Keine Urlaubsgewährung durch Anrechnung arbeitsfreier Zeiten
Indem er tatsächliche arbeitsfreie Zeiten in unbestimmter Länge mit dem Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers verrechnet, erfüllt der Arbeitgeber nicht stets die Gewährung des gesetzlichen Urlaubes. Dies gilt selbst dann, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf solch ein Vorgehen geeinigt haben. Denn es fehle an einer unwiderruflichen Freistellung. Eine Urlaubsgewährung kann auch nicht dadurch nachgeholt werden, dass der Arbeitgeber nachträglich arbeitsfreie Zeit als Urlaub deklariert.
In diesem Sinne hat das Landesarbeitsgericht Berlin‐Brandenburg entschieden.
Die Grundlagen
Freistellungserklärung vor Urlaub und unwiderruflich
Urlaub muss vom Arbeitnehmer beantragt und durch den Arbeitgeber genehmigt werden.
Der Arbeitgeber erfüllt den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, indem er diesem gegenüber vor dem Urlaubsbeginn hinreichend bestimmt und unwiderruflich erklärt, den Arbeitnehmer für den beantragten Zeitraum von der Arbeitspflicht freizustellen.
Wesentliche Anforderung an die Urlaubsgewährung sind also:
- Vor Urlaubsbeginn
- Feststehender Zeitraum
- Unwiderruflich
Damit soll gewährleistet werden, dass der Arbeitnehmer seinen Erholungsurlaub verbindlich, frei bestimmt und unterbrechungsfrei planen und verbringen kann.
Unabdingbarkeit des Urlaubsanspruches
Nach § 13 BUrlG darf vom grundsätzlichen Anspruch auf Urlaub und von der Mindestdauer des gesetzlichen Urlaubs nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.
Nachteilige Abweichungen von anderen Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes wären nur durch einen Tarifvertrag oder durch Bezugnahme auf einen gültigen Tarifvertrag möglich.
Zum Fall
Ein bei der beklagten Partei als Bauleiter beschäftigter Arbeitnehmer wurde zwischen Juli 2017 und August 2018 auf verschiedenen Baustellen eingesetzt. Ihm standen laut Arbeitsvertrag 26 Tage Erholungsurlaub zu. Nach einer Arbeitsvertragsklausel sollte der Urlaubsanspruch verfallen, wenn dieser nicht bis zum 31.03. des Folgejahres genommen würde.
Zwischen seinem Einsatz auf einer Baustelle in Darmstadt und einer Baustelle in München wurde der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin im Jahr 2018 für eine Übergangszeit von insgesamt 5 Wochen nicht eingesetzt.Die Arbeitgeberin wies den Arbeitnehmer nicht gesondert darauf hin, dass sein Urlaub verfallen könnte.
Der Arbeitnehmer kündigte sein Arbeitsverhältnis zum 31.7.2018 und verlangte Urlaubsabgeltung für seinen Resturlaub aus den Jahren 2017 und 2018.
Die beklagte Arbeitgeberin lehnte dies ab und war der Meinung, dass die Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2017 bereits verfallen seien und im Übrigen der Urlaubsanspruch aus 2018 durch die freien Tage bereits abgegolten sei. Der Geschäftsführer der Beklagten habe sich mit dem Arbeitnehmer darauf geeinigt, dass er für den Zeitraum der Nichtbeschäftigung nicht zur Arbeit erscheinen müsse. Diese arbeitsfreien Tage würden mit seinem Urlaub verrechnet werden.
Urteil der 1. Instanz
Das Arbeitsgericht Berlin sah dies anders. Nach neuer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei der Urlaubsanspruch nicht verfallen, da die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer nicht darauf hingewiesen habe, dass der Urlaub verfallen könnte oder auf tatsächliche Urlaubsnahme im Jahr 2017 hingewirkt habe. (Mehr zu dieser Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers können Sie hier lesen.) Eine Absprache über die Anrechnung der freien Tage auf den Urlaub habe die Beklagte nicht substantiiert genug vorgetragen.
Die Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Berlin‐Brandenburg sah dies ebenso. Die Urlaubsansprüche seien nicht durch eine einvernehmliche Abrede zwischen den Parteien über die Anrechnung der tatsächlich freien Tage auf den Urlaub abgegolten. Dazu bedürfe es vielmehr einer vor Urlaubsbeginn erfolgten und nach ihrem Umfang hinreichend bestimmten unwiderruflichen Freistellungserklärung seitens des Arbeitgebers.
Keine eindeutige Freistellungserklärung
Zur Erfüllung des Urlaubsanspruches bedürfe es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers. Diese müsse so eindeutig sein, dass der Arbeitnehmer erkennen müsse, dass der Arbeitgeber ihn zum Zwecke des selbstbestimmten Erholungsurlaubes von der Arbeitspflicht freistellen will. Dies dürfe nicht nach der Leistung erfolgen.
Die Beklagte habe nicht ausreichend Anhaltspunkte vorgetragen, dass diese Anforderungen an die Freistellungserklärung erfüllt seien.
Das Landesarbeitsgericht bemängelte, dass aus dem Vortrag der Beklagten nicht hervorging, dass eine Absprache über die Urlaubsgewährung bzw. Urlaubsanrechnung vor dem vermeintlichen Urlaubsbeginn erfolgt sei. Es könne auch so verstanden werden, dass die Erklärungen erst im Nachgang zu den arbeitsfreien Zeiten erfolgt seien.
Aus dem Beklagtenvorbringen sei zudem nicht ersichtlich, dass eine Freistellung im Vorhinein für einen feststehenden Zeitraum erklärt worden sei. Der Arbeitnehmer müsse erkennen können, für welchen Zeitraum er freigestellt sei. Er müsse auch endgültig von der Arbeitspflicht befreit werden. Eine unter dem Vorbehalt des Widerrufs stehende Befreiung von der Arbeitspflicht erfülle den Urlaubsanspruch nicht.
Dass der Urlaubszeitraum unwiderruflich feststand habe sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht ergeben. Die Vorgehensweise der Arbeitgeberin, eine beginnende urlausfreie Zeit unbestimmter Länge auf den Urlaub anzurechnen sei keine Urlaubsgewährung. Es fehle an der unwiderruflichen Freistellung, weil der Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen könne, dass der Urlaub nicht unvermittelt ende, wenn wieder Arbeitsaufgaben für ihn vorhanden wären.
Ungültige Verrechnungsabrede
Die Urlaubsgewährung könne auch nicht dadurch nachgeholt werden, dass der Arbeitgeber nachträglich einen arbeitsfreien Zeitraum zum Erholungsurlaub erkläre.
Da nach § 13 BUrlG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers von den Bestimmungen zum gesetzlichen Urlaubsanspruch abgewichen werden dürfe, wäre die von der Beklagten behauptete Verrechnungsabrede nichtig. Der Urlaubsanspruch würde durch solch eine Abrede nicht erlöschen.
Insbesondere die den Anforderungen hinsichtlich Zeitpunkt und Unwiderruflichkeit genügende Urlaubsgewährung betreffe das gesetzlich gegen Abweichung geschützte Minimum des Urlaubsanspruches. Von diesem würde eine Verrechnungsabsprache zwischen der Arbeitgeberin und dem Arbeitnehmer abweichen.
Allerdings habe die Beklagte auch nicht nachweisen können, dass eine entsprechende Absprache überhaupt stattgefunden habe.