Rechtslage habe sich erst mit der Entscheidung des EuGH vom 6. November 2018 (- C‑684/16 – [Max‐Planck‐Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) hinreichend konkret abgezeichnet. Der Kläger habe erst dann infolge unionskonformer Auslegung von der Durchsetzbarkeit seines noch bestehenden Urlaubsanspruch ausgehen können.
Demzufolge sei ihm für die Ansprüche aus den Jahren 2010 bis 2014 nicht zumutbar gewesen, diese gerichtlich geltend zu machen. Die Urlaubsabgeltungsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2014 seien demnach zum Zeitpunkt der Klageerhebung 2019 nicht verjährt gewesen. Die dreijährige Verjährungsfrist habe nicht Ende 2015 sondern erst Ende des Jahres 2018 begonnen.
Die Abgeltungsansprüche des Urlaubs aus dem Jahr 2015 seien dagegen verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist habe Ende des Jahres 2015 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2018 geendet.
Fazit:
Der Urlaubsanspruch entsteht nach 1 Monat Beschäftigungszeit teilweise und nach 6 Monaten vollständig. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht dagegen erst mit unerfülltem Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Wenn der Arbeitnehmer aufgrund bestehender Rechtsprechung davon ausgehen muss, dass ein Gericht seine Urlaubsansprüche als verjährt ansehen würde, ist ihm nicht zuzumuten diese vermeintlichen Ansprüche einzuklagen. Ändert sich die Rechtsprechung, beginnt die Verjährungsfrist für die Geltendmachung der Urlaubsabgeltungsanspruches erst dann zu laufen, wenn der Arbeitnehmer von seinen bestehenden Ansprüchen und Durchsetzungsmöglichkeiten wissen kann.
Daher begann die Verjährungsfrist für die Ansprüche aus 2010 bis 2014 erst Ende des Jahres 2018, nach der Verkündung des Urteils des EuGH zu laufen.
Hingegen konnte der Kläger November 2018 von der geänderten Rechtsprechung wissen. Die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung begann mit Ende des Jahres, in dem der Urlaubsanspruch 2015 entstand, also mit Ende des Jahres 2015. Sie endete drei Jahre später Ende 2018. Bis dahin hätte der Kläger noch handeln können. Die Urlaubsabgeltungsansprüche für 2015 waren also verjährt.
Dies führte im vorliegenden Fall dazu, dass die länger zurückliegenden Ansprüche durchgesetzt werden konnten, der zeitlich jüngere Anspruch jedoch nicht.
2 Antworten
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit großem Interesse habe ich den Bericht über die Verjährung der Urlaubsabgeltung gelesen, da ich auch davon betroffen bin.
Ich war als Freiberufler mit einem Arbeitgeber von 2000 bis 2016 für die Firma Kautex – Textron in Bonn tätig. Ich hatte keine anderen Auftraggeber.
In den ganzen Jahren habe ich keinen einzigen Tag bezahlten Urlaub bekommen. Die Firma hat mich nicht auf den Urlaubsanspruch aufmerksam gemacht.
Ich habe selber erst 2020 von meinem Urlaubsanspruch erfahren, und Klage wegen Urlaubsabgeltung am Arbeitsgericht Bonn eingereicht.
Die Klage wurde abgewiesen, weil der Zahlungsanspruch dem Recht der Verjährung uneingeschränkt unterliegt. Ich habe die Klage daraufhin zurückgenommen.
Heute haben sich die Gesetze verändert, und die Sachlage ist anders. Ich sehe Parallelen zu dem Bericht vom BAG vom 31.01.2023.
Können Sie mir eine Einschätzung geben, ob ich hier doch noch eine Urlaubsabgeltung einklagen kann?
Vielen Dank und freundliche Grüße
Manfred Scholz
Sehr geehrter Herr Scholz,
gerne gebe ich Ihnen eine kurze Antwort auf Ihre Frage, soweit dies ohne eingehende Kenntnis Ihres Falles möglich ist.
Zunächst einmal wäre zu klären, ob Sie einen Urlaubsanspruch hatten. Denn selbständige „Freiberufler” haben in der Regel keinen Anspruch auf Urlaub. Wenn Sie hingegen eine „arbeitnehmerähnliche” Person waren, können Sie auch Anspruch auf Urlaub gehabt haben.
Wenn wir davon ausgehen, dass Sie einen Urlaubsanspruch hatten, käme es darauf an, ob die Möglichkeit bestand, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen Urlaub geben konnte. Wenn dies unmöglich war, etwa, weil eine Arbeitsunfähigkeit bestand oder beispielsweise weil der Arbeitgeber selbst nicht wusste, dass Ihnen Urlaub zustand, kommt es für die Verjährung nicht mehr auf die Hinweisobliegenheiten an. Dann verjährt der Anspruch auch wenn der Arbeitgeber nicht darauf aufmerksam gemacht hat.
Wenn es von vornherein um die Urlaubsabgeltung in Geld ging, weil das Arbeitsverhältnis ja zum Zeitpunkt der Klage bereits beendet war, bestanden keine Hinweispflichten. Die Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruches tritt drei Jahre nach Ende des Arbeitsverhältnisses ein.
Die Ausnahme in dem im Artikel beschrieben Fall bestand darin, dass für die Abgeltungsansprüche die drei Jahre vor dem Urteil aus November 2018 entsanden waren, die Frist bis zur Verjährung ausnahmsweise erst Ende 2018 begann. Für Abgeltungsansprüche, die später, beispielsweise 2015 entstanden waren, galt dies nicht mehr.
Insofern denke ich, soweit ich die Sachlage überblicken kann, dass Ihre Urlaubsabgeltungsansprüche in der Tat leider verjährt waren.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Böhm
Rechtsanwalt